Um es gleich vorwegzunehmen: Der beste Asterix aller Zeiten ist es nicht geworden. An Meisterwerke der Reihe um den gallischen Gnom Asterix wie „Legionär“, Cleopatra, Avernerschild, bei den Briten, den Schweizern, Tour de France, Korsika, Normannen, Der Seher, Trabantenstadt, Obelix & Co KG, Asterix bei den Goten oder Streit um Asterix reicht auch dieser neue beim besten Willen nicht heran… Auch vermag das neue Asterix-Duo Jean-Yves
©2015 Les Éditions Albert René
Ferri und Didier Conrad den genialen Esprit des Texters René Goscinny, seine Chuzpe, seinen Wortwitz und seine Ironie nur anflugweise zu erreichen. Goscinnys Gallier-Geschichten – das war, in seinen Blütezeiten, Champions League. Und die sind bis dato unerreicht.
Wohl aber hat das neue Duo mit „Der Papyrus der Asterix“ den wohl mit Abstand besten Asterix seit 35 Jahren vorgelegt, seit 1980, dem Jahr, als Zeichner Uderzo nach
Goscinnys jähem Herztod (am 5. November 1977) das Steuer auch textlich übernahm (was er wohl lieber nicht hätte tun sollen).
Ferri/Conrad gelingt, was Albert Uderzo zwischen 1980 und 2005 partout nicht schaffte: Sie zaubern einen neuen Asterix hervor, der wie lange nicht mehr wieder auf
gesellschaftskritische Persiflage, Parodie und kombinierten Bild-Wortwitz setzt, der mit Anspielungen und Querverweisen von der Antike in unser aller Gegenwart arbeitet…
So ziehen Ferri/Conrad in ihrer zweiten Geschichte kräftig das Big Data- und (Neue) Medien-Zeitalter durch den Kakao: Vom großen Lauschangriff (hier antik-gerecht per gurrender Brieftauben- oder Rohrpost über NSA- und Wikileaks-Enthüllungen, von Julian Assange bis zum Whistleblower Snowden, Facebook, Internet und Smartfon, SMS und E-Mail-Wahn der beschleunigten Turbo-Gesellschaft inklusive…
Es ist die etwas andere Geschichte um Caesars Niederschrift „De Bello Gallico“ (Vom Gallischen Krieg)… sein intrigant-durchtriebener Berater Rufus Syndicus rät dem
Imperator, das Kapitel „Ein Gallisches Dorf leistet erfolgreich Widerstand“ zu unterschlagen, um den caesarischen Ruhm zu mehren. Doch, man ahnt es, es gibt ein antikes Wikileaks, eine undichte Stelle, einen Abgrund von Geheimnisverrat… Es ist der „Kolporteur“ Polemix, der nicht umsonst die Züge Julian Assanges trägt, der das für Caesar unangenehme Kapitel
ausgerechnet zu den Galliern bringt… Am Ende ist es die mündliche Überlieferung, das kollektive Gedächtnis der
Erinnerungskultur und direkte menschliche Kommunikation, so die Moral von der Geschicht‘, die immer noch besser ist als alle, noch so aufwendige High Tech… Man muß nicht alles glauben,
was man hört.“, wusste schon Cicero und ungefähr so sagt es auch der Druide Miraculix im neuen Asterix. Warum wir in der ganzen Geschichte kein einziges Mal auf Edward Snowden treffen, was nahe gelegen hätte, bleibt allerdings das Geheimnis
der beiden Autoren…
Natürlich gibt es Wiedersehen mit den Piraten (übrigens eine Parodie auf der „Rote Korsar“), Idefix ist wieder da; Fischhändler Verleihnix prügelt sich wieder mit Dorfschmied Automatix vermittels stinkendem Fisch… Gutemiene triezt ihren
Häuptling Majestix dominanter denn je, pfuscht ihm regelrecht ins Handwerk und stellt ihn bloß… und Asterix, Obelix und der weise Druide Miraculix treibt es in den geheimnisvollen, Einhörner bergenden Karnutenwald, um dort ihre Geschichte beim Meister-Druiden Archaeopterix zu verewigen…
Troubadix der Barde, der nicht singen darf, tut es trotzdem – mit einem abartig markerschütternen Musikinstrument nach dem andern, wobei vor allem das Grunzlaute von sich gebende „Röhrofon“ durch Mark und Bein geht...
