Ganz Europa trauert, denn Asterix hat seinen zweiten Vater verloren: Er war der Herr der Hinkelsteine, König
der Knollennasen und ein brillanter Meister der barocken Bilderzählung und des visuellen Humors. Er galt selbst schon zu Lebzeiten als ein Gigant der europäischen Comic-Kultur – und Mitschöpfer
jenes gallischen Gnoms, der unter dem Namen Asterix Weltruhm erlangte, ja, sogar zu einem globalen Erfolgsphänomen avancierte. Jetzt ist der Großmeister des grafischen Erzählens, Albert Uderzo,
am 24. März 2020 im Alter von 92 Jahren, wenige Wochen vor seinem Geburtstag, an einem Herzinfarkt verstorben. Er selbst galt schon zu Lebzeiten als ein Gigant der europäischen Comic-Zunft,
Virtuose der Bild-Komik, der gemeinsam mit seinem symbiotischen Partner, dem genialen Startexter René Goscinny (1926-1977), mit dem wohl bekanntesten Gnom der Comic-Geschichte einen Meilenstein
schuf und maßgeblich dessen grafisches Erscheinungsbild prägte: Die Figur Asterix den Gallier, die erstmals im Oktober 1959 im nicht minder legendären Comic-Magazin „Pilote“ erschien. Zwar gab
sich Uderzo immer betont bescheiden, ließ dem Gag-Tüftler, Weggefährten und Tausendsassa, dem charismatischen Hansdampf in allen Gassen, René Goscinny, stets den Vortritt. Aber ohne Uderzos
virtuose, elegante Comic-Grafik wäre Asterix nie zu dem Welt- und Bestseller-Erfolg geworden, der er bis heute ist. Asterix war eben nie nur Sprachartistik, er war immer auch Bildartistik. Gerade
in Deutschland wäre Asterix nie derart beim germanischen Publikum eingeschlagen, wäre da nicht die kongeniale Glücksfall der (west-)deutschen Asterix-Übersetzerin Gudrun Penndorf
gewesen.
Vielleicht wird nach seinem Tod nie wieder das Piratenschiff von Asterix und Obelix im Meer versenkt. Hatte Albert Uderzo doch noch zu
Lebzeiten erklärt, nach seinem Ableben solle es keine Fortsetzung der Asterix-Abenteuer geben. Jetzt ist der Großmeister des grafischen Erzählens und zweite Vater der Gallier-Saga um Asterix
& Co. im Alter von 92 Jahren Neuilly-sur-Seine bei Paris gestorben: Albert Uderzo, von seinen engsten Freunden liebevoll „Bebert“ genannt. Damit geht eine
Ära zuende. Ein COMICOSKOP-Nachruf über einen Ausnahme-Künstler und sein Lebenswerk:
Vor über sechzig Jahren, im Oktober 1959, jedenfalls galt: Sie
kamen, sahen und siegten: Albert Uderzo war mit seiner grandiosen, barocken Zeichenkunst mindestens ebenso Garant des fulminanten Welterfolgs der Serie Asterix in den 1960er und 1970er Jahren wie
sein Seelenverwandter, der geniale Ironiker, Satiriker und Humorist René Goscinny (1926-1977). Vom Oktober 1959 bis November 1977, achtzehn Jahre lang, bildete die beiden das Dream Team der
europäischen Comic-Kultur, zwei unzertrennliche siamesische Zwillinge, deren Symbiose das Erfolgsrezept der Gallier-Comicsaga ausmachte. Goscinny war keineswegs die bessere Hälfte, so gewaltig
dessen Anteil am Faszinosum Asterix auch sein mochte, Uderzos von seinem Lehrer Edmond-François Calvo geprägter Zeichenstil brachte das Juwel Asterix und das Goscinnysche Wortwitz-Feuerwerk erst
so richtig zum Funkeln.
Hatte großen Einfluß auf den jungen Albert Uderzo: Der Altmeister der magischen Bildsprache, Edmond-Francois Calvo (1892-1957), Schöpfer der Anti-Hitler-Satire "Die Bestie ist tot" / (c) Gallimard
Im Interview mit dem WELT am Sonntag-Redakteur Martin Scholz bestätigte Uderzo denn auch den großen Einfluss Calvos auf seine grafische Prägung: „Das war für mich wie das Paradies (…), Calvo hat mich unterstützt, mir geholfen und mich bestärkt in dem, was ich selbst tun wollte.“ Und in einem im Asterix-Lexikon abgedruckten Gespräch ließ Uderzo 1999 wissen: „Ich kann behaupten, dass Calvo mein erster Lehrmeister war. Er hat mich inspiriert mit seiner Art, wie er den Wald und die Bäume gezeichnet hat. In manchen Wäldern zeichne ich verschnörkelte Baumwurzeln. So etwas ist typisch Calvo. Die Poesie, die es in seinen Wäldern gab und die mir gefiel, habe ich übernommen.“
Zwar vermochte Uderzo das Weltklasse-Niveau der Asterix-Blütezeit nach Goscinny jähem
Herztod vom 5. November 1977 textlich nicht mehr zu halten: Aber dank seiner gelungenen, oft grandiosen Bildsprache sank die Erfolgsserie „Asterix“ auch in der goscinny-losen Zeit vom „Großen
Graben“ 1980 bis „Geburtstag“ 2009 nie auf bloßen Durchschnitt. Auch dann nicht, wenn es Uderzo immer weniger gelang, an den ironischen Sprachwitz, das Mehrebenen-Spiel und das bewusst politisch
unkorrekte Gag-Feuerwerk eines Goscinny anzudocken.
Der Stafetten- und Wachwechsel von 2011 war wegen Uderzos schwerer Hand-Athrose folgerichtig – und mit Didier Conrad gelang es wider Erwarten, einen
ähnlich guten Nachfolger für die grafische Seite des neuen Asterix zu finden wie im Falle der Post-Morris-Ära bei Lucky Luke mit dem exzellenten Fußstapfen-Füller Achdé. Ein Lückenbüßer
jedenfalls ist der in den USA lebende Franzose Didier Conrad mitnichten. Dass der hervorragend geeignete Texter Jean-Yves Ferri nach zwei vielversprechenden Asterix-Szenarios zweimal
hintereinander schwächelte und das Champions League-Niveau René Goscinnys beileibe noch nicht erreicht, ist kein Beweis dafür, dass es ein Fehler war, die Serie fortzusetzen. Zwar mangelte es dem
letzten Asterix-Album „Die Tochter des Vercingetorix“ deutlich an Adrenalin, zu hoffen ist jedoch, dass künftig wieder neue Geschichten gibt, die es wie einst zu Zeiten Goscinnys verstehen, die
antike Geschichte mit sozialkritisch-ironischem Gegenwartsbezug zu verbinden.
Geboren wurde Albert Alessandro Uderzo am 25. April 1927 in der nordfranzösischen Gemeinde Fismes westlich der Stadt Reims als Sproß einer italienischen Einwandererfamilie und Sohn eines norditalienischen Schreiners und späteren Geigenbauers. 1934 erhielt der junge Uderzo die französische Staatsbürgerschaft. Von Anfang war er ein Außenseiter, erlebte eine schwere Jugend in den Banlieus. Im Pariser Vorstadt-Quartier Clichy-sous-Bois begegnete ihm nach eigenem Bekunden regelrechter Rassismus, in dem traditionell linken Stadtteil noch gesteigert durch – verständliche - Vorbehalte gegen das damals faschistische Mussolini-Italien und dessen Rolle im Spanischen Bürgerkrieg an der Seite Nazi-Deutschlands… Das alles mag Uderzos Liebe für Underdogs, für die Davids dieser Erde, die den Goliaths trotzen, gefestigt haben.
Von Kindesbeinen an träumte Uderzo davon, einmal ein Clown zu werden. Aus diesen Jahren erinnert sich Uderzo daran, wie er - wegen der Aversion gegen das faschistische Mussolini-Regime - als "Makkaroni" gehänselt und herabgesetzt wurde. Daher rührt auch sein tiefes Misstrauen gegenüber der sozialistischen oder kommunistischen Linken: "Ich erlebte dieses Umfeld in den 1930er Jahren, den Jahren der Volksfront, in denen die sich negativ gegenüber Einwanderern verhielten; die damaligen Sozialisten und Kommunisten haben uns, die italienischen Einwanderer, nicht verschont “, so zitiert ihn die Tageszeitung „Libération“.
