Der neue Asterix des 21. Jahrhunderts: Wieder mit mehr Kräutern der Provence, Koriander, Oregano, Basilikum und Majoran -  und weniger Petersilie...

Der neue, 36. Asterix-Band seit 1959: Die Fantastischen Drei der COMICOSKOP-Redaktion besprechen das neue Asterix-Album "Der Papyrus des Caesar". Tenor: Es ist der beste Asterix seit 35 Jahren - politisch, witzig und voller Anspielungen, (fast!) so gut wie einst in der Goldenen Asterix-Ära eines René Goscinny / Und: Die Zutaten für den Asterixschen Zaubertrank schmecken wieder deutlich besser...

©2015 Les Éditions Albert René

Antike Asterix-Komödie der besonderen Art:

Ein Ein-Stern-Menü des neuen Duos

Zwischen  Big Data, NSA, Wikileaks und Julian Assange

Von COMICOSKOP-Chefredakteur Martin Frenzel

Um es gleich  vorwegzunehmen: Der beste Asterix aller Zeiten ist es nicht geworden. An Meisterwerke der Reihe um den gallischen Gnom Asterix wie „Legionär“, Cleopatra, Avernerschild, bei den Briten, den Schweizern, Tour de France, Korsika, Normannen, Der Seher, Trabantenstadt, Obelix & Co KG, Asterix bei den Goten oder Streit um Asterix reicht auch dieser neue beim besten Willen nicht heran… Auch vermag das neue Asterix-Duo Jean-Yves

 

©2015 Les Éditions Albert René

 

Ferri und Didier Conrad den genialen Esprit des Texters René Goscinny, seine Chuzpe, seinen Wortwitz  und seine Ironie nur anflugweise zu erreichen. Goscinnys Gallier-Geschichten – das war, in seinen Blütezeiten, Champions League. Und die sind bis dato unerreicht.

Wohl aber hat das neue Duo mit „Der Papyrus der Asterix“ den wohl mit Abstand besten Asterix seit 35 Jahren vorgelegt, seit 1980, dem Jahr, als Zeichner Uderzo nach

Goscinnys jähem Herztod (am 5. November 1977) das Steuer auch textlich übernahm  (was er wohl lieber nicht hätte tun sollen).

Ferri/Conrad gelingt, was Albert Uderzo zwischen 1980 und 2005 partout nicht schaffte: Sie zaubern einen neuen Asterix hervor, der wie lange nicht mehr wieder auf

gesellschaftskritische Persiflage, Parodie und kombinierten Bild-Wortwitz setzt, der mit Anspielungen und Querverweisen von der Antike in unser aller Gegenwart arbeitet…

So ziehen Ferri/Conrad in ihrer zweiten Geschichte kräftig das Big Data- und (Neue)  Medien-Zeitalter durch den Kakao: Vom großen Lauschangriff (hier antik-gerecht per gurrender Brieftauben- oder Rohrpost  über NSA- und Wikileaks-Enthüllungen, von Julian Assange bis zum Whistleblower Snowden, Facebook, Internet und Smartfon, SMS und E-Mail-Wahn der beschleunigten Turbo-Gesellschaft inklusive…

©2015 Les Éditions Albert René

Es ist die etwas andere Geschichte um Caesars Niederschrift „De Bello Gallico“ (Vom Gallischen Krieg)… sein intrigant-durchtriebener Berater Rufus Syndicus rät dem

Imperator, das Kapitel „Ein Gallisches Dorf leistet erfolgreich Widerstand“ zu unterschlagen, um den caesarischen Ruhm zu mehren. Doch, man ahnt es, es gibt ein antikes Wikileaks, eine undichte Stelle, einen Abgrund von Geheimnisverrat… Es ist der „Kolporteur“ Polemix, der nicht umsonst die Züge Julian Assanges trägt, der das für Caesar unangenehme Kapitel

ausgerechnet zu den Galliern bringt… Am Ende ist es die mündliche Überlieferung, das kollektive Gedächtnis der