Wobei Ferri, Frankreichs Startexter, der schon mit seiner herrlichen de Gaulle-Parodie „De Gaullle à la Plage“ bewiesen hat, dass er zu den exzellentesten frankobelgischen, ja, europäischen Comic-Humoristen seiner Generation gehört. Er ist der Mann, der das Potential und Sinn für die richtigen Gewürze, die passende Dosis Pfeffer und nuancenreiche Zutaten hat, die einem Uderzo abgingen. Anders gesagt: Im Uderzo-Asterix fehlten Kräuter der Provence, Thymian, Koriander, … da war zuletzt nicht einmal mehr Petersilie drin.
Die Figur des Polemix erinnert daran, dass es Denunziation und Verrat natürlich schon in der Antike gab: Solche Zeitgenossen wie jenen Polemix nannte man "Sykophanten" (Enthüller der Feige),Menschen also, die Geheimnisse preisgaben, ursprünglich Feigen von den heiligen Bäumen stahlen oder gar außer
Landes schmuggelten…
Wobei es nicht das erste Mal ist, dass uns in Asterix das Phänomen der Kollaborateure und Verräter (André Stoll) begegnet: Wir begegnen ihnen schon früh, etwa in dem
Asterix-Klassiker „Asterix und der Kupferkessel“. Immer wieder hat es sie gegeben, in der „Goldenen Sichel“, aber auch im „Kampf der Häuptlinge“ oder im „Seher“.
Nicht der Auftritt von Julian Assange als „Polemix“ (Streitsüchtix) ist daher die Sensation im neuen Asterix, sondern das Erscheinen des verschlagen-intriganten Bonus Promoplus (so im französischen Original) resp. Rufus Syndicus (deutsche
Fassung) und damit die Wiederkehr der (innen-)politischen Satire in Asterix über die französischen Zustände – ist diese zweite Figur doch eine Parodie auf den ehemaligen Mitterand-Berater und heutigen französischen Sarrazin Jacques
Séguéla. Damit knüpft Ferri wieder an die gepfefferte Schärfe eines Goscinny an. Séguéla, berühmt-berüchtigter französischer Publizist und Gründer der Agentur Euro RSCG (jetzt Havas Advertising war jener Mann, der 1981 für Mitterands Präsidentschaftskampagne den siegreichen Leitspruch "La Force
tranquille" (Die ruhige Kraft) erfand. „Er kennt die Intrigen der
Mächtigen, er durchschaut sie und er weiß, welche Schritte sie als nächstes unternehmen. Diese Figur ist ein Berater, der zwar meist im Hintergrund bleibt, der sich jedoch auch gerne in der Öffentlichkeit präsentiert und sich bevorzugt in einflussreichen Kreisen aufhält. Wir wollten diese Doppelzüngigkeit in
seinem Gesichtsausdruck widerspiegeln“, so heißt der Tenor des Duos Ferri / Conrad in der "Huffington Post". Zu seinem Negativimage hat Séguéla, eine Art französischer Sarrazin, auch alles Erdenkliche beigetragen: Überliefert sind von ihm demagogisch-rechtspopulistische Sätze wie "Wenn man mit 50 Jahren noch keine Rolex hat, hat man sein Leben verpfuscht."
Dieser Satz löste in Frankreich einen Sturm der Entrüstung aus. Erst im Juli 2015 legte Séguéla mit dem Dictum nach: "Selbst als Penner kann man noch 1.500 Euro im Monat beiseitelegen."
Grafisch freilich – und das wird nun im zweiten Album noch deutlicher als bei der Schotten-Saga „Asterix und die Pikten“ – kann Conrad dem Starzeichner Albert Uderzo kaum das Wasser reichen. Conrad ist, keine Frage, ein guter Zeichner, aber die Extraklasse eines Uderzo in seinen besten Zeiten besitzt er nicht. Und dies nicht nur, weil er in der Tat ständig Obelix lediglich zwei statt die üblichen drei blauen Streifen verpasst. (Das ist, nebenbei gesagt, keine Petitesse, es passt einfach nicht zur Gargantua-Figur des Hinkelstein-Lieferanten Obelix).