Erste Tuchfühlung mit der Comic-Kultur war wohl – neben den Zeitungscomics – die Micky Maus-Disneycomic-Lektüre im „Petit Parisien“ in Uderzos Kindheitstagen, später auch das Hausmagazin der französischen Maus, das „Journal de Mickey“…
Seine früh entdeckte Farbenblindheit (er verwechselte besonders Rot und Grün), die Fehlbildung von später chirurgisch korrigierten sechs Fingern an jeder Hand untermauerten wohl das Gefühl des Andersseins nur noch. Während der deutschen Besatzung – als die Nazis kamen, war Uderzo dreizehn und als das Land vom Joch der Deutschen befreit wurde, war er siebzehn – steckten ihn die neuen Machthaber obendrein in Zwangsarbeit.
Ein Schlüsselerlebnis der frühen Zeit war gewiss Uderzos Begegnung mit seinem großen Lehrmeister Edmond-François Calvo (1892-1957): Der Mann, der in Deutschland spät, aber nicht zu spät durch seine noch während der deutschen Besatzung im Untergrund erschienene Widerstands-Saga in Gestalt einer Tierfabel, „Die Bestie ist tot“ (1944/45), erst in den 1970ern etwas bekannter wurde (dank des Melzer Verlags), war selbst ein Virtuose der Comic-Zeichenkunst und pflegte jenen runden, barocken, gekonnt zwischen Karikatur und Realismus pendelnden „magischen“ Zeichenstil, den sein Schüler Uderzo in sich aufzusaugen und in den Folge-Jahrzehnten zu perfektionieren verstand. Calvo war nicht zuletzt ein Meister der Tier- und Naturdarstellung, wie wir sie in Asterix dank Uderzos Zeichnungen wiederfinden. In Uderzo steckt – anders als zahlreiche bundesdeutsche Feuilleton-Nachrufe nahelegten – weniger Disney denn Calvo. (Eine andere Sache ist, dass Goscinny & Uderzo dem Disney-Imperium in ihrer besten Zeit mit Asterix gern den Kampf ansagten - und in bemerkenswerter Manier Paroli boten.)
Edmond-Francois Calvo: Der Mann, bei dem Albert Uderzo das Zeichen-Handwerk lernte / (c) Gallimard
Uderzo über seinen großen Lehrmeister Calvo im Rückblick: „Besonders gut erinnere ich mich an Calvo, einen der Größten seiner Zeit. Von ihm ist vor allem Das Biest ist tot (La Bête est morte) bekannt, eine Tierparodie, in der Hitler als wilder Wolf dargestellt ist. Mit der Feinheit seines Strichs und der Harmonie zwischen Schwarz und Weiß schuf er wahre Wunder. (...) Edmond Calvo war ein Normanne und von der äußeren Erscheinung her das Urbild eines Wikingers: ein blonder Riese mit blauen Augen. Seine Güte und seine Schlichtheit wurden nur von seinem Talent übertroffen. Ich war sehr stolz darauf, mit ihm bekannt zu sein. Oft hatte ich Gelegenheit, bei ihm zu Haus zu sein und ihm bei der Arbeit zuzusehen. (…) Ganze Nachmittage verbrachte ich damit, Calvo bei der Arbeit zuzuschauen. Er arbeitete mit englischen Bronzefedern von außergewöhnlicher Feinheit und zeichnete mit erstaunlicher Sorgfalt. Schließlich kolorierte er seine Arbeiten selbst, indem er die Anilinfarben direkt auf die Originale auftrug. Es waren Kunstwerke von größter Vollkommenheit. Eines Tages überwand ich meine Schüchternheit und zeigte ihm einige meiner eigenen Arbeiten. Da ermunterte er mich sehr freundlich, doch selbst Zeichner zu werden.“ (Zit. nach Der lange Weg zu Asterix 1986, S.31).
Im humoristischen Metier lassen sich bei Uderzo – neben Calvo – Einflüsse eines Walt Kelly (Pogo) erkennen…Stilistisch war Uderzo hingegen – was das realistische Fach der eleganten Schule anbelangt – sichtlich von US-Könnern wie Alex Raymond, Wally Wood, Stan Drake, John Prentice oder Leonard Starr geprägt.
Schon mit knapp vierzehn Jahren heuerte Uderzo bei der S.P.E. an (der Societé parisienne d’édition), wo er erste redaktionelle Zeichenarbeits-Gehversuche unternahm.
Bereits während der deutschen Besatzung 1944 wagte Uderzo fürs Magazin „Junior“ sein Debüt als Comic-Zeichner mit einer Bildergeschichten-Fabel nach „Der Rabe und der Fuchs“ (Le Corbeau et le Renard) frei nach Reineke Fuchs…
1945 unternahm der junge Uderzo einen kurzen Ausflug in die Welt des Zeichentrickfilms gemeinsam mit Renan de Vela in Gestalt des Streifens „Clic-Clac“. Danach folgte eine Musketier-Mantel- und Degen-Geschichte namens „Flamberge“.
Ende der 1940er ging Uderzo dazu über, sich „Al Uderzo“ zu nennen – wohl, um den großen US-Comicvorbildern nachzueifern. Fürs Magazin „O.K.“ schuf
er nacheinander die Serien „Arys Buck“, „Le Prince Rollin“ und nicht zuletzt „Belloy L’invunerable (Belloy der Unverwundbare) - einer ineinander übergehenden Familiensaga mannesmutiger
Übermenschen mit Superkräften...
Von 1949 an, unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg und der Befreiung Frankreichs von der deutschen Nazi-Besatzung, verdingte sich Uderzo als
Pressezeichner, für die Zeitungen France-Dimanche und sodann auch für die Tageszeitung France-Soir (dort mit beiden Zeitungscomics Le Crime ne paie pas (dt. Verbrechen lohnt sich nicht) und Les
Amours célèbres (dt. Berühmte Liebe). Sogar eine Superheldenserie kreierte Uderzo in jener Zeit, die Figur des „Capitaine Marvel junior“, die 1950 in der belgischen Zeitschrift „Bravo“ kurzzeitig
aufblitzte.
Einen Wendepunkt bildete 1951 sodann sein Aufeinandertreffen mit zwei späteren Giganten der europäischen Comic-Kultur, die sich damals ebenfalls anschickten, nach den Sternen zu greifen: Die beiden Allround- und Viel-Texter Jean-Michel Charlier und René Goscinny.
Mit Charlier – später Startexter vieler berühmter Serien wie Blueberry, der Rote Korsar, Mick Tangy oder Rex Danny – schuf er in den 1950ern Serien
wie „Belloy“ (einen Mittelalter-Comic) für „La Wallonie“ und das Werbemagazin „Pistolin“, von 1952 bis 1956 entstand die Mantel-und Degen-Serie als Vorläufer von Umpah Pah, um den Korsaren Jehan
Pistolet mit seinem Freund und Seelenverwandten René Goscinny als Texter in der Jugendbeilage La Libre junior der Brüsseler Tageszeitung La Libre Belgique.
Besonders in der ebenfalls mit Goscinny entstandenen Serie „Luc Junior“ (1954-57) lassen sich Spurenelemente dessen finden, was später zu den
Zutaten des Zaubertranks für Asterix gehörte: Ein kleiner Schlauer, ein dicker Großer als dessen Nebenbuhler und ein Hund… Vorläufer von Asterix, Obelix und Idefix…
Kleiner Held, dicker Freund mit Hund: Schon bei Luc Junior findet sich die Erfolgskonstellation, die später Asterix & Obelix bestimmen sollte / (c) Editions Albert-René & Egmont Ehapa Verlag / Albert Uderzo
Von 1958 bis 1962 schufen Goscinny/Uderzo ihre Lederstrumpf-Persiflage „Umpah Pah“ fürs damals – neben „Spirou“ - führende Comic-Magazin „Tintin“: Diese „Der letzte Mohikaner“-Persiflage war vielleicht die entscheidende Fingerübung der beiden Jugendfreunde, ehe sie mit der Kreation ihrer Erfolgsfiguren Asterix und Obelix ihr Damaskuserlebnis feierten. Am Rande sei bemerkt, dass Goscinny hier sicherlich – ob der Erinnerung ans argentinische Exil – mehr oder minder unbewusst an den bekanntesten argentinischen Ur-Comic anknüpfte – auch hier die Konstellation des kleinen Schlaukopfs und des wohlbeleibten „Gargantuas“… unter dem Titel „Patoruzú" kennt diese Serie des Zeichners Dante Quinterno in Argentinien, wo Goscinny seine Jugend zubrachte und das dortige Comic-Eldorado entdeckte, jedes Kind.