Erinnerungskultur und direkte menschliche Kommunikation, so die Moral von der Geschicht‘, die immer noch besser ist als alle, noch so aufwendige High Tech… Man muß nicht alles glauben,

was man hört.“, wusste schon Cicero und ungefähr so sagt es auch der Druide Miraculix im neuen Asterix. Warum wir in der ganzen Geschichte kein einziges Mal auf Edward Snowden treffen, was nahe gelegen hätte, bleibt allerdings das Geheimnis

der beiden Autoren…

Die neuen ASTERIX-Macher mausern sich: Neuer Asterix-Texter Jean-Yves Ferri und der in den USA  lebende Franzose mit Schweizer Wurzeln, Zeichner Didier Conrad (v.ln.r.).  ©2015 Les Éditions Albert René

Natürlich gibt es Wiedersehen mit den Piraten (übrigens eine Parodie auf der „Rote Korsar“), Idefix ist wieder da; Fischhändler Verleihnix prügelt sich wieder mit Dorfschmied Automatix vermittels stinkendem Fisch… Gutemiene triezt ihren

Häuptling Majestix dominanter denn je, pfuscht ihm regelrecht ins Handwerk und stellt ihn bloß… und Asterix, Obelix und der weise Druide Miraculix treibt es in den geheimnisvollen, Einhörner bergenden Karnutenwald, um dort ihre Geschichte beim Meister-Druiden Archaeopterix zu verewigen…

Troubadix der Barde, der nicht singen darf, tut es trotzdem – mit einem abartig markerschütternen Musikinstrument nach dem andern, wobei vor allem das Grunzlaute von sich gebende „Röhrofon“ durch Mark und Bein geht...

©2015 Les Éditions Albert René

Wobei Ferri, Frankreichs Startexter, der schon mit seiner herrlichen de Gaulle-Parodie „De Gaullle à la Plage“ bewiesen hat, dass er zu den exzellentesten frankobelgischen, ja, europäischen Comic-Humoristen seiner Generation gehört. Er ist der Mann, der das Potential und Sinn für die richtigen Gewürze, die passende Dosis Pfeffer und nuancenreiche Zutaten hat, die einem Uderzo abgingen. Anders gesagt: Im Uderzo-Asterix fehlten Kräuter der Provence, Thymian, Koriander, … da war zuletzt nicht einmal mehr Petersilie drin.

(c) Jean-Yves Ferri & Dargaud Editeur Paris.

(c) Jean-Yves Ferri & Dargaud Editeur Paris.

De Gaulle am Strand (im frz. Original "De Gaulle à la plage"): Damit eroberte Frankreichs Star-Humorist Jean-Yves Ferri, der neue Asterix-Texter, die Herzen der Französinnen und Franzosen im Sturm / (c) Jean-Yves Ferri & Dargaud Editeur Paris.

©2015 Les Éditions Albert René

Die Figur des Polemix erinnert daran, dass es Denunziation und Verrat natürlich schon in der Antike gab: Solche Zeitgenossen wie jenen Polemix nannte man "Sykophanten" (Enthüller der Feige),Menschen also, die Geheimnisse preisgaben, ursprünglich Feigen von den heiligen Bäumen stahlen oder gar außer

Landes schmuggelten…

Wobei es nicht das erste Mal ist, dass uns in Asterix das Phänomen der Kollaborateure und Verräter (André Stoll) begegnet: Wir begegnen ihnen schon früh, etwa in dem

Asterix-Klassiker „Asterix und der Kupferkessel“. Immer wieder hat es sie gegeben, in der „Goldenen Sichel“, aber auch im „Kampf der Häuptlinge“ oder im „Seher“.