Wollte man es zuspitzen, dann verhält sich ein Conrad – im Vergleich zum barock-eleganten Zeichenstil des Altmeisters Uderzo wie einst Hal Foster im Verhältnis zu seinem hölzernen Nachfolger John Cullen Murphy bei „Prinz Eisenherz“. Wally Wood wäre, grafisch gesehen, die bessere Wahl gewesen…
Die Calvo’sche Eleganz, das Barocke und Leichte, dennoch Gekonnte der Uderzoschen Grafik scheint nun wie weggeblasen. Eine Eleganz, die Uderzo bei seinem Lehrer Edmond-Francois Calvo erlernte – und die Didier Conrad abgeht. Conrad ist in
gewisser Weise der John Cullen Murphy von Asterix.
Dass nach wie vor ein Gros der textlichen und grafischen Anspielungen in Asterix beim Transfer vom Französischen ins Deutsche verloren geht, wird wohl immer so bleiben: Während französische Leserinnen und Leser immer wieder aufs Neue ihr Amüsement damit haben, dass das kleine Gallische Dorf
Widerstand gegen die römische Besatzung übt – und damit fortwährend erinnern an die Résistance-Bewegung, aber auch den gaullistischen Widerstand gegen den US-Kulturimperialismus (und alle andern nicht-französischen Einflüsse von außen, so erfreuen sich Millionen deutsche
Leserinnen und Leser offenkundig lediglich daran, dass unentwegt römische Legionäre Dresche bekommen. Vermutlich werden die meisten deutschen Leserinnen und Leser nicht die Kritik an einer streitbaren Figur der französischen Innenpolitik wahrnehmen – die kommentarlos in der deutschen Ausgabe als Rufus Syndicus erscheint…
Ferri, der neue Asterix-Texter, hat denn auch in einem der zahllosen Interviews der jüngsten Zeit, verlauten lassen, er verstünde gar nicht, weshalb Asterix gerade bei den Deutschen so beliebt sei – sei Asterix doch – siehe Asterix bei den Goten – so etwas von anti-deutsch. Ferri spekuliert: Vielleicht gerade
deswegen!
Der Einzige, der das mit dem Antideutschen verstand, weswegen er die Asterix-Geschichten einfach nach Gusto umschreiben ließ, war Rolf Kauka – seine reaktionär-revanchistische, ja, streckenweise rechtsextremen Kalte Kriegs-Variante „Siggi und Babbaras“ Mitte der 1960er Jahre stellte die wahren Goscinnyschen Intentionen einfach auf den Kopf.
Wie dem auch sei: Der Papyrus des Asterix ist dennoch ein Lesegenuss – trotz der etwas ungelenk-hölzernen Grafik Conrads – vor allem weil Ferris mit seinem Drehbuch und den Dialogen frischen Wind bringt. Labsal für all diejenigen, die sich die letzten Jahre durchs Mittelmaß der nichts mehr wagenden, nur noch unterhaltenden Uderzo-Geschichten quälten.
Fazit: Ferri/Conrad sind mit diesem zweiten Album „Der Papyrus des Asterix“ dabei, sich endgültig freizuschwimmen. (Der dritte im Bunde ist im Übrigen Kolorist Thierry Mébarki, der Asterix seit 2001 zusammen mit seinem Bruder nach den Bleistiftzeichnungen Uderzos tuschte). In der Champions League sind sie damit noch nicht. Aber der Abstieg der Serie Asterix ins kommerzielle Mittelmaß ist eindrucksvoll gestoppt. Dieser neue Asterix setzt furios wieder da an, wo Goscinny einst bei Erscheinen im Magazin „Pilote“ 1959 und in den 1960er und 1970er Jahren begann: Einen Comic mit Tiefgang zu schaffen, der sich gleichermaßen an Kinder, Jugendliche, aber eben von Anfang an auch und gerade an Erwachsene wendet. Unter Uderzos Ägide die letzten zweieinhalb Jahrzehnte verkam Asterix zu einem sich auf den Lorbeeren Goscinnys ausruhenden Massenverkaufs-Ereignis - inhaltlich blieb aber, anders als zu Goscinnys Spitzenzeiten, nahezu nichts haften. Asterix geriet rein erzählerisch betrachtet zuletzt zum Jugendcomic pur. Ecken und Kanten wie einst suchte man
in dieser Zeit des Uderzoschen Interregnums vergebens.