Bild unten: Dante Quinternos argentinischer Comic-Klassiker "Patoruzú": René Goscinny nahm an der Serie sowohl für "Umpah-Pah" als auch "Asterix" Anleihen... / (c) Dante Quinterno
In den 1950ern lernte Uderzo – nachdem er sich mit Yvan Cheron, dem Chef der belgischen Agentur „International Press“ verbündet hatte, alle jenen
belgischen Comic-Kollegen kennen, die später die europäische Comic-Kultur nachhaltig prägten: Morris, Franquin und Peyo, aber auch Eddy Paape, Mitacq und Victor Hubinon, außerdem Greg, Jean
Graton und Raymond Macherot... Mit Tibet, dem Zeichner der Detektivserie Rick Master (frz. Ric Hochet), verband ihn, seit gemeinsamen Tagen beim Magazin „Tintin“, eine lebenslange, enge
Freundschaft….
Uderzos Schaffenskraft in den 1950er war beachtlich, seiner Stil-Vielfalt und –Spannbreite ebenfalls, mal realistischer Abenteuer, dann wieder Humor-Funny-Comic: Von 1948 bis 1958: arbeitete er an „Belloy der Unverwundbare“ (1951 holte er sich dafür Jean-Michel Charlier als Texter an seine Seite), von 1953 bis 1954 an der Abenteuerserie „Marco Polo“ für „La Libre Junior“ (mit Texter Octave Joly), 1954 an der legendären Spirou-Serie „Onkel Paul“. Seine Abenteuerserie – entstanden in der Zeit zwischen 1954 und 1955 und die einzige im realistischen Stil gemeinsam mit Texter-Partner René Goscinny, Bill Blanchart, für „Libre Junior“ zeigte, welch vielseitiges Zeichentalent Uderzo besaß. Von 1954 bis 1957 folgte Luc Junior. 1955: Les Grands noms de l’Histoire de France. Von 1955 bis 1956 arbeitete Uderzo an der Serie Tom et Nelly enfants du siècle (Tom und Nelly Kinder des Jahrhunderts) für „Risque Tout“ (Text: Octave Joly). Und von 1956 bis 1959 kam die Humorserie Benjamin & Benjamine (gemeinsam mit Christian Godard) heraus. 1957 lancierten Texter Charlier und er noch den Herzschmerz- und Romantik-Comic „Clairette“ fürs Journal „Paris-Flirt“.
Fürs Frauenmagazin „Bonnes Soirées“ illustrierte Uderzo zunächst eine Rubrik rund ums Thema Savor-Vivre, später die beiden Serien „Sa Majesté mon mari“ und die Comic-Figur in den Wirren des Indochina-Kriegs, „Valérie André“.
Bereits 1955 gründeten die Fantastischen Vier – Uderzo, Charlier und Goscinny mit Jean Hébrard (Chef der Werbeagentur World Press) – die Comic-Agentur Edifrance/Edipresse, um ihre Rechte besser zu vertreten und neue Aufträge zu beschaffen – nicht zuletzt mit Hilfe von Umpah-Pah und dem Treiben der Agentur hoffte insbesondere Goscinnys, den nordamerikanischen Comic-Markt zu erobern. Sponsor der Agentur war die Schokoladenfirma Pupier, Plattform der Vier deren Werbemagazin „Pistolin“.
Der 1951 nach Frankreich zurückgekehrte Goscinny hatte – nach seiner Jugendzeit in Argentinien – in den USA den Splapstick-Humor eines Harvey Kurtzman sowie der damaligen MAD-Crew um Wally Wood und Jack Davis kennen- und liebengelernt und obendrein drei spätere Schwergewichte der frankobelgischen Comic-Szene getroffen: Jijé, Franquin und Morris…
Der Traum, den US-Markt im Sturm zu erobern, scheiterte kläglich. Kein Verlag in den USA mochte die Produktionen des Duos Uderzo/Goscinny für sich einkaufen, auch nicht die im 18. Jahrhundert spielende, humoristisch-satirische Nordamerika-Serie „Umpah Pah“…
Es entstanden zwischen 1958 und 1962 insgesamt fünf, trotz alledem lesenswerte Umpah-Pah-Geschichten um die starke "Rothaut" vom Wascha-Wascha-Stamm und seinen weißen Kompagnon, Hubert von Täne...: Oumpah-Pah le Peau-Rouge, 1958; dt.: Umpah-Pah, die Rothaut (Zack 17–20/1972), Oumpah-Pah sur le sentier de la guerre, 1958; dt.: Die Plattfüße greifen an (Zack 27–30/1972) und Oumpah-Pah et les pirates , 1959; dt.: Der Schrecken der Meere (Zack 39–43/1972). Außerdem Oumpah-Pah et la mission secrète, 1960; dt.: In geheimer Mission (Zack 5–10/1973) und das letzte Album Oumpah-Pah contre Foie-Malade, 1962; dt.: Häuptling Kranke Leber (Zack 43–48/1973).
Goscinny hatte einige Umpah-Pah-Probeseiten von seinem Freund, der MAD-Legende Harvey Kurtzman, eigens ins Englische übersetzen lassen, doch alle Mühen, die Serie – etwa via eine auf dem US-Markt von den Verlegern Dupuis lancierte Fernsehillustrierte – zum Exportschlager jenseits des Atlantiks zu machen, waren vergebens. Die große Überfahrt misslang.
Fürs Magazin „Tintin“ entstanden neben Umpah-Pah eine Reihe von in sich abgeschlossenen Geschichten sowie der Werbecomic „La Famille Cokalane“ für die Shampoo-Marke Pétrole Hahn…
Da sie mit ihren Amerika-Plänen Schiffbruch erlitten, machten Goscinny/Uderzo und Charlier aus der Not eine Tugend - und besannen sich auf Eigenproduktionen für Frankreich/Belgien, dann für ganz Europa…
Zunächst ersann die Edifrance/Edipress-Crew eine Zeitungsbeilage mit Comics, Le supplèment illustré“, die auch Bildergeschichten Uderzos enthielt, den Mick Tangy-Vorläufer „Banjo 3 ne répond plus“ und „Antoine Invincible“. Aus dieser Networking-Zeit rührten auch die guten Kontakte zu Radio Luxemburg (Vorläufer von RTL), das sich als Sponsor eines neuen, vielversprechenden Comic-Magazins der besonderen Art anbot: PILOTE!
So hoben sie – mit den Motoren René Goscinny und Jean-Michel Charlier auf der Kommandobrücke – das sich an ältere Jugendliche und zusehends auch Erwachsene richtende Comic-Magazin der anderen Art, PILOTE 1959 aus der Taufe. Am 29. Oktober 1959 erschien die Erstausgabe – und geriet in den 1960er und 1970er Jahren zum Publikumserfolg. Damit begann zugleich eine neue Comic-Ära: „Pilote“ hatte fortan – nomen est omen! – Pilotfunktion, war Vorreiter zahlreicher Comic-Serien und Comic-Künstler, Talentschmiede par excellence.
Die Crème de la Crème der frankobelgischen Comic-Kultur: Die PILOTE-Crew mit Albert Uderzo (2. Reihe von unten, ganz links) und Chefredakteur/Spiritus Rector René Goscinny (sitzend, Bildmitte) / (c) Dargaud
Albert Uderzo selbst zeichnete die humoristisch-satirischen Gallier-Geschichten um Asterix und Obelix, den kleinen, listenreichen Gnom und den
vollschlanken Hinkelstein-Hünen – von Beginn an für „Pilote“… zeigte aber mit Serien wie dem realistisch gezeichneten, wohlgemerkt von Charlier getexteten Flieger-Mirage-Abenteuercomic „Mick
Tangy“ (1959-1966), das er auf beiden Klavieren – der realistischen und der humoristischen Zeichenschule gleichermaßen – zu spielen verstand.
Uderzos andere Seite: Die realistisch gezeichnete Flieger- und Abenteuerserie "Mick Tangy" / (c) Dargaud & Albert Uderzo
Es entstanden insgesamt acht Mick Tangy-Abenteuer aus der Feder Uderzos – und jeder, der die Zeichnungen Uderzos in den 1970ern in „ZACK“ einmal
gesehen hatte, konnte davon nicht mehr genug bekommen… (Jean-Michel Charliers Ideenreichtum bei den Szenarios trug selbstredend maßgeblich zum Erfolg der Fliegerserie bei.) Das 1. Mick
Tangy-Album, L'École des Aigles (dt. Gefahr am Himmel), erschien 1961 bei Dargaud (dt. Die Schule der Adler).