Nicht der Auftritt von Julian Assange als „Polemix“ (Streitsüchtix) ist daher die  Sensation im neuen Asterix, sondern das Erscheinen des verschlagen-intriganten Bonus Promoplus (so im französischen Original) resp. Rufus Syndicus (deutsche

Fassung) und damit die Wiederkehr der (innen-)politischen Satire in Asterix über die französischen Zustände – ist diese zweite Figur doch eine Parodie auf den ehemaligen Mitterand-Berater und heutigen französischen Sarrazin Jacques

Séguéla. Damit knüpft Ferri wieder an die gepfefferte Schärfe eines Goscinny an. Séguéla, berühmt-berüchtigter französischer Publizist und Gründer der Agentur Euro RSCG (jetzt Havas Advertising war jener Mann, der 1981 für Mitterands Präsidentschaftskampagne den siegreichen Leitspruch "La Force

tranquille" (Die ruhige Kraft) erfand. „Er kennt die Intrigen der

Mächtigen, er durchschaut sie und er weiß, welche Schritte sie als nächstes unternehmen. Diese Figur ist ein Berater, der zwar meist im Hintergrund bleibt, der sich jedoch auch gerne in der Öffentlichkeit präsentiert und sich bevorzugt in einflussreichen Kreisen aufhält. Wir wollten diese Doppelzüngigkeit in

seinem Gesichtsausdruck widerspiegeln“, so heißt der Tenor des Duos Ferri / Conrad in der "Huffington Post". Zu seinem Negativimage hat  Séguéla, eine Art französischer Sarrazin, auch alles Erdenkliche beigetragen: Überliefert sind von ihm demagogisch-rechtspopulistische Sätze wie "Wenn man mit 50 Jahren noch keine Rolex hat, hat man sein Leben verpfuscht."

Dieser Satz löste in Frankreich einen Sturm der Entrüstung aus. Erst im Juli 2015 legte Séguéla mit dem Dictum nach: "Selbst als Penner kann man noch 1.500 Euro im Monat beiseitelegen."

Unerreicht: Der geniale ASTERIX-Texter und Gagtüftler Réne Goscinny (1926-1977): Unter seine Ägide erlebte ASTERIX von 1959 bis 1977 ein Goldenes Zeitalter... ©2015 Les Éditions Albert René

Grafisch freilich – und das wird nun im zweiten Album noch deutlicher als bei der Schotten-Saga „Asterix und die Pikten“ – kann Conrad dem Starzeichner Albert Uderzo kaum das Wasser reichen. Conrad ist, keine Frage, ein guter Zeichner, aber die Extraklasse eines Uderzo in seinen besten Zeiten besitzt er nicht. Und dies nicht nur, weil er in der Tat ständig Obelix lediglich zwei statt die üblichen drei blauen Streifen verpasst. (Das ist, nebenbei gesagt, keine Petitesse, es passt einfach nicht zur Gargantua-Figur des Hinkelstein-Lieferanten Obelix).

Wollte man es zuspitzen, dann verhält sich ein Conrad – im Vergleich  zum barock-eleganten Zeichenstil des Altmeisters Uderzo wie einst Hal Foster im Verhältnis zu seinem hölzernen Nachfolger John Cullen Murphy bei „Prinz Eisenherz“. Wally Wood wäre, grafisch gesehen, die bessere Wahl gewesen…

Die Calvo’sche Eleganz, das Barocke und Leichte, dennoch Gekonnte der Uderzoschen Grafik scheint nun wie weggeblasen. Eine Eleganz, die Uderzo bei seinem Lehrer Edmond-Francois Calvo erlernte – und die Didier Conrad abgeht. Conrad ist in

gewisser Weise der John Cullen Murphy von Asterix.

  Premiere im legendären, von René Goscinny et al. herausgegebenen französischen Comic-Magazin PILOTE ©2015 Les Éditions Albert René und Dargaud

Dass nach wie vor ein Gros der textlichen und grafischen Anspielungen in Asterix beim Transfer vom Französischen ins Deutsche verloren geht, wird wohl immer so bleiben: Während französische Leserinnen und Leser immer wieder aufs Neue ihr Amüsement damit haben, dass das kleine Gallische Dorf

Widerstand gegen die römische Besatzung übt – und damit fortwährend erinnern an die Résistance-Bewegung, aber auch den gaullistischen Widerstand gegen den US-Kulturimperialismus (und alle andern nicht-französischen Einflüsse von außen, so erfreuen sich Millionen deutsche

Leserinnen und Leser offenkundig lediglich daran, dass unentwegt römische  Legionäre Dresche bekommen. Vermutlich werden die meisten deutschen Leserinnen  und Leser nicht die Kritik an einer streitbaren Figur der französischen Innenpolitik wahrnehmen – die kommentarlos in der deutschen Ausgabe als Rufus Syndicus erscheint…

Ferri, der neue Asterix-Texter, hat denn auch in einem der zahllosen Interviews der jüngsten Zeit, verlauten lassen, er verstünde gar nicht, weshalb Asterix gerade bei den Deutschen so beliebt sei – sei Asterix doch – siehe Asterix bei den Goten – so etwas von anti-deutsch. Ferri spekuliert: Vielleicht gerade

deswegen!

Das Asterix-Dreamteam der 1960er und 1970er Jahre: Zeichner Albert Uderzo (geb. 1927) und der geniale Sprachartist und Text-Humorist René Goscinny (1926-1977) / ©2015 Les Éditions Albert René

 Der Einzige, der das mit dem Antideutschen verstand, weswegen er die Asterix-Geschichten einfach nach Gusto umschreiben ließ, war Rolf Kauka – seine reaktionär-revanchistische, ja, streckenweise rechtsextremen Kalte Kriegs-Variante  „Siggi und Babbaras“ Mitte der 1960er Jahre stellte die wahren Goscinnyschen Intentionen einfach auf den Kopf.

Wie dem auch sei: Der Papyrus des Asterix ist dennoch ein Lesegenuss – trotz der etwas ungelenk-hölzernen Grafik Conrads – vor allem weil Ferris mit seinem Drehbuch und den Dialogen frischen Wind bringt. Labsal für all diejenigen, die sich die letzten Jahre durchs Mittelmaß der nichts mehr wagenden, nur noch unterhaltenden Uderzo-Geschichten quälten. 

Ränkeschmied und Unsympath vom Dienst im neuen Asterix: Rufus Syndicus alias Jacques Séguéla / (c) Editions Albert-René 2015 

Fazit: Ferri/Conrad sind mit diesem zweiten Album „Der Papyrus des Asterix“ dabei, sich endgültig freizuschwimmen. (Der dritte im Bunde ist im Übrigen Kolorist Thierry Mébarki, der Asterix seit 2001 zusammen mit seinem Bruder nach den Bleistiftzeichnungen Uderzos tuschte). In der Champions League sind sie damit noch nicht. Aber der Abstieg der Serie Asterix ins kommerzielle Mittelmaß  ist eindrucksvoll gestoppt. Dieser neue Asterix setzt furios wieder da an, wo Goscinny einst bei Erscheinen im Magazin „Pilote“ 1959 und in den 1960er und 1970er Jahren begann: Einen Comic mit Tiefgang zu schaffen, der sich gleichermaßen an Kinder, Jugendliche, aber eben von Anfang an auch und gerade an Erwachsene wendet. Unter Uderzos Ägide die letzten zweieinhalb Jahrzehnte verkam Asterix zu einem sich auf den Lorbeeren Goscinnys ausruhenden Massenverkaufs-Ereignis - inhaltlich blieb aber, anders als zu Goscinnys Spitzenzeiten, nahezu nichts haften. Asterix geriet rein erzählerisch betrachtet zuletzt zum Jugendcomic pur. Ecken und Kanten wie einst suchte man

in dieser Zeit des Uderzoschen Interregnums vergebens.

Ferri/Conrad haben nun die Wende zum Besseren geschafft: Weiter so, möchte man den neuen Machern zurufen, ihr seid auf dem richtigen Weg. Wenn das so weitergeht, wer weiß, vielleicht gelingt es dann ja doch noch, an die glorreiche Glanzzeit eines

René Goscinny anzuknüpfen – und eine eigene Ära zu  markieren.

Man wünscht sich, die beiden neuen Schöpfer fassten den Mut, künftig noch frecher, noch politischer und satirisch-ironischer, origineller und pointierter zu sein. Bei der Political  Incorrectness, einem Spezialgebiet Goscinnys par excellence, und seinem Charme könnte das Duo Ferri/Conrad in Zukunft noch eine Schippe drauflegen. Auch die Goscinnysche Kunst, antike Ereignisse, Gebräuche und Völker feinsinnig mit unserer Gegenwart zu verweben, was intensive Geschichtskenntnis und gründliche historische Recherchen in der Antike voraussetzt, dürfte fürderhin gern noch viel mehr zum  Zuge kommen! Der Witz bei Goscinny lag ja gerade darin, dass er zu zeigen verstand, wieviel die Römer an zivilisatorischen  Errungenschaften hervorbrachten, von denen wir heute noch zehren…

Der Zaubertrank, der textlich unter dem großen Zeichner Uderzo etwas fad und abgestanden schmeckte, schmeckt wieder deutlich besser – und wie! Den Dreisterne-Feinschmecker-Koch

Goscinny haben Ferri/Conrad zwar noch lange nicht erreicht, aber anderthalb haben sie sich mit diesem Album über die

Abgründe von Geheimnisverrat, Big Data und Überwachung schon mal redlich verdient. Ferri/Conrad sind gerade dabei, sich ihren eigenen Lorbeerkranz zu winden. Wie der Lateiner sagt: Per aspera ad astra et Asterix ! zu deutsch: „Durch Mühsal

gelangt man zu den Sternen und zu Asterix“. Ja, und vielleicht Obelix ja beim dritten Versuch endlich wieder drei blaue Streifen auf der Hose.                                     Martin Frenzel / KMF

COMICOSKOP-Herausgeber, -Gründer und -Chefredakteur: Martin Frenzel, seit 1981 als Comicforscher aktiv. Spezialgebiete: US-amerikanische Klassiker, frankobelgische Comic-Kultur, deutsche Comic-Geschichte nach 1945, skandinavische (insbesondere dänische) Comic-Kultur. Arbeitet an einer Doktorarbeit über Politik im Comic. Er liest Asterix von Kindesbeinen an - den ersten 1969/70... Seitdem Verehrer des Texter-Genies René Goscinny, aber auch der grafische Finesse Albert Uderzos. Spätestens seit "Asterix als Legionär" von Kopf bis Fuß Asterix-Fan...

Asterix und der Whistleblower

Band 36 erfreut mit der antiken Sicht auf moderne Medien

Von COMICOSKOP-Redakteur Tillmann  Courth

©2015 Les Éditions Albert René

Schnelles Geständnis vorab: Jahrzehntelang habe ich keinen ASTERIX gelesen! Nach Uderzos Soli in den frühen 80er Jahren war die Serie für mich gestorben. Aber der letzte Band („Asterix bei den Pikten“) stammt ja schon vom neuen Kreativteam und soll (wieder) gut sein.

Jetzt legen Ferri & Conrad mit dem „Papyrus“ nach – und sie haben mich vom Start weg auf ihrer Seite. Es ist nicht nur unheimlich, wie nah Zeichner Conrad an Uderzo liegt, sondern auch Texter Ferri fängt Goscinnys Ton wundervoll ein und tänzelt mit gekonnten Wortspielen zwischen Antike und Moderne.  

Damals ist Cäsars „De bello gallico“ natürlich „moderne Literatur“ und ein Bestseller in Rom. Das handlungstreibende Motiv ist  beschönigende Geschichtsklitterung, denn Cäsars Verleger Syndicus streicht das unrühmlichste Kapitel aus dem Manuskript, nämlich Cäsars Ärger mit dem gallischen Dorf.

Ein findiger Reporter namens Polemix kommt in den Besitz des Kapitels und will es der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Damit erschließt Autor Ferri das Metathema „Wikileaks“und treibt seine Scherze mit allen zugänglichen Assoziationen: Datenlecks,Überwachung, Twitter, Schutzasyl, Imperialmacht, Beugehaft, Speicherkapazität,Investigativjournalismus – heruntergebrochen auf die Verhältnisse des Jahres 50v. Chr. Running Gag des Bandes sind die allgegenwärtigen Brieftauben, die „zum Versand von Kurznachrichten“ dienen. Auf den Dreh hat die Geschichte der Kommunikation gewartet!

©2015 Les Éditions Albert René

An Handlung ist „Der Papyrus des Cäsar“ eher dünn (im

Hauptteil reist man zu einem Wald, durch diesen hindurch, verweilt dort kurz und kehrt rasch ins Dorf zurück), aber Ferri füllt das geschickt auf, mit Rückverweisen auf bekannte Themen des Asterix-Kosmos sowie einer Nebenhandlung

um die Horoskop-Gläubigkeit der Gallier.

Kongenial (ja, ich benutze dieses Wort), kongenial

bebildert und bereichert Didier Conrad diese 44 Seiten und lässt Uderzo keinen Augenblick vermissen. Er beherrscht exakt dessen Bildausschnitte und Kameraführung, zudem erfreut er mit grafischen Zitaten aus den klassischen Alben vor 1980. Sehnsüchtig entdecke ich die „fliegenden Fische“ des Verleihnix,

den Ausguck der Piraten, die diensteifrige Musizierfreude von Troubadix, die Wildschweinfixiertheit von Obelix, Legionäre in albernen Tarnungen – und ein dampfiges Orgienbild, durch das

rotnasige Römer mit Amphoren auf dem Kopf torkeln! Ja, das ist mein Asterix.  

©2015 Les Éditions Albert René

Auch wenn mich verblüfft, wie HARMLOS mir der neue

Asterix vorkommt. Da hab ich doch in den letzten 30 Jahren härteren Stoff konsumiert. Grins.

Andererseits ist die Figur seinerzeit von Goscinny & Uderzo als Jugendcomic konzipiert worden. Der Sprachwitz und die grafische Qualität haben sie dann zum Phänomen für Erwachsene erhoben, selbst im bildungsschnöseligen Deutschland. Darin liegt vielleicht der „Fluch des

Asterix“: Er ist ein untoter Grenzgänger, auf ewig wandelnd im Schattenreich der Anspruchshaftigkeit.

Hach, da hat mich meine Vorliebe für Horrorcomics doch

wieder übermannt… Wie dem auch sei. Ich kann nicht meckern über den „Papyrus des Cäsar“. Es ist eine vergnügliche, intelligente Lektüre – und ein nostalgischer Augenschmaus sowieso.                                                                           TIC

Tillmann Courth ist Mitglied der COMICOSKOP-Autorenredaktion, lebt in Köln, passionierter Comichistoriker, betreibt die Webseite FIFTIES HORROR (fifties-horror.de) und liest nach vielen Jahren Pause jetzt wieder gerne ASTERIX...

Albert Uderzo hat seine Nachfolger endlich losgelassen...

Die lange Leine des Altmeisters wirkt sich sehr positiv auf ASTERIX aus, findet COMICOSKOP-Redakteur Hanspeter Reiter / Asterix ist auch ein Medien- und PR-Phänomen

Von COMICOSKOP-Redakteur Hanspeter Reiter

©2015 Les Éditions Albert René

Eine gewaltige Medien-Resonanz mit teils (annähernd) ganzseitigen Besprechungen in überregionalen Tageszeitungen, natürlich großes Panel inklusive: Was bleibt da noch zu sagen?? Eine Tour d´horizon (statt de France…) etwa in SZ und FAZ – die ZEIT hat sich was Anderes einfallen lassen, jedenfalls suchte ich eine Rez. dort vergeblich: In deren Magazin fand sich letzte Woche die übliche Grafik der „Deutschlandkarte“ zur Verteilung von Comic-Shops – auch eine Perspektive zum Erscheinen des neuen Asterix-Albums, oder ? Doch nun zur Story …

„Wenn Sie einmal losgelassen …“ gilt natürlich nach wie vor

für Asterix & Obelix. Und es gilt nun auch fürs neue „dream-team“ Ferri & Conrad, nach dem erfolgreichen ersten Album „Asterix bei den Pikten“ vor zwei Jahren: Auch Albert Uderzo hat wohl nun erfolgreich loslassen können, nachdem er bei Band 35 noch stark im Spiel war … Dazu mehr beim Verlag:  http://www.asterix36.com/asterix-de.html

André Stolls berühmter Sekundärklassiker über Asterix: Erschien bereits 1974 im Kölner Dumont Verlag / (c) Cover: Dumont 

Natürlich war auch dieser Asterix-Band längst vorm

Erscheinen lang und weit in den Top100 bei amazon, durch Vorbestellungen (z.B. am 04.10.2015 Rang 47, bereits 19 Tage in den Top100)! Dafür sorgte natürlich auch das exzellente Marketing des Verlags auch in Deutschland, etwa mithilfe

des Asterix-Sticker-Albums (Comicoskop berichtete), das einmal die Wartezeit verkürzen half und zum Anderen erst recht den Appetit anregen half. Und das Erlebnis? Erwartungsgemäß wieder eine Geschichte, die aktuelles Geschehen ins

historische Gallien verlegt und passend interpretiert: Ein Whistleblower verhindert, dass ein aus dem „De bello gallico“ von Julius Cäsar gestrichenes Kapitel dem Schweigen anheim fällt, vorüber gehend jedenfalls. Daraus entsteht

der übliche bunte Reigen aus Römer-Bashing und Obelix-Dresching mit den  diversen Nebenfiguren des gallischen Dorfes. Schön das Augen zwinkernde Neu-Interpretieren historischer Nachrichten-Wege sowie Rollen-Verständnis von

Verlegern und Führungskräften (hier: Chef Majestix, eigentlich: Gutemine). Wir erfahren mehr über das junge Leben des Miraculix bei dessen Besuch seines Mentors (wieder einmal können die Gallier intern über einander herzlich lachen

– sehr sympathischer Zug, der hier fröhliche Urständ´ halten darf), der den entwendeten Papyrus auswendig lernen soll, um seinen Inhalt (Gallisches Dorf leistet Widerstand, keineswegs ganz Gallien ist erobert …) den Traditionen gemäß mündlich weiter zu geben. Was auch gelingt, bei allen Herausforderungen

einer „Stillen Post“, die gleich ein zweites Mal Dorf-intern ausgeführt wird und so „in der Geschichte“ andeutet, was mit mündlicher Überlieferung so alles passieren kann. Bis hin zu Goscinny & Uderzo, die letztlich davon erfahren und daraus ihre Geschichten rund um Asterix und Obelix entwickeln, wie in einem „Postskriptum“ zeichnerisch verraten wird: Ha, Comicoskop hat´s gewusst!

Schließlich haben wir schon vor Monaten begonnen, die heimlichen Quellen investigativ zu recherchieren J … Dreierlei mehr fällt auf (resp. fiel mir auf): Die besonders ästhetische zeichnerische Interpretation des Refugiums von Alt-Druide

Archaeopterix (ein wenig dement schon, doch das mit dem Auswendiglernen scheint noch zu gehen…) auf Seite 31, ausgeführt in einem halbseitigen Panel, entzückend in den

Details und in den Grüntönen. Und neuerlich Obelix als Künstler, wie schon früher, etwa beim Gestalten von Hinkelsteinen: Ein als Kollateralschaden verwüstetes Hünengrab „repariert“ er und interpretiert es in interessant anderer Form (S. 28, letztes Panel). Idefix, dies als letzte inhaltliche

Anmerkung, darf wieder wüster Römer-Jäger sein, mit Kleidungsfetzen aus dem Kampf zurück kehrend (und am Schluss einen Papyrus-Fetzen verteidigend), eifersüchtig auf ein Eichhörnchen sein (das die Gruppe durch den früher schon

öfter aufgetretenen Karnutenwald führt – übrigens auch an Einhörnern vorbei) –  und sich besonders freuen, als er des Druiden Refugium erblickt, eine wohl 1.000-jährige riesige Eiche … Über die sonstigen auftretenden Personen ist

füglich genug in den anderen Rezensionen geschrieben … -

Asterix-Verballhornung Mitte der 1960er Jahre: Bei Rolf Kauka mutierten Asterix und Obelix in "LUPO modern" zur reaktionär-ultrakonservativen Kalten Kriegs-Klamotte "Siggi und Babbaras" / (c) Editions Albert-René & Kauka Verlag / Oben: Asterix bei den Goten geriet zu einem BRD/DDR-Kalter Kriegsverschnitt mit sächselnden Ost-Goten etc.  Dass Goscinny/Uderzo mit dem den  Goten-Chef Cholerik eigentlich den gesamtdeutschen Hindenburg durch den Kakao zogen, scherte Kaukas Eindeutscher wenig...

Lupo Modern mit Asterix-Titelblättern - freilich unter dem germanifizierten Titel "Siggi (= Siegfried) und Babbaras (Anspielung auf "Barras" = Militär, Bundeswehr...)... / (c) Kauka & Editions Albert-René

Zufall oder Koinzidenzen? Zum Zeitpunkt des Erscheinens

weilte ich gerade bei den Münchner Medientagen – und kam in einer Mittagspause mit einem Kollegen von der Bundeszentrale für Politische Bildung ins Gespräch – wenn auch von Seiten Lokaljournalismus. Relevant ist das deshalb, weil Comics

im Unterricht dort mit diversen Beiträgen in der Diskussion ist… und mein COMICOSKOP-Kollege Martin Frenzel dort u.a. zu Politik und Comics veröffentlicht hat … Was könnte da noch mehr gehen? Immerhin vermeldet amazon bei „asterix lateinisch“ 22 lieferbare Bände, ein umfassender Fundus also: Zu Politik und Geschichte kann so auch der Latein-Unterricht stoßen, der dadurch mglw. (vielmehr: sehr wahrscheinlich) noch einen Ticken unterhaltsamer würde …                             HPR

Comicoskop-Redakteur Hanspeter Reiter ist Comic-Experte aus Leidenschaft und lebt in Köln. Comicoskop-Kürzel: HPR. Liest Asterix schon seit MV Comix-Zeiten der 1960er...

Jean-Yves Ferri & Didier Conrad: ASTERIX Bd. 36: „Der Papyrus des Cäsar“ (Egmont Ehapa, 2015, 50 Seiten)

Weitere Infos zum neuen Asterix-Band 36 finden Sie HIER:

www.asterix.de,

www.ehapa.de

http://www.egmont-comic-collection.de


Loading

Kontakt:

Comicoskop-Redaktion

c/o z.Hd. Martin Frenzel

Heidenreich- str.39

64287 Darmstadt

Mail: redaktion

@comicoskop.com oder martin.

frenzel@

comicoskop.com