Ferri/Conrad haben nun die Wende zum Besseren geschafft: Weiter so, möchte man den neuen Machern zurufen, ihr seid auf dem richtigen Weg. Wenn das so weitergeht, wer weiß, vielleicht gelingt es dann ja doch noch, an die glorreiche Glanzzeit eines
René Goscinny anzuknüpfen – und eine eigene Ära zu markieren.
Man wünscht sich, die beiden neuen Schöpfer fassten den Mut, künftig noch frecher, noch politischer und satirisch-ironischer, origineller und pointierter zu sein. Bei der Political Incorrectness, einem Spezialgebiet Goscinnys par excellence, und seinem Charme könnte das Duo Ferri/Conrad in Zukunft noch eine Schippe drauflegen. Auch die Goscinnysche Kunst, antike Ereignisse, Gebräuche und Völker feinsinnig mit unserer Gegenwart zu verweben, was intensive Geschichtskenntnis und gründliche historische Recherchen in der Antike voraussetzt, dürfte fürderhin gern noch viel mehr zum Zuge kommen! Der Witz bei Goscinny lag ja gerade darin, dass er zu zeigen verstand, wieviel die Römer an zivilisatorischen Errungenschaften hervorbrachten, von denen wir heute noch zehren…
Der Zaubertrank, der textlich unter dem großen Zeichner Uderzo etwas fad und abgestanden schmeckte, schmeckt wieder deutlich besser – und wie! Den Dreisterne-Feinschmecker-Koch
Goscinny haben Ferri/Conrad zwar noch lange nicht erreicht, aber anderthalb haben sie sich mit diesem Album über die
Abgründe von Geheimnisverrat, Big Data und Überwachung schon mal redlich verdient. Ferri/Conrad sind gerade dabei, sich ihren eigenen Lorbeerkranz zu winden. Wie der Lateiner sagt: Per aspera ad astra et Asterix ! zu deutsch: „Durch Mühsal
gelangt man zu den Sternen und zu Asterix“. Ja, und vielleicht Obelix ja beim dritten Versuch endlich wieder drei blaue Streifen auf der Hose. Martin Frenzel / KMF
COMICOSKOP-Herausgeber, -Gründer und -Chefredakteur: Martin Frenzel, seit 1981 als Comicforscher aktiv. Spezialgebiete: US-amerikanische Klassiker, frankobelgische Comic-Kultur, deutsche Comic-Geschichte nach 1945, skandinavische (insbesondere dänische) Comic-Kultur. Arbeitet an einer Doktorarbeit über Politik im Comic. Er liest Asterix von Kindesbeinen an - den ersten 1969/70... Seitdem Verehrer des Texter-Genies René Goscinny, aber auch der grafische Finesse Albert Uderzos. Spätestens seit "Asterix als Legionär" von Kopf bis Fuß Asterix-Fan...
Schnelles Geständnis vorab: Jahrzehntelang habe ich keinen ASTERIX gelesen! Nach Uderzos Soli in den frühen 80er Jahren war die Serie für mich gestorben. Aber der letzte Band („Asterix bei den Pikten“) stammt ja schon vom neuen Kreativteam und soll (wieder) gut sein.
Jetzt legen Ferri & Conrad mit dem „Papyrus“ nach – und sie haben mich vom Start weg auf ihrer Seite. Es ist nicht nur unheimlich, wie nah Zeichner Conrad an Uderzo liegt, sondern auch Texter Ferri fängt Goscinnys Ton wundervoll ein und tänzelt mit gekonnten Wortspielen zwischen Antike und Moderne.
Damals ist Cäsars „De bello gallico“ natürlich „moderne Literatur“ und ein Bestseller in Rom. Das handlungstreibende Motiv ist beschönigende Geschichtsklitterung, denn Cäsars Verleger Syndicus streicht das unrühmlichste Kapitel aus dem Manuskript, nämlich Cäsars Ärger mit dem gallischen Dorf.
Ein findiger Reporter namens Polemix kommt in den Besitz des Kapitels und will es der Öffentlichkeit zugänglich machen.
Damit erschließt Autor Ferri das Metathema „Wikileaks“und treibt seine Scherze mit allen zugänglichen Assoziationen: Datenlecks,Überwachung, Twitter, Schutzasyl, Imperialmacht, Beugehaft, Speicherkapazität,Investigativjournalismus – heruntergebrochen auf die Verhältnisse des Jahres 50v. Chr. Running Gag des Bandes sind die allgegenwärtigen Brieftauben, die „zum Versand von Kurznachrichten“ dienen. Auf den Dreh hat die Geschichte der Kommunikation gewartet!