In der Kurzgeschichte "Avril, Avril" (dt. April, April) nahm Uderzo in "Pilote" all seine eigenen Figuren (Asterix & Obelix, Tangy & Laverdure) auf den Arm, aber auch Hubinons Piraten-Serie "Barbe Rouge" (Der rote Korsar) / (c) Uderzo & Dargaud / Bildmitte: Selbstporträt des Meisters / (c) Albert Uderzo & Hachette
Es folgten „ Pour l'Honneur des Cocardes“ (Dargaud, 1962; dt. Für Ehre und Vaterland) und als drittes Album „Danger dans le Ciel“ (Dargaud, 1963; dt. Gefahr am Himmel). 1964 kam „Escadrille des Cigognes“ als Album heraus (Dargaud, 1964; Die Schwadron der Störche), sodann „Mirage sur l'Orient“ (Dargaud, 1965; dt. Mirage im Nahen Osten), „Canon Bleu ne répond plus“ (Dargaud, 1966; dt. Cannon Bleu antwortet nicht) und „Cap Zéro“ (Dargaud, 1967; dt. Cap Zero). Das letzte von Uderzo federführend gefertigte Mick Tangy-Album war die Nummer Acht, „Pirates du Ciel" (Dargaud, 1967; Piraten des Himmels), bei dem der Meister sich vom Blueberry-Zeichner, der zeitweilig als möglicher Nachfolger galt, Jean Giraud, und von seinem jüngeren Bruder Marcel Uderzo helfen ließ. Auf Deutsch erschienen die ersten Tanguy et Laverdure-Geschichten Uderzos zunächst in Lupo Modern bei Kauka unterm germanisierten Titel „Rolf und Mikki", später in ZACK unter dem Seriennamen Micky Tangy, den der Carlsen Verlag sinniger Weise übernahm. Nur der heutige Egmont Ehapa Verlag scherte aus – und benannte die Serie in die französischen Variante um („Mick Tanguy“).
Mischte Humor und Spannung Die realistisch gezeichnete Flieger- und Abenteuerserie "Mick Tangy" von Uderzo/Charlier 1959-1968 / (c) Dargaud & Albert Uderzo
Sein Stil in „Mick Tangy“ – mit dem schönen Untertitel: "Les Chevaliers du Ciel" (dt. Die Ritter der Lüfte) war deutlich von den US-Klassikern der eleganten, realistischen Abenteuercomic-Schule geprägt – allen voran Alex Raymond, Hal Foster, Milton Caniff, Wally Wood oder Will Eisner… als der belgische Altmeister Jijé die Zeichenarbeit an Mick Tangy übernahm, weil sich Uderzo wegen Überlastung voll auf die Erfolgsstory Asterix konzentrieren wollte, war denn auch der Stilbruch deutlich zu bemerken. Jijés Zeichnungen waren zweifelsohne gekonnt und professionell, aber der elegante Strich, der Mick Tangy seinen besonderen Charme und das gewisse Etwas verlieh, war nun auf einmal wie weggeblasen. Auch das humoristische Element, das die Abenteuerserie unter Uderzos Ägide geprägt (schon allein wegen der seinem eigenen Ebenbild nachempfundenen Figur des Tollpatschs und Mick Tangy-Sidekicks Laverdure (oder auch René Duponts), der immer – trotz aller Spannung und Action – für Erheiterung sorgte) fiel unter Jijé zusehends flach. Die Serie Mick Tangy erfreute sich auch und gerade im alten, noch rein westdeutschen Comic-Magazin „ZACK“ in den 1970er Jahren großer Beliebtheit, erschien auch in etlichen ZACK BOX-Alben…
Uderzos andere Seite: Die realistisch gezeichnete Flieger- und Abenteuerserie "Mick Tangy" / (c) Dargaud & Albert Uderzo
Als Geniestreich par excellence erwies sich – dabei alle Vorgänger-Werke Uderzos bei weitem überragend – die Serie Asterix mit René Goscinny als spritus rector und Text-Ideenmann: Die Idee entsprang, glaubt man den Äußerungen des Autoren-Duos, einem Gedankenblitz – binnen fünfzehn Minuten war das Grundkonzept „Gallisches Dorf, mit zwei Helden an der Spitze, leistet – trotz Vergingetorix‘ Niederlage bei Alesia – den Römern unverdrossen weiter Widerstand“ geboren. Das alles verdankte sich einem Zufall: Ursprünglich wollte das Duo eine Reinecke Fuchs-Funny Animal-Geschichte entwickeln, doch Kollege Raymond Poivet warnte, jemand in der Branche arbeite bereits an der gleichen Idee.
Bilderreihe oben: Änderten ihre Serien-Idee im August 1959 in letzter Minute: Goscinny & Uderzo (Bild links) / Reüssierte im Magazin Pilote: Die Erfolgsserie Asterix von Albert Uderzo/René Goscinny (Mitte) (c) Dargaud & Goscinny/Uderzo/ Entscheidender Fingerzeig: Kollege Raymond Poivet warnte das Duo - und war so "indirekt an der Geburtshilfe für Asterix beteiligt (re) / Bilder: (c) Dargaud
Dazu Uderzo: „Drei Monate vor dem ersten Erscheinen von Pilote waren die ersten Zeichnungen (von Reineke Fuchs; KA) fertig. Da hörten wir von unserem Freund Raymond Poivet, dass uns Jen Trubert zuvorgekommen war. Katastrophe! Wo wir doch gerade in Urlaub gehen wollten!“
Notgedrungen mussten Gosciny/Uderzo blitzschnell umdisponieren, reißen in letzter Minute das Ruder herum: Alles mit dem Ziel, rechtzeitig für die
Pilote-Erstausgabe mit ihrer gemeinsamen neuen Comic-Serie zu starten. Dies war die Geburtsstunde der Gallier-Saga um Asterix, Obelix, Miraculix, Idefix, Majestix, Gutemine, Troubadix,
Methusalix, Verleihnix und all die anderen Figuren. Aus dem anfänglich stattlichen Helden Asterix und Obelix wurde flugs ein schlauer, fintenreicher Gnom, Obelix markierte den hochgradig
feinnervigen und überempfindlichen, vollschlanken Sidekick. Im Grunde übertrugen die Autoren hier das Stan and Ollie/Dick und Doof-Prinzip auf den Comic, mit dem kleinen Unterschied, dass bei
ihnen das Prinzip von Beginn an „Dick und Schlau“ hieß…. und garnierten es mit einer ordentlichen Prise Ironie und Satire à la Goscinny.
