Comicoskop-Rubrik: Festivals in deutschen Landen

Münchner Comic-Festival 2015:           

München, ach, München…

Ein Stoßseufzer in doppelter Hinsicht

Streng subjektiver Reisebericht  unseres  fahrenden COMICOSKOP-Gauklers und -Redakteurs Tillmann Courth

Zunächst einmal schlug erneut der „Münchner

Wetterfluch“ zu: War das 2013er-Festival in lästigem Dauerregen ersoffen, so durchlitten alle Beteiligten heuer die zwei bis dato heißesten Tage des Jahres.

Als lebensrettend erwies sich der angrenzende Biergarten, der mich allerdings auch von so mancher Veranstaltung ferngehalten hat.

Applaus für die Wahl der neuen Veranstaltungszentrale: Die Alte Kongresshalle an der Schwanthaler Höhe hat ihre Feuerprobe bestanden und ist infrastrukturell perfekt aufgestellt. Einziger Kritikpunkt: Vortragssaal 2 war manchmal zu dünn bestuhlt. Hier hätte ein Helfer bereitstehen sollen, der je nach Bedarf flexibel hätte reagieren können. Generell wäre ich dafür, den Zeichenkursraum

zum zweiten Vortragssaal zu machen… 

Würdiger Empfang für die „neunte Kunst“ in der Alten Kongresshalle / Foto: Comicoskop Tillmann Courth

Schade natürlich, dass alle externen Ausstellungen und

Events einen weiten Weg erforderten. Hier musste man frustrierende

Ausschluss-Entscheidungen treffen. Liegt in der Natur der Sache, dennoch hinterlässt es einem mit ohnmächtigen Gefühlen.

Den Organisatoren, Mitwirkenden und Helfern gebührt ein

Riesenlob dafür, diese Sause auf die Beine gestellt zu haben. Keine Frage.

Vielen Dank! Aber ich bin der „Comic-Snob“ des COMICOSKOPS und werde im Folgenden meine (teils giftigen) Impressionen niederschreiben, beschränkt auf die wenigen Dinge, die ich erlebt habe (zuviel Programm für einen Menschen in vier Tagen).

Beginnen wir bei den Ausstellungen: Also, Leute, zwölf Seiten „original art“ sind für mich noch keine Ausstellung.

Dieses Mecker-Urteil trifft Will Eisner sowie die zentrale Schau von britischen Comics. Sorry, ist mir zu dünn.

Gelungen dagegen fand ich die Reinhard Kleist-Retro, das „Räumchen“ zu Peter Pucks „Rudi“ und „Mad Bunk“ im Amerikahaus. Den Rest der Aushänge belege ich frech mit der Note „akzeptabel“.

Die begleitende Börse der Comichändler lag weit draußen am Ostbahnhof. Was nicht weiter schlimm war,

denn U-Bahn Nummer 5 verbindet Ort mit Ort in direkter Linie. Das Angebot erwies sich als solide, wenn auch nicht üppig. Keine Ahnung, ob die Aussteller mit dem Zulauf zufrieden waren. Ich hatte den Eindruck, das Ganze löste sich gegen 13 Uhr bereits wieder auf. Schweres Versäumnis hier: Kein Getränkestand bei bulligen Temperaturen!

Das sonst übliche Gewusel auf der Börse hielt sich diesmal sehr in Grenzen.  Foto: Comicoskop/Tillmann Courth 

 Kommen wir zu den Vorträgen, von denen ich nur spärliche 10 wahrgenommen habe (Hitze! Wege! Freunde treffen!).

Unverständlich bleibt, weshalb die Macher zwei Highlights terminlich

(und örtlich!) so gelegt haben, dass möglichst wenige Menschen teilhaben können: Paul Gravett über „Britische Comics“ am Donnerstagnachmittag und Denis Kitchen über Will Eisner am Sonntag früh abends. Geht das nicht mal anders?

Vor zwei Jahren gab es ähnliche „Verzerrungen“ im Spielplan…

„Gasthistoriker“ Gravett erwies sich als aufgeräumt-quirliger Gentleman, der alle seine Einsätze mit Bravour und Ironie

meisterte.

Der deutsche Comic-Großmeister Andreas C. Knigge interviewte

kompetent und einfühlsam sowohl Reinhard Kleist als auch Sonderpreisträger Tom Bunk.

Erfreulich auch, welche Einsichten sich auftun, wenn man Außenseiter-Projekte wie eine Graphic Novel über Karl Kraus oder ein Schmuckbuch über deutsche Comicsammler präsentiert bekommt.

Die Begegnung mit engagierten Verlegern und Künstlern ist immer eine helle Freude.

Der große Schatten, der sich über einige Programmpunkte

senkte, ist die Verweigerung von Bildeinspielungen. In allen Räumlichkeiten waren Beamer verfügbar – wieso wurden sie teilweise nicht genutzt? Wie kann man es geradezu WAGEN, über ein

visuelles Medium zu reden und dabei auf Bilder zu verzichten?!

Wenn man einen gewieften Entertainer wie Don Rosa auf

der Bühne hat, geht es auch ohne Lichtbildschau. Diese Amerikaner können einfach quatschen.

Wenn man jedoch den tiefenentspannten Tom Bunk vor sich hat,

gerät eine Rückschau auf sein Werk verdammt zäh!

Wie prächtig wäre dieser Talk geworden, hätte man sich die Mühe gemacht, mal 50 Seiten zu scannen und im Hintergrund zur Verfügung zu haben. Comicveranstaltungen ohne Comics sind

nahezu SKANDALÖS und haben mir ein wenig Wut im Bauch entfacht.

Das ist nicht mal meine Einzelmeinung, sondern diese

Beschwerde darf ich im Namen vieler Besucher vortragen: Bitte in Zukunft jede Veranstaltung bebildern!

Und wenn ihr das nicht gebacken kriegt, dann. Mach. Ich. Das. Für. Euch. Schickt mir die Vorlagen, ich scanne den Kram und bereite ihn in PowerPoint auf, Herrgott.  

Kurios: Ein Comic-„Panel“ ohne Bilder! Wolfgang J. Fuchs im Gespräch mit den Mangaka Martina Peters und David Füleki.  Foto: Comicoskop Tillmann Courth

Höhepunkt des Comicfestes ist die Verleihung des Peng!-Preises am Samstagabend. Da ich im „richtigem Leben“ unter anderem auch Bühnenregisseur bin, möchte ich den Mantel des gnädigen Schweigens über der Chose ausbreiten.

Nur eines: Mein Sitznachbar relativierte die Groteskerien mit einem versöhnlichen „Also, ich MAG Dilettantismus“. Dies half mir, noch meinen Spaß an der skurrilen Affäre zu entwickeln.

Was fehlt noch? Die Party in der Volksküche löste in unserer Gruppe Enttäuschung aus.

Erstens hatten wir auf Tanz (sprich: Disco) gehofft, zweitens auf das

annoncierte Freibier (war bei Eintreffen der ersten Gäste schon weg). Dass es dann doch noch ein schöner Abend wurde, liegt daran, dass man Bier auch kaufen kann.

Fazit: München, ach, München! Es war herrlich. Es war schrecklich. Es war ein Comicfestival.

TIC

Der COMICOSKOP-Redakteur und -Festivalreporter bei der Recherche


Foto: Comicoskop Tillmann Courth

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