An Handlung ist „Der Papyrus des Cäsar“ eher dünn (im
Hauptteil reist man zu einem Wald, durch diesen hindurch, verweilt dort kurz und kehrt rasch ins Dorf zurück), aber Ferri füllt das geschickt auf, mit Rückverweisen auf bekannte Themen des Asterix-Kosmos sowie einer Nebenhandlung
um die Horoskop-Gläubigkeit der Gallier.
Kongenial (ja, ich benutze dieses Wort), kongenial
bebildert und bereichert Didier Conrad diese 44 Seiten und lässt Uderzo keinen Augenblick vermissen. Er beherrscht exakt dessen Bildausschnitte und Kameraführung, zudem erfreut er mit grafischen Zitaten aus den klassischen Alben vor 1980. Sehnsüchtig entdecke ich die „fliegenden Fische“ des Verleihnix,
den Ausguck der Piraten, die diensteifrige Musizierfreude von Troubadix, die Wildschweinfixiertheit von Obelix, Legionäre in albernen Tarnungen – und ein dampfiges Orgienbild, durch das
rotnasige Römer mit Amphoren auf dem Kopf torkeln! Ja, das ist mein Asterix.
Auch wenn mich verblüfft, wie HARMLOS mir der neue
Asterix vorkommt. Da hab ich doch in den letzten 30 Jahren härteren Stoff konsumiert. Grins.
Andererseits ist die Figur seinerzeit von Goscinny & Uderzo als Jugendcomic konzipiert worden. Der Sprachwitz und die grafische Qualität haben sie dann zum Phänomen für Erwachsene erhoben, selbst im bildungsschnöseligen Deutschland. Darin liegt vielleicht der „Fluch des
Asterix“: Er ist ein untoter Grenzgänger, auf ewig wandelnd im Schattenreich der Anspruchshaftigkeit.
Hach, da hat mich meine Vorliebe für Horrorcomics doch
wieder übermannt… Wie dem auch sei. Ich kann nicht meckern über den „Papyrus des Cäsar“. Es ist eine vergnügliche, intelligente Lektüre – und ein nostalgischer Augenschmaus sowieso. TIC
Tillmann Courth ist Mitglied der COMICOSKOP-Autorenredaktion, lebt in Köln, passionierter Comichistoriker, betreibt die Webseite FIFTIES HORROR (fifties-horror.de) und liest nach vielen Jahren Pause jetzt wieder gerne ASTERIX...
Eine gewaltige Medien-Resonanz mit teils (annähernd) ganzseitigen Besprechungen in überregionalen Tageszeitungen, natürlich großes Panel inklusive: Was bleibt da noch zu sagen?? Eine Tour d´horizon (statt de France…) etwa in SZ und FAZ – die ZEIT hat sich was Anderes einfallen lassen, jedenfalls suchte ich eine Rez. dort vergeblich: In deren Magazin fand sich letzte Woche die übliche Grafik der „Deutschlandkarte“ zur Verteilung von Comic-Shops – auch eine Perspektive zum Erscheinen des neuen Asterix-Albums, oder ? Doch nun zur Story …
„Wenn Sie einmal losgelassen …“ gilt natürlich nach wie vor
für Asterix & Obelix. Und es gilt nun auch fürs neue „dream-team“ Ferri
& Conrad, nach dem erfolgreichen ersten Album „Asterix bei den Pikten“
vor zwei Jahren: Auch Albert Uderzo hat wohl nun erfolgreich loslassen
können, nachdem er bei Band 35 noch stark im Spiel war … Dazu mehr beim
Verlag: http://www.asterix36.com/asterix-de.html
Natürlich war auch dieser Asterix-Band längst vorm
Erscheinen lang und weit in den Top100 bei amazon, durch Vorbestellungen (z.B. am 04.10.2015 Rang 47, bereits 19 Tage in den Top100)! Dafür sorgte natürlich auch das exzellente Marketing des Verlags auch in Deutschland, etwa mithilfe
des Asterix-Sticker-Albums (Comicoskop berichtete), das einmal die Wartezeit verkürzen half und zum Anderen erst recht den Appetit anregen half. Und das Erlebnis? Erwartungsgemäß wieder eine Geschichte, die aktuelles Geschehen ins