War Asterix zu Beginn keineswegs der Mega-Bestseller, den wir heute kennen, schoss die Serie spätestens mit „Asterix bei Kleopatra“ hierzulande mit
Erreichen der ersten Millionen-Auflage durch die Decke. Unvergessen sind Uderzos „Asterix“-Highlights, die er nach und nach mit seinem kongenialen Partner Goscinny die Tat umsetzte: Man denke nur
an die Sternstunden der Serie wie Asterix bei Kleopatra, Asterix als Legionär und Asterix bei den Normannen, Asterix Tour de France oder Asterix und der Kupferkessel, dem Kampf der Häuptlinge,
Streit um Asterix, Asterix bei den Schweizern, Asterix und der Avernerschild, Asterix bei den Briten, Obelix GmbH & Co KG, Die Trabantenstadt… oder Asterix: Der Seher… So gelang es dem Tandem
Goscinny/Uderzo, binnen weniger Jahre ein ganzes, antikes, in Wahrheit aber unsere Gegenwart durch den Kakao ziehendes, mannigfaltiges Mikro-Universum aus gehobenem Klamauk, Ironie, Satire und
Slapstick zu schaffen, wie es in der europäischen Comic-Geschichte seinesgleichen sucht…
In gewisser Weise geriet „Asterix“ zum „Anti-Tintin“: War nicht in „Klarer Linie“ gezeichnet, sondern barock-dynamisch, zwischen Ecole Marcinelle und Calvo-Design, eben nicht akkurat, sondern eher anarcho-slapstick-orientiert und vor allem, ganz im Gegensatz zu Hergés meisten Werken, politisch alles andere als korrekt…
Dieser Hang zum Widerständigen, zum unterschwelligen „Empört und wehrt Euch!“ passte wie die Faust aufs Auge zum Aufbruchs- und Reformjahrzehnt der 1960er Jahre – zwischen John F. Kennedy, Beatles und Nouvelle Vague, Studentenprotest-, Woodstock- und Anti-Vietnamkriegs-Protest…
Asterix und die Deutschen: Das Asterix-Album "Asterix und die Goten" / (c) Dargaud, Goscinny/Uderzo & Egmont-Ehapa
Die deutsche Mentalität zogen Goscinny/Uderzo immer wieder in Asterix durch den Kakao, allen voran in dem frühen Asterix-Album
„Asterix bei den Goten“, das in Frankreich 1963 in Pilote erschien. Darin entführen die Goten (= Deutschen) den Druiden Miraculix aus dem Karnutenwald, wo dieser sich mit anderen Druiden zum
traditionellen Druiden-Jahrestreffen hinbegeben hat, nach Germanien, um an den begehrten Zaubertrank zu gelangen. Allein die Figur des blutrünstigen, autoritären Goten-Führers Cholerik (mit dem
Antlitz Hindenburgs), das Pickelhauben tragende Fußvolk und die militaristisch-obrigkeitshörigen Szenen an der Grenzen zwischen Gallien und Germanien sind – auch heute noch – schreiend komisch zu
lesen – und treffsicher. Allein der Running Gag, wie der gefangene Druide Miraculix seinen gotischen Bewacher immer wieder durchs wiederholte Aufbrechen der gerade vorher mit gotischer
Gründlichkeit reparierten Zellentür in den Wahnsinn treibt und den letzten Nerv tötet, gehört zu den Köstlichkeiten des Albums. Dass sich die Goten am Ende – dank der Mithilfe von Asterix und
Obelix, die den intrigant-servilen Holperik auf den Schild heben - untereinander zerlegen, macht klar, welches Deutschland Goscinny/Uderzo sich zu diesem Zeitpunkt
wünschten: Ein in möglichst kleine Einzelteile zerlegtes, föderales und sich gegenseitig in Schach haltendes – nie wieder eine zentralistische, streit- und kriegslüsterne Großmacht! Kein Wunder,
dass Asterix und Obelix mit Erfolg im Wege der „Asterixinischen Kriege“ versuchen, unter die ohnedies zerstrittenen West- und Ostgoten einen noch tieferen Keil zu treiben und die innergotische
Zwietracht säen: Elektrik, Mickerik, Lyrik, Satirik (Lyriks Schwager) und Bartrik wollen denn auch jeder für sich Goten-Führer und nicht mehr Brüder sein, hauen sich also gegenseitig den Schädel
ein….
Dass die Sprechblasen der Goten in der Ehapa-Version in alter germanischer Schrift daherkommen und ihre Flüche im französischen Original sogar
Hakenkreuze enthalten, sagt keineswegs nur etwas über das Deutschland-Bild der Franzosen, sondern auch über die Millionen Nazis beherbergende, ihre Verbrechen systematisch verdrängende und
verharmlosende frühe Bundesrepublik der Adenauer-Zeit aus.
In Asterix und der Legionär sind es – in der deutschen Penndorf-Fassung von Ehapa die beiden Goten-Originale Kriegmichnich und Verkrümeldich, die als (Fremden-)Legionäre anheuern…
In „Der große Graben“ von 1980 – Uderzos erstes Album in Eigenregie und ohne Goscinny – widmete sich anspielungsreich der deutschen Teilung und der Berliner Mauer: Der Autor übertrug das Sujet einfach aufs Gallische Dorf, in dem sich Griesgramix und Grobianix feindlich-unversöhnlich gegenüberstehen…. Leider, beklagte Uderzo später, hätten gerade in Westdeutschland, neun Jahre vorm Fall der Mauer und zehn Jahre vor der tatsächlichen Wiedervereinigung, die Wenigsten diese Anspielung verstanden….
Spätestens, als der erste französische Satellit "A 1" in den 1960er Jahren den Namen Asterix erhielt, war der gallische Gnom zum Nationalhelden
Frankreichs emporgestiegen. Ein weiterer Ritterschlag erfolgte in der Ausgabe 796 des französischen Polit-Nachrichtenmagazins L'Express, vom 19. September 1966. Frankreichs „Spiegel“ hievte
Asterix auf die Titelseite und schrieb dazu: "Das Phänomen Asterix. Der neue Liebling der Franzosen". Asterix geriet in den 1960er und 1970er Jahren dann sogar zum Meilenstein der
(west-)europäischen Comic-Kultur.
Dabei behielten Goscinny/Uderzo immer auch die Fähigkeit, sich selbst auf den Arm zu nehmen: So etwa in der herrlichen Kurzgeschichte von 1963 um den bretonischen Nach-Nachfahren von Obelix namens Obelisc’h, den die beiden Autoren zufällig in einem Hafenstädtchen in der Bretagne treffen. Der gebärdet sich wie sein gallischer Urahn: Verschlingt laut schmatzend und jauchzend seine Lieblingsspeise Wildschwein, trägt schwere Hinkelsteine durch die Gegend. Sie bitten diesen Obelisc’h, mit nach Paris („Lutetia“) zu kommen, in die Pilote-Redaktion, damit die Kollegen dort nicht weiter denken, „dass wir uns das alles noch ausgedacht haben“. Vor der Abfahrt in Goscinnys neuem Wagen fragt Obelisc’h, ob er sein Gepäckstück irgendwo verstauen kann. Darauf Goscinny: „Ja, auf dem Dach, aber Vorsicht, sonst gibt es Schrammen.“ Worauf der Urahn seinen Hinkelstein aufs Dach wuchtet, mit der Folge, dass das Autodeck eine Riesendelle davonträgt - und der Schlitten danach aussieht, wie nach einer Karambolage von oben… Kaum in Paris bei der Pilote-Equipe angekommen, zerdeppert Obelisc’h mit seinem Menhir erst das Werbeschaufenster der Redaktion, sodann verpaßt er, zu allem Übel, dem Verleger (Georges Dargaud?) einen K.O.-Stoß per Hinkelstein…
Schon 1962 veräppelten Goscinny/Uderzo sich in „Pilote“, als sie sich selber, vergebens und verzweifelt nach neuen Asterix-Ideen in einem Straßencafé suchend, zeigen, bis plötzlich Goscinny der Geistesblitz kommt: Worauf beide sich in immer heftigeren Lautmalereien und hysterischen Lachsalven gegenseitig hochschaukeln – so heftig, dass sich der Wirt am Ende genötigt sieht, die Sanitäter zu alarmieren, um die hemmungslos verrückten Autoren flugs in die Nervenheilanstalt zu verfrachten….
Und mit den Piraten in Asterix, die ein ums andere Mal versenkt werden, veralberten Goscinny/Uderzo die realistische Abenteuerserie „Barbe Rouge“ (Der Rote Korsar) von Victor Hubinon/Jean-Michel Charlier, die gleichfalls in „Pilote“ erschien.
Landete auch und gerade in deutschen Landen mit Asterix einen Mega-Erfolg: Das Tandem Albert Uderzo & René Goscinny / (c) Editions Albert-René & Egmont Ehapa Verlag / Albert Uderzo
Dass die kongeniale deutsche Übersetzerin und Romanistin Gudrun Penndorf (Jahrgang 1938) von 1967/68 an wesentlichen Anteil daran hatte, Asterix auch und gerade in Germanien bei den „Goten“ zu einem Publikumsrenner zu entwickeln, steht ganz außer Frage. Penndorf war das für Asterix, was Erika Fuchs für die deutsche Micky Maus war. Penndorf glückte 29 Asterix-Bände lang – zumeist unterstützt durch den Ehapa-Verlagschef Adolf Kabatek - eine treffsichere, pointen- und anspielungsreiche, typisch Penndorfsche Eindeutschung – „Die spinnen, die Römer!“ (bei Kauka noch: „Uii, die Römer sind doof“) oder die Präambel „Ganz Gallien ist von Römern besetzt. Ganz Gallien. Nein,….“ gerieten so zu geflügelten Worten und Evergreens der deutschen Nation… Gudrun Penndorf verstand es mit viel Stilgefühl und Sprachwitz gekonnt, für die zahlreichen unübersetzbaren Pointen des französischen Originals adäquate, nicht minder ironisch-intelligente und humorvolle Lösungen zu finden. Etwa im Briten-Band mit Teefax, Macteefürzweifix, Seelax oder Strammermax. Oder Grautvornix in Asterix und die Normannen.
Die Asterix-Version von Ehapa korrespondierte jedenfalls wunderbar mit der reformorientierten Zeit der sozial-liberalen Koalition, der Ära Willy Brandts und Helmut Schmidts…. Goscinny hatte Penndorf, wie diese selbst später immer wieder erzählte, eigens in Paris getroffen – und auf Herz und Nieren geprüft, ehe er seine Einwilligung gab…
Penndorfs passende und einfallsreiche, gleichwohl werkgetreue und nicht sinnentstellende deutsche Textversion machte jene üble, schwarzbraune Suppe vergessen, die 1965/66 Rolf Kauka in „Lupo Modern“ unterm dem kruden Titel „Siggi und Babarras“ (Anspielung auf „Siegfried“ und „Barras“ = Militär) – sehr zum Entsetzen der beiden Asterix-Autoren – zusammengebraut hatte. Goscinny prozessierte, nachdem das westdeutsche Satiremagazin „PARDON“ die rechtsextreme Textbearbeitung Kaukas öffentlich einer scharfen Kritik unterzogen hatte, gegen den selbsternannten deutschen Walt Disney und Fix und Foxi-Zar, gewann – und entzog Kauka die Lizenz.
Unter linken 68er Studierenden war es denn auch – ob dies dem überzeugten, weltoffenen konservativen Gaullisten René Goscinny gefiel oder nicht – in
den frühen 1970er Jahren absolut „en vogue“ und der „dernier cri“, Asterix zu lesen… Und gerade das feine bürgerliche Milieu entzückte sich an den zahlreichen antiken, bildungsbürgerlichen und
geschichtsträchtigen Anspielungen der Serie – und am Füllhorn der nicht enden wollenden Latein-Zitate…
Bilder oben: Sorgte für eine Asterix-Latein-Fassung von deutschem Boden aus: Der Philologe Karl-Heinz Graf von Rothenburg alias "Rubricastellanus" - von 1973 an....(c) Editions Albert-René & Egmont Ehapa Verlag / Albert Uderzo & Egmont-Ehapa Verlag, Berlin
ASTERIX und ein Herr namens Rubricastellanus schufen denn auch prompt – von deutschem Boden aus – die erfolgreichen Latein-Versionen der Serie
Asterix... Karl-Heinz Graf von Rothenburg (lateinisch Carolus Henricus Rubricastellanus; 1934 in Wiesbaden – 2019 in Aachen), deutscher Klassischer Philologe aus dem schlesischen Geschlecht von
Rothenburg, machte seit 1973 mit seinen lateinischen Asterix-Ausgaben von sich reden... Viele Abenteuer der gallischen Helden sind von Karl-Heinz von Rothenburg ("Rubricastellanus") übersetzt
worden und auf Latein erschienen - alle mit viel Sorgfalt und Liebe fürs philologische Detail. 1973 erschien endlich der erste Asterix Latinus mit dem Titel Asterix Gallus (Asterix der Gallier),
der schon nach wenigen Wochen vergriffen war. 1986 musste dieser Band bereits zum siebenten Mal aufgelegt werden. Die Verlagsleitung war von diesem unerwarteten Erfolg so begeistert, dass
Rothenburg den Auftrag erhielt, alle Bände ins Lateinische zu übersetzen. Inzwischen gibt es 23 lateinische Asterix-Bände.
Nicht minder erfolgreich gerieten die - ebenfalls vom deutschen Asterix-Verleger Ehapa (heute Egmont-Ehapa) 1995 gestarteten und dem damaligen
Chefredakteur Michael F. Walz initiierten - Asterix-Mundart-Bände - freilich "nur" sämtliche deutschsprachigen Dialekte (vom Schwäbischen bis Plattdeutsch). Auch diese entpuppten sich seit dem
Start mit der Schwäbisch-Version des "Großen Grabens" als Erfolgsstory.
Régis Loisel-Hommage an Asterix & Obelix von 2011 / (c) Régis Loisel und für die Uderzo-Zeichnungen:(c) Editions Albert-René & Egmont Ehapa Verlag / Albert Uderzo
Es gehört zu den Paradoxien der europäischen Comic-Geschichte, dass Goscinny/Uderzo zwar gerade die „Goten“ und „Germanen“ nach Strich und Faden veräppelten, nach allen Regeln aufs Korn nahmen und den Deutschen mit Abenteuern wie „Asterix bei den Goten“ den Spiegel vorhielten, dass Asterix aber sukzessive in Westdeutschland zu einem noch größeren Publikums- und Verkaufserfolg geriet, als in seiner Heimat Frankreich/Belgien… Seit Jahren gehen – jedes Mal, wenn ein neuer Asterix auf den Markt kommt – mehr Alben in deutschen Landen über den Ladentisch als im französischen Sprachraum.
Es war Ende Dezember 1976, kurz vor Goscinnys jähem Tod, als die westdeutsche Illustrierte „STERN“ (in der Ausgabe 2/1977) eine exklusive
Kurzgeschichte ebendort veröffentlichte, rund ums Thema „Wer hat Angst vor den Deutschen?“: Darin treffen Asterix und Obelix an der deutsch-französischen Grenzen auf einen
Bundesgrenzschutz der besonderen Art – den damaligen Kanzler Helmut Schmidt und Franz Josef Strauß… und sie zogen die deutsche Mentalität durch den Kakao…In den beiden STERN-Asterix-Seiten
verulken Goscinny/Uderzo nach allen Regeln der Kunst den deutschen Hang zum Cholerisch-Autoritären, Besserwisserischen und Pedantischen… Hinkelsteine made in Germania sind „gerade, rechteckig und
aus einem Guß“, werden wie VW’s massenhaft in Generalstabs-Manier hergestellt und schnurgerade gestapelt, "Pfuscher" von Akkuratix werden hart bestraft, und Obelix‘ naturnah-barocke
Hinkelstein-Form von oben herab verlacht… an der gallisch-germanischen Grenzen herrscht der Grenzer „Prüfefix“ Asterix und Obelix mit einem im Kasernenhofton, mit Blick auf Obelix Hinkelstein
vorgetragenen „Aufmachen!“ an…
Uderzo-Cover für die Wiener Comicfachzeitschrift "Comic Forum" von 1980: Die Ausgabe Nr.7/8 präsentierte ein Exklusiv-Interview mit dem Meister /(c) Comic Forum / Editions Albert-René & Egmont Ehapa Verlag / Albert Uderzo
Es gehört zu den eher traurigen Kapiteln in Uderzos Schaffen: Obwohl Parodien berühmter Comic-Künstler und –Serien in der Comic-Hochburg Frankreich/Belgien gang und gäbe sind und geradezu als höhere Zierde gelten, verstand der Meister in deutschen Landen keinen „Pastiches“-Humor und lebte seine Launen aus… Stattdessen ließ er mit aller Härte des Gesetzes und durch Münchner Star-Kanzleien arglose Asterix-Persiflagen strafverfolgen. Eins der bekanntesten Beispiele: Jens Jeddelohs „Falsches Spiel mit Alcolix“ von 1990, gegen den Uderzo juristisch die Keule der Strafjustiz auspackte – die Causa wanderte vom Münchner Landgericht, zum dortigen Oberlandesgericht und dann sogar hinauf zum Bundesgerichtshof (und wieder zurück). Am Ende blieb nur Verwirrung: Je nach Instanz wurden unterschiedliche Passagen inkriminiert. Allerdings blieben das Alcolix-Parodie-Album (Saga-Verlag) und sein Verleger Hans Gamber auf der Strecke. Grotesk erscheint, dass die französische „Alcolix“-Ausgabe in Frankreich unbeanstandet blieb und Uderzo vor dortigen Gerichten mit seinen Einstweiligen Verfügungen scheiterte. Warum mag in Frankreich eine Parodie statthaft sein, in Deutschland aber unter Plagiatsverdacht stehen? Warum droht einem in Deutschland eine ruinöse Prozesslawine, während Persiflagen in Frankreich/Belgien geradezu als Ritterschlag des Original-Künstlers gelten? Weil deutsche Juristen ein gestörtes Verhältnis zu Satire haben, französische aber nicht?
Bilderreihe oben (vlnr): Im Panel links oben ehrt Uderzo in Asterix: "Kampf der Häuptlinge" Franquins Urwald-Phantasiewesen, das Marsupilami, und im Panel rechts aus "Mick Tangy" die Konkurrenz von Victor Hubinon/Jean-Michel Charlier, "Buck Danny" (dt. Rex Danny). Bildreihe unten: Hubinons Hommage erwidert retour in "Rex Danny" an Mick Tangy... / (c) Albert Uderzo & Dargaud / Victor Hubinon & Dupuis
Dass es im westdeutschen Underground vor Asterix-Raubdrucken nur so wimmelte, etwa „Asterix und das Atomkraftwerk“ in der Anti-AKW- und Öko-Szene, steht auf einem anderen Blatt. Fest steht: Uderzo mochte deutschen Parodisten und Satirikern partout nicht zugestehen, was er frankobelgischen Comic-Zeichnerkollegen nur allzu gern zubilligte. Oder hat man je gehört, dass Hergé oder seine Nachlassverwalter wegen „Tim und die Picaros“, dem letzten fertigen Tim und Struppi-Album, vor den Kadi gezerrt wurden, nur, weil dort in einer Karnevalsszene ein Asterix-Schwellkopf zu sehen ist? Und umgekehrt: „Schulze und Schultze (Dupont und Duponts) in Asterix bei den Belgiern? In Deutschland kannte Uderzo diesbezüglich kein Pardon, sah das kreative Kunstwerk Asterix gnadenlos als eingetragene (Waren-)„Marke“.
Bilder oben (v.l.n.r.): Parodien prominenter Zeichnerkollegen auf Barbe Rouge/die Asterix-Piraten: Tabary in "Isnogud", Moebius alias Jean Giraud in "Bandard Fou" und die Hommage von Marc Bourgne (Bild unten), der den Roter Korsar nach Victor Hubinon eine Weile übernahm.
Mitte der 1980er Jahre ging der Advokat Günter Freiherr von Gravenreuth in Uderzos Auftrag rabiat gegen Asterix-Plagiate und –Raubdrucke vor: Das traf Untergrund-Comix wie die Anti-AKW-Satire Asterix und das Atomkraftwerk, die Friedensbewegungs-Version „Asterix in Bombenstimmung“ (gegen die Pershing II-Nachrüstung) oder gegen die Startbahn West des Frankfurter Flughafens („Asterix im Hüttendorf“. Auch die Veranstalter des Kölner Comic-Tauschtags ereilte der juristische Bannstrahl Uderzos, weil ein Teilnehmer dieser Veranstaltung alternative Asterix-Versionen feilbot.
Endgültig paradox wurde es mit dem Erscheinen des Persiflage-Albums „Die hysterischen Abenteuer von Isterix“ 1989 zum 30. Geburtstag von Asterix beim Saga Verlag von Hans Gamber in Deutschland. Das Album lehnte sich größtenteils an die in Frankreich erschienene, dort unbeanstandet gebliebene Ausgabe an, war mit einigen deutschen Asterix-Parodien angereichert. Unter den deutschen Beiträgen waren Manfred Deix, Horst Haitzinger und Walter Moers, aber auch Barbara Hömberg, Detlef Surrey, Burkhard Fritsche, Berti Henning, Ralf König, Hans Kiefersauer, Gerhard Seyfried, Rainer Schwarz, Peter Fuchs, Rudi Hurzlmair und Uli Stein. Aber auch Isterix traf – anders als in Frankreich – der Knüppel der Strafjustiz. Die Isterix-Parodie kam vor den Kadi. Ralf König etwa wartete in der deutschen Version mit der Kurzgeschichte um „Sahnesteifus“ auf. Bei ihm verleiht der Zaubertrank nicht nur Superkräfte, sondern auch Super-Potenz. Zudem verlustieren sich drei schwule Gallier im Römerlager "Baarcadirum"…Weshalb die deutsche Isterix-Ausgabe Urheberrechte verletzt, die französische aber nicht, dieses Geheimnis nahm Uderzo mit ins Grab.
Von Beginn an gab es für die Römer Keile: Schon im ersten Asterix von 1959 (Album 1961), Asterix der Gallier, ging es schlagfertig zu... (c) Editions Albert-René & Egmont Ehapa Verlag / Albert Uderzo
Einer, der Uderzos Zeichenstil perfekt nachzuahmen verstand und der auch gut sein Nachfolger hätte werden können, ist die niederländische Comic- und
Disney-Legende Daan Jippes (Jahrgang 1945). Ende der 1960er Jahre zeichnete er – mit dem Segen der Autoren - gelungene Asterix und Obelix-Cover fürs niederländische Comic-Magazin „PEP“. Und 1981
fertigte Daan Jippes Probeseiten für Asterix an…
Der Meister Uderzo selbst hatten so manchen Spleen – ein besonders markanter war seine Vorliebe für schnelle Flitzer, seine Leidenschaft für Ferrari-Rennautos, die er mit Michel Vaillant-Zeichnerkollege und Rennfahr-Freund Jean Graton teilte.
Selbst der eigene Bruder, Marcel Uderzo, bekam des Meisters Launen zu spüren: Von 1966 bis 1979 assistierte jener dem Maestro bei Asterix, bis es zum Zerwürfnis kam. Marcel Uderzo zeichnete u.a. die Seite 35 in Asterix der Gallier (weil die Pilote-Originalseite für die Albumversion verschüttgegangen war), das Abschlussbild Festbankett nach Brueghel „Asterix bei den Belgiern“ und 1977 die gelungene 28seitige Schwarzweiß-Geschichte „12 Prüfungen für Asterix“ für französische Zeitungen – im Fahrwasser des Asterix-Zeichentrickfilms Asterix erobert Rom. Letztere Story darf nach dem Willen Uderzos nicht mehr veröffentlicht werden.
Der Streit mit dem Asterix-Stammverlag Dargaud um Georges Dargaud eskalierte im März 1977, wenige Monate vor Goscinys Tod (der Konflikt mag auch zu Goscinnys frühem Tod beigetragen haben): Zwar gelang es Dargaud, Uderzo gerichtlich dazu zu zwingen, das letzte Album der beiden Autoren, „Asterix bei den Belgiern“ in dem Traditionsverlag zu publizieren, doch danach hob Uderzo gemeinsam mit den Goscinny-Erben den Eigenverlag Editions Albert-René 1979 aus der Taufe. Zwischen 1977 und 1979 entspann sich eine regelrechte Schlammschlacht, angeführt auf der Gegenseite von Greg und anderen prominenten Comic-Künstlern, die Uderzo verübelten, Dargaud den Rücken gekehrt zu haben. Claire Bretécher , Tibet und Numa Sadoul schlugen sich hingegen für Uderzo in die Bresche. Das Ende vom Lied: Alle Folge-Asterix-Alben erschienen bis 2008 im Eigenverlag Editions Albert-René. 2008 verkaufte Uderzo – sehr zum Unwillen seiner Tochter Sylvie – seinen Anteil an das Verlagshaus Hachette.
1967 flimmerte der erste Asterix-Zeichentrickfilm über die Leinwand, Asterix der Gallier, produziert in den Studios der Belvision (wo auch die Lucky Luke-Zeichentrickfilme entstanden). Goscinny träumte davon, eine Art europäisches Disney-Pendant zu schaffen: 1974 gründete er mit Uderzo, gemeinsam mit ihrem damaligen Verleger Georges Dargaud, das Studio Idefix. Dieser Filmproduktions-Firma war, wegen des jähen Tods Goscinnys keine lange Lebensdauer beschieden. Bereits 1978 schloss das Studio wieder seine Tore. Immerhin entstand u.a. ein abendfüllender Asterix-Zeichentrickfilm, Les Douze Travaux d'Astérix (1976; wörtlich: („Die zwölf Aufgaben/Prüfungen des Asterix“), der dritte seiner Art nach den beiden ersten (Asterix der Gallier, Asterix und Kleopatra). Der deutsche Titel: Asterix erobert Rom. Dieser abendfüllende Asterix-Zeichentrickfilm war der erste und einzige aus dem eigens von Goscinny/Uderzo mit Partnern gegründeten Studio Idéfix. Die Handlung beruht im Gegensatz zu den anderen Asterix-Filmen nicht auf den Comicalben. Sie ist angelehnt an die Sage des Herakles und die zwölf Aufgaben, die dieser absolvieren muss, um sich von der Herrschaft des Eurystheus zu befreien und im Olymp Aufnahme zu finden… Der Streifen ist bis heute der wohl mit Abstand beste Asterix-Zeichentrickfilm geblieben. Es entstanden eine ganze Reihe weiterer Asterix-Zeichentrickfilme, aber auch Real-Verfilmungen mit Christian Clavier als Asterix und Gérard Dépardieu in der Rolle des wohlbeleibten Obelix. Der CDU-Politiker Jürgen Wohlrabe tat sich in den 1980er und 1990er als Filmkaufmann und –produzent hervor, nicht zuletzt der Asterix-Filme. 1994 war Wohlrabe Produzent des Zeichentrickfilms „Asterix in Amerika“.
1989 wurde der Traum einer europäischen Antwort auf Disneyland wahr: Der Asterix-Park eröffnete im Norden von Paris. Pierre Tchernia, Marcel Gotlib
(Goscinny-Freund und lange bei Pilote), Roger Carel (französische Filmstimme von Astérix), der Schauspieler Gérard Hernandez, Fred (Autor der Serie Philémon) und dem Asterix-Zeichner Albert
Uderzo heckten gemeinsam die Idee zu diesem Garten Eden rund um die Gallier aus. Im Jahr 1987 begannen die Arbeiten am Parc Astérix im französischen Plailly bei Paris. Heute zieht der Park – in
Nicht-Corona-Zeiten, wohlgemerkt – jährlich circa 1,8 Millionen Besucherinnen und Besucher aus aller Welt an.
Die Auflage der Serie Asterix liegt bei sagenhaften circa 350 Millionen Exemplaren Weltauflage – knapp an der Spitze: das Stammland Frankreich/Belgien mit 130 Millionen Exemplaren, dicht gefolgt vom deutschen Sprachraum, mit 120 Millionen EXemplaren. Von Asterix und Latraviata wurden in ganz Europa acht Millionen Exemplare verkauft, das letzte Album Asterix und die Tochter des Vercingetorix lag bei fünf Millionen Gesamtauflage, davon zwei Millionen in Frankreich/Belgien und 1,6 Millionen in deutschen Landen. In Frankreich durchbrach die Serie Asterix mit dem Normannen-Abenteuer 1966 erstmals die Schallmauer von eine Million Verkaufsauflage.
Am 16. Dezember 1968 publiziert Ehapa in Deutschland "das erste große Asterix-Buch" in einer Auflage von 50 000 Exemplaren – zuvor gab es Vorveröffentlichungen in der Ehapa-Postille „MV Comix“. Asterix und Kleopatra gehört mit mehr als 2,4 Millionen verkauften deutschsprachigen Exemplaren zu den erfolgreichsten Asterix-Bänden.
(c) Editions Albert-René & Egmont Ehapa Verlag / Albert Uderzo
1961 hatte das das erste Asterix-Album "Asterix, der Gallier" nur eine Erstauflage: von 6.000 Exemplaren, spätestens von Asterix als Legionär 1971 an machte die Auflage regelrechte Quantensprünge – und erreichte erstmals eine Millionen Auflage. Bis Ende Oktober 2019 sind mittlerweile 38 Alben bislang veröffentlicht erschienen (Stand: 24. Oktober 2019), 111 Übersetzungen liegen vor (Sprachen und Dialekte), die weltweite Gesamtauflage beträgt 380 Millionen Alben wurden seit 1959 weltweit. Vierzehn Filme sind inzwischen entstanden, die auf den Asterix-Alben basieren, davon zehn Zeichentrickfilme. Mindestens vierhundert Figuren wurden seit dem ersten Album karikiert und porträtiert.
Hommage von Bill Sienkiewicz an Albert Uderzo / (c) Bill Sienkiewicz / (c) Editions Albert-René & Egmont Ehapa Verlag / Albert Uderzo / Goscinny/Uderzo
1999 erhielt Uderzo den Grand Prix des europäischen Comic-Festivals Nummer Eins, Angoulême, für sein Lebenswerk, 2004 auch den Max-und-Moritz-Preis des bundesdeutschen Erlanger Salons für sein Oeuvre, den er aus diesem Anlass beehrte.
Fazit? Der angesehene französische Comic-Kritiker Numa Sadoul, Autor einer 2019 erschienen und jetzt vergriffenen Comic-Biografie Uderzos resümiert, Uderzo sei den anderen drei Giganten der frankobelgischen Comic-Kultur, Franquin, Hergé und Moebius, „ebenbürtig“ gewesen.
(c) Editions Albert-René & Egmont Ehapa Verlag / Albert Uderzo
Die Zukunft der Serie Asterix steht noch in den Sternen: Eigentlich hatte der Meister verfügt, nach seinem Tod sollten auch seine Comic-Helden endgültig das Zeitliche segnen – und, wie Uderzo in mehreren Interviews in der französischen Presse kundtat, eben nicht durch den Verlag Hachette und das Autorenduo Ferri / Conrad fortgesetzt werden.
Empfehlenswerte Goscinny-Comic-Biografie "Le Roman des Goscinny": Catels Bildergeschichte (Bildmitte obere Reihe) schildert auch die Geburt der Gallier - Goscinny-Tochter Anne Goscinny (Bild oben rechts) war enge Beraterin bei der Recherche / (c) Catel & Verlag Grasset / dt. Ausgabe: Die Geschichte der Goscinnys / (c) Carlsen Verlag, Hamburg.
Laut Anne Goscinny, Tochter des großen René, in der Tageszeitung „Le Figaro“ werde Asterix – allen Unkenrufen zum Trotz – nicht mit Uderzo und ihrem
Vater sterben. „Asterix hatte bis jetzt schon zwei Leben: Eins zu Lebzeiten meines Vaters (d.i. René Goscinny) und eins danach. Warum also nicht auch noch ein drittes?“
Bild unten: Sieht für Asterix eine Zukunft auch nach der Ära Uderzo ganz zuversichtlich: Die René Goscinny-Tochter Anne Goscinny / Foto: (c) Anne Goscinny
Dazu passt auch, dass der in der Frage „Sein oder Nichtsein“ häufig mäandernde Albert Uderzo die Öffentlichkeit vor seinem Tod sein Vermächtnis wissen ließ: „Ich wünsche mir, dass Asterix noch Generationen überdauert.“ Albert Uderzo alias Bebert sitzt jetzt sicher – neben René Goscinny – auf einer Wolke und guckt aufmerksam herunter, ab und zu kopfschüttelnd, und beobachtet in der ihm eigenen Art genau, was seine Nachfolger Didier Conrad/Jean-Yves Ferri, von nun an ganz auf sich alleine gestellt, so mit seinem Asterix treiben… Mag also sein, dass am Ende das Piratenschiff nun doch künftig von Asterix und Obelix weiter im Meer versenkt wird... Was wäre so schlimm daran, beim Teutates? KLAUS ALBECK
COMICOSKOP-LESETIPP: Alle 34, von Albert Uderzo gezeichneten Asterix-Bände sind auf Deutsch im Verlag
Egmont-Ehapa (ehedem als "Ehapa Verlag" in Stuttgart ansässig, heute Berlin) erschienen und dort noch erhältlich. "Ehapa" entspricht den Initialen des dänischen Verlagsgründers und
Druckers Egmont H. Petersen, aus dem zunächst der Verlag Gutenberghus in Kopenhagen hervorging. Die Bände 1 (Asterix
Nob-Hommage an Uderzo / (c) Nob
der Gallier) bis 24 (Asterix bei den Belgiern) sind alle noch von Texter-Genie René Goscinny verfasst; vom 25. Band an ("Der große Graben") bis Bd. 34 (Asterix und Obelix feiern Geburtstag) legte Uderzo beim Szenario selbst Hand an.
Die Bände 35-38 (vier Asterix-Alben) - Papyrus, Pikten, Italien und Tochter des Vercingetorix - stammen aus der Feder des neuen Nachfolge-Duos Didier Conrad (Zeichnungen) & Jean-Yves Ferri (Text). Beide sind übrigens Jahrgang 1959 - also im dem Jahr, in dem auch Asterix geboren wurde. Wenn das kein gutes Omen ist?! Auch die Mundart-Asterixe in verschiedenen deutschen Dialekten sind hier aufgelistet. Alle Rechte bei: (c) Editions Albert-René Uderzo/Goscinny & zuletzt (in der Conrad/Ferri-Phase) Ed. Hachette, Paris. Bestellungen und Infos über die deutschsprachige Asterix-Gesamtausgabe finden Sie