historische Gallien verlegt und passend interpretiert: Ein Whistleblower verhindert, dass ein aus dem „De bello gallico“ von Julius Cäsar gestrichenes Kapitel dem Schweigen anheim fällt, vorüber gehend jedenfalls. Daraus entsteht
der übliche bunte Reigen aus Römer-Bashing und Obelix-Dresching mit den diversen Nebenfiguren des gallischen Dorfes. Schön das Augen zwinkernde Neu-Interpretieren historischer Nachrichten-Wege sowie Rollen-Verständnis von
Verlegern und Führungskräften (hier: Chef Majestix, eigentlich: Gutemine). Wir erfahren mehr über das junge Leben des Miraculix bei dessen Besuch seines Mentors (wieder einmal können die Gallier intern über einander herzlich lachen
– sehr sympathischer Zug, der hier fröhliche Urständ´ halten darf), der den entwendeten Papyrus auswendig lernen soll, um seinen Inhalt (Gallisches Dorf leistet Widerstand, keineswegs ganz Gallien ist erobert …) den Traditionen gemäß mündlich weiter zu geben. Was auch gelingt, bei allen Herausforderungen
einer „Stillen Post“, die gleich ein zweites Mal Dorf-intern ausgeführt wird und so „in der Geschichte“ andeutet, was mit mündlicher Überlieferung so alles passieren kann. Bis hin zu Goscinny & Uderzo, die letztlich davon erfahren und daraus ihre Geschichten rund um Asterix und Obelix entwickeln, wie in einem „Postskriptum“ zeichnerisch verraten wird: Ha, Comicoskop hat´s gewusst!
Schließlich haben wir schon vor Monaten begonnen, die heimlichen Quellen investigativ zu recherchieren J … Dreierlei mehr fällt auf (resp. fiel mir auf): Die besonders ästhetische zeichnerische Interpretation des Refugiums von Alt-Druide
Archaeopterix (ein wenig dement schon, doch das mit dem Auswendiglernen scheint noch zu gehen…) auf Seite 31, ausgeführt in einem halbseitigen Panel, entzückend in den
Details und in den Grüntönen. Und neuerlich Obelix als Künstler, wie schon früher, etwa beim Gestalten von Hinkelsteinen: Ein als Kollateralschaden verwüstetes Hünengrab „repariert“ er und interpretiert es in interessant anderer Form (S. 28, letztes Panel). Idefix, dies als letzte inhaltliche
Anmerkung, darf wieder wüster Römer-Jäger sein, mit Kleidungsfetzen aus dem Kampf zurück kehrend (und am Schluss einen Papyrus-Fetzen verteidigend), eifersüchtig auf ein Eichhörnchen sein (das die Gruppe durch den früher schon
öfter aufgetretenen Karnutenwald führt – übrigens auch an Einhörnern vorbei) – und sich besonders freuen, als er des Druiden Refugium erblickt, eine wohl 1.000-jährige riesige Eiche … Über die sonstigen auftretenden Personen ist
füglich genug in den anderen Rezensionen geschrieben … -
Zufall oder Koinzidenzen? Zum Zeitpunkt des Erscheinens
weilte ich gerade bei den Münchner Medientagen – und kam in einer Mittagspause mit einem Kollegen von der Bundeszentrale für Politische Bildung ins Gespräch – wenn auch von Seiten Lokaljournalismus. Relevant ist das deshalb, weil Comics
im Unterricht dort mit diversen Beiträgen in der Diskussion ist… und mein COMICOSKOP-Kollege Martin Frenzel dort u.a. zu Politik und Comics veröffentlicht hat … Was könnte da noch mehr gehen? Immerhin vermeldet amazon bei „asterix lateinisch“ 22 lieferbare Bände, ein umfassender Fundus also: Zu Politik und Geschichte kann so auch der Latein-Unterricht stoßen, der dadurch mglw. (vielmehr: sehr wahrscheinlich) noch einen Ticken unterhaltsamer würde … HPR
Comicoskop-Redakteur Hanspeter Reiter ist Comic-Experte aus
Leidenschaft und lebt in Köln. Comicoskop-Kürzel: HPR. Liest Asterix schon seit MV Comix-Zeiten der 1960er...
Weitere Infos zum neuen Asterix-Band 36 finden Sie HIER: