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Herausgegeben und gegründet von Martin Frenzel                      Online seit Dezember 2014 / Comicoskop-Chefredakteur: Martin Frenzel

Comicoskop-Aufmacher des Monats

Juli - August - September 2017

Comicoskop-Dossier: 50 Jahre Valerian und Veronique

Im Reich der tausend abgekupferten, fantastischen Christin/Mézières-Ideen: Zum 50. Comic-Jubiläum schlagen Valerian & Veronique im Kino zurück

(c) Dargaud Editeur

Späte Genugtuung  2017: Valerians Retourkutsche für Star Wars-Abkupfereien der 1970er und 1980er / Europas bester, innovativster und facettenreichster Science Fiction-Comic wird 50 Jahre alt: Im November 1967 erschien Valerian & Veronique im Magazin „Pilote“ / Langlebigster frankobelgischer SF-Comic: Die Kult-Saga umfasst 21  Alben und ein Extra-Album / Politik-Odyssee im Weltraum der beiden Alt-68er Pierre Christin und Jean-Claude Mézières voller Politik, Philosophie und Gesellschaftskritik / Star-Filmemacher Luc Besson präsentiert mit der Valerian-Kinofilm-Premiere im Juli 2017 den teuersten europäischen Independent-Kinostreifen aller Zeiten / Die Valerian-Anleihen des George Lucas: Stahl „Star Wars“ dem französischen SF-Klassiker Valerian & Veronique reihenweise die guten Ideen?

Ein VALERIAN und VERONIQUE-Dossier von COMICOSKOP-Redakteur Klaus Albeck

(c) Dargaud Editeur

Wohl kaum eine SF-Serie hat sich als derartiger Dauerbrenner erwiesen wie Jean-Claude Mézières‘ und Pierre Christin Klassiker des Genres: Jetzt, 2017, feiert das Duo das 50jährige Bestehen der seit dem 9.  November 1967 bis heute erscheinende Serie. Valerian und Veronique  gehörten nicht nur zu Europas bester SF-Comic-Saga, sondern avancierten zu einer der besten SF-Epen der Welt. Pünktlich zum 50. Geburtstag des französischen Comic-Klassikers  bringt Star-Filmregisseur Luc Besson nun endlich seinen abendfüllenden Valerian & Veronique-Kinofilm in Starbesetzung im Sommer 2017 zur Uraufführung. Wohl kaum eine andere SF-Comicserie hat Hollywood derart abgekupfert wie Valerian & Veronique: In Star Wars wimmelt es nur so an geradezu schamlosen Valerian-Anleihen…

Die berühmte Szene, als im Star Wars-Film „Das Imperium schlägt zurück“ von 1980 Harrison Ford alias Han Solo in einem Karbonitblock schockgefroren wird, hat Valerian schon 1971 in „Das Reich der tausend Planeten längst durchlitten, wenn im kaum weniger angenehmen flüssigem Plastik-Sarg… selbst die Kamera-Einstellungen ähneln sich als hätten George Lucas Storyboarder regelrecht abgezeichnet und durchgepaust…

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Auch Valerian und Veroniques Raumschiff kommt einem mächtig bekannt vor, wenn man sich Han Solos „Rasenden Falken“ vor Augen führt. Auch Prinzessin Leilas Metallbikini, den Prinzessin Leia, den diese erst 1983 in „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ zur Schau stellte, ist ein déjà-vu: Veronique trägt ihn bereits 1972 in dem Valerian-Abenteuer „Das Land ohne Sterne“…Hält man ein das Valerian und Veronique-Raumgefährt zeigendes Panel aus der Feder Jean Claude Mézières von 1972 (!) aus der Story „Willkommen auf Alflolol“ neben eine Weltraumszene im ersten Stars Wars Film von 1977, sieht Han Solos „Rasender Falke“ aus wie abgemalt.

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Heute ist die SF-Serie Valerian und Veronique in Frankreich unter den besten Fünf Verkaufstiteln des Verlagshauses Dargaud: Mehr als fünf Millionen weltweite Gesamtauflage, laut Stan Barets allein 2,5 Millionen im französischen Sprachbereich… Jenseits von Zeit und Raum: Die Zeitöffner Valerian und Veronique offenbarten in fünf Jahrzehnten ihres Bestehens einen Mehrebenen-Comicepos (nicht nur Science Fiction) der besonderen Art – mit einer zutiefst humanistischen Botschaft: Anders- und Fremdsein gehört zum Menschsein – dies zu akzeptieren, ist der Schlüssel zu einer friedlichen Gesellschaft… Keine Angst vor dem Anderssein, es macht uns reicher, so scheint das heimliche Credo Christins und Mézières zu lauten…

Valerian und Veronique – das waren nie bloß zwei Agenten des Raum-Zeit-Service in Diensten von Galaxity – der Hauptstadt der Zukunft. Der Comic „Valérian, agent spatio-temporel“ (so der Ur-Titel der Serie) war von Beginn an auch ein sozialkritischer, zutiefst politischer, ja, geschichtsbewusster Comic…    

Links: 20th Century Fox / Rechts: (c) Dargaud Editeur

Valerian & Veronique – das war jedoch in fünf Jahrzehnten stets mehr als nur pure Odyssee im Weltraum, weit mehr als eine Space Opera: Stets ging es auch um politische Gesellschaftskritik, Philosophisches, Emanzipation, die konkrete Utopie einer multikulturellen, freilich immer wieder bedrohten Gesellschaft... um Machtmissbrauch und korrupte Eliten, Frauenrechte und Umweltschutz. Christin/Mézières entpuppten sich als die ideenreichsten, phantasievollsten und politischsten Philosophen des SF-Genres – und ließen klassische Flash Gordon, Buck Rogers, Eddy Paapes „Luc Orient“ und auch Yoko Tsuno oder Die Schiffbrüchigen der Zeit damit weit hinter sich. Psychodelische Farben, ein gekonnter, semi-naturalistischer Zeichenstrich und atemberaubende Weltraum-Kulissen, skurrile Galaxie-Gestalten und rasende Raumschiffe paarten sich mit Texter Christins Sinn für eine Mischung aus Phantasie, Poesie und Politik. Die Serie gilt jedoch auch als eine Speerspitze der Emanzipation: Laureline (dt. Veronique) entpuppte sich rasch als die wahre Hauptdarstellerin, die Valerian oft genug in den Schatten stellt…  Sie erweist sich häufiger als intelligenter, weitsichtiger und reaktionsschneller…

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Nicht umsonst heißt die Serie – weltweit einmalig - in Dänemark „Laura og Valentin“ – das heißt: Sie wird zuerst genannt, Valerian erst an zweiter Stelle… Die französischen Verleger änderten den ursprünglichen Titel der Serie - Valérian, agent spatio-temporel - erst nach 30 Jahren, 2007… in Valerian et Laureline…

 Pünktlich zum 50. Jubiläum der Serie in diesem Jahr, der das Festival von Angoulême bereits im Januar 2017 mit einer großen Werkschau huldigte und das Pariser Museum La cité des sciences et de l'industrie noch bis zum 14. Januar 2018 zurzeit mit einer weiteren großen Schau („Valérian et Laureline en mission pour la Cité“) ehrt, bildet der neue Luc Besson-Film-Blockbuster ein schönes vorweggenommenes Geburtstagsgeschenk: Feiern doch sowohl Texter Pierre Christin als auch Zeichner und Weggefährte Hean-Claude Mézìères, die beiden Siamesischen Zwillinge des Valerian-Comics, beide Jahrgang 1938, in 2018 ihren jeweils 80., runden Geburtstag.

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Dabei rückt im Valerian-Superjahr 2017 wieder einmal ein sich immer mehr zur Gewissheit verdichtender Verdacht in den Blick: Dass die SF-Filmsaga „Stars Wars“ von George Lucas und sein Chefzeichner Ralph McQuarrie die Serie Valerian und Veronique hemmungslos als Ideen-Steinbruch genutzt hat… Die Valerian-Anleihen in Star Wars springen, bei Durchsicht gerade der ersten sechs, noch heute sehr gelungenen Valerian-Alben, geradezu ins Auge. Aber auch später noch bedient sich Hollywood, ohne mit der Wimper zu zucken, der guten Ideen des Kreativ-Teams Mézières/Christin... Ein inhaltlicher Bildervergleich bringt den Beweis: Valerian und Veronique war zweifelsohne die Blaupause für Star Wars, Luke Skywalker und den Darth Vader. Die Star Wars-Designers nahmen bei den Mézières-Ideen Anleihen, was das Zeug hält, anders gesagt: Die Dunkle Seite der Macht um den US-Kino-Kassenschlager „Star Wars“ hat geradezu hemmungs- und schamlos, ohne dabei rot zu werden, beim französischen SF-Klassiker Valerian & Veronique abgekupfert.

Wie alles begann: Es war einmal in Salt Lake City...

Alles begann in der Stadt der Mormonen, im US-amerikanischen Salt Lake City, in 1960er Jahren mit einem Zufalls-Wiedersehen: Denn trafen sich die beiden Jugendfreunde Jean-Claude Mézières und Pierre Christin wieder – und beschlossen, von da an zusammenzuarbeiten. Kurze Zeit später kam ein weiterer Geburtshelfer hinzu, der legendäre Chefredakteur des Comic-Magazins „Pilote“ und „Asterix“-Startexter René Goscinny /(1926-1977): Denn der ermunterte das Duo Mézières/Christin, es mit einem SF-Comic zu versuchen – und gab grünes Licht beim Anblick der ersten Valerian-Story „Schlechte Träume“ zum Weitermachen… 

Valerian und Veronique: Per Anhalter durch Zeit und Raum

Vor genau 50 Jahren, am 9. November 1967, erschien die erste Geschichte der französischen SF-Comicserie Valerian et Laureline in der Ausgabe 420 des legendären Comic-Magazins Pilote. Kaum jemand ahnte, dass diese einzigartige Weltraum-Saga mit politisch-philosophischem Tiefgang sich zum ltcomic des Genres mausern, ja, zu einer der wohl besten Science Fiction-Bildergeschichten der Comic-Geschichte avancieren würde.

Im Blickpunkt stehen die beiden Raum-Zeit-Agenten von Galaxity, einem Kunstplaneten, Hauptstadt des irdischen Sonnensystems, auf dem über 8000 verschiedene Arten und Völker miteinander leben, wir schreiben das Jahr 2713 resp. 2720….

Mit Hilfe des sogenannten Raum-Zeit-Sprungs können Valerian und Veronique sich problemlos nicht nur an andere Orte der Galaxie versetzen, sondern auch – H.G. Wells lässt grüßen – Zeitreisen in die Vergangenheit unternehmen (besonders eindrucksvoll zeigt dies der Valerian-Band „Trügerische Welten“, indem Valerian in rasendem Tempo mal in die von Großbritannien kujonierte Kolonie Indien, dann ins England der Gladstone-Zeit, ins Amerika des Jahres 1895 nach San Francisco/Chinatown oder in den Ersten Weltkrieg in den Reihen der deutschen Armee hineingeworfen wird…).

Christin/Mézières haben einen Mehrebenen-Comicepos geschaffen, grafisch wie erzählerisch ausgeklügelt bis ins Detail, darin liegt auch das Erfolgsgeheimnis der Serie : Valerian ist eben nicht nur ein SF-Comic, sondern richtet den Blick auch und gerade auf die gesellschaftlichen Probleme der Gegenwart: So finden wir hier das Thema Geschlechterkampf (siehe die Konstellation der sich zankenden beiden Helden Valerian und Veronique), Ökologie oder totalitäre Macht-Diktatur, die Autoren mischen Humor, Satire, Politik, Philosophie, Soziologie, Ethnologie… Abenteuer… immer mit einer versteckten Gesellschaftskritik, als Parabel auf die Gegenwart… zuweilen auch Großstadt-Comic (New York! Brooklyn) oder Land-Comic (Schottland!)… mit dem roten Faden eines linksliberalen Humanismus, einer Ethik des Prinzips Verantwortung gegenüber dem Blauen Planeten…einem Schwelgen zwischen Ordnung und Chaos… Wenn ein Comic der Artenvielfalt, dem Prinzip der Biodiversifizität huldigt, dann ist es die Serie Valerian und Veronique. Ethnologen haben jedenfalls an diesem Universum der illustren Weltraum-Gestalten ihre helle Freude, die Arche Noah ist gar nichts dagegen…

 Es sind insbesondere die ersten zwölf gelungenen Valerian-Bände, die den französischen SF-Comic auf Anhieb zum Meilenstein unter den SF-Bildergeschichten avancieren ließen: Das Duo rast durch Raum und Zeit, zu fernen Planeten ebenso wie in vergangene Jahrhunderte, bis zurück ins Mittelalter!

 Zu Recht schreibt der Deutschlandfunk, die Serie Valerian sei weniger von klassischer SF-Ikonographie geprägt denn von den verschiedenen Kulturen und Epochen menschlicher Zivilisation wie etwa interstellaren Aztekentempeln, außerirdischen Freibeuter oder viktorianischer Steampunk…

 „Obwohl Valerian und Veronique nicht unsterblich sind, führen sie ein Leben ohne Anfang und Ende. Dazu müssen sie nur rechtzeitig einen Zeitsprung in die Vergangenheit oder in die Zukunft machen, wenn es brenzlig wird“, so Pierre Christin über die Quintessenz der Serie. Und weiter: Science Fiction ist eine wunderbare Möglichkeit, der Wirklichkeit zu entfliehen.“ Zeichner Jean-Claude Mézières äußerte sich so: „Vor uns hatte niemand Abenteuer wie diese erzählt. In dieser Serie ist einfach alles möglich, und jedes neue Album bringt uns dorthin, wo wir es wollen.“

2720: Comic-Odyssee im Weltraum – anfangs ein humanistischer Traum von der besseren Welt

In „Schlechte Träume“ findet sich jenes 30seitige Debüt des Duos Mézières/Christin, das 1967/68 in Goscinnys legendärem Comic-Magazin Pilote erschien. Mit andern Worten: Valerian ist ein Kind des 68er Zeitgeistes, des linken Studenten- und Jugendprotests, zwischen Flower Power, Anti-Establishment- und Anti-Vietnam-Bewegung – und in Frankreich: Anti-Kolonialismus- und Anti-DeGaulle… Nicht zuletzt die psychodelischen Farben der Koloristin Evelyne Tran-Le, Ehefrau Mezieres, trugen zu diesem Hippie- und Make love not war-Lebensgefühl bei , das noch in den ersten beiden Valerian-Geschichten zum Tragen kommt.

 

Die erste Geschichte Schlechte Träume, 1984 (Les Mauvais Rêves, 1968) katapultiert Valerian – hier noch solo – in eine schöne neue Welt, in der die Mehrzahl der Galacity-Bewohner dem Müßiggang frönt, sich nur noch durch schöne Träume berieseln und bespaßen lässt, nur eine kleine Herrscherclique arbeitet noch… es ist Christins/ Mézières bitterböse Satire auf die Konsum- und Fernsehwelt westlicher Prägung… So heißt es schon im Vorspann: „Wir schreiben das Jahr 2720. (..) Seit im Jahre 2314 die Raum-Zeit-Maschine erfunden wurde, hat der Begriff ‚Arbeit‘ für die meisten Menschen keine Bedeutung mehr. Nur einige hundert Raum-Zeit-Agenten und Technokraten des Raum-Zeitservice sind noch aktiv tätig. (..) Die anderen Menschen vergnügen sich mit schönen Träumen, die der Raum-Service für sie produziert…“

Er ist auf der Jagd nach dem die Weltherrschaft anstrebenden Übeltäter Kobul, der mithilfe von Monstern und Technik-Manipulation den Galacity-Bewohnern Alpträume ins Hirn zaubern will, um so Aufruhr zu stiften. Valerians Verfolgungsjagd führt ihn zurück ins Mittelalter des Jahres 1.000 zur Frankenzeit – und hier trifft unser Held „seine“ künftige Gefährtin, die mittelalterliche Magd Laureline… Das geht schon in diesem Erstling sehr flott, Valerian trifft auf allerlei Monster, die Kombul in die Welt gesetzt hat, seine neue Gefährtin Laureline wird gar in ein Einhorn verwandelt – am Ende trifft es Kombul selbst, er gerät zu einem häßlich-mopsigen Drachen hinter Käfigstangen… Gerade diese erste kürzere Geschichte der Valerian-Saga ist eine einzige SF-Persiflage, zieht eigentlich die Bewusstseinsindustrie der spätkapitalistische, kranke Konsumgesellschaft durch den Kakao, liest sich zugleich wie eine skurrile Parodie des SF-Genres à la MAD, Harvey Kurtzman, Jack Davis und Wally Wood lassen grüßen… und über weite Strecken springt der SF-Comic ins Ritter-Abenteuergenre, garniert mit Fantasyelementen, veralbert Klassiker wie „Prinz Eisenherz“, aber auch Peyos Ritter-Funnycomic „Johan et Pirloit“ (dt. Johann und Pfiffikus)…

Vorweggenommener Weltuntergang 1986 – sechzehn Jahre vor Tschernobyl

Schon in der ersten langen Geschichte „Die Stadt der tosenden Wasser“ 1978 (La Cité des eaux mouvantes, 1970) ziehen die Autoren Mézières/Christin ihr Lesepublikum grafisch wie erzählerisch in ihren Bann und beginnen mit einem Paukenschlag: Dem Weltuntergang am Beispiel New Yorks, das in der postatomaren Sintflut versinkt… Es ist die visionäre Geschichte des durch eine Atomkatastrophe 1986 (sic!) völlig verheerten, in gigantischen Tsunamis und Monster-Wellen versinkenden New Yorks (Folgen einer gewaltigen Wasserstoffbombenexplosion)… die gesamte Zivilisation der Erde ist vernichtet, es gibt nur wenige Überlebende, darunter einige Plünderer und Banditen… und genau dorthin sendet man die beiden Raum-Zeit-Agenten per Zeitsprung… zu den Schlüsselszenen des Albums gehört denn auch, als Valerian mitsamt des riesigen Kopfes der Freiheitsstatue in die Fluten stürzt…

Klar, auch Christin & Mézières stehen unter dem Einfluss von SF-Klassikern wie Rene Pellos‘ Futuropulis, Forests „Barbarella“ und des Planet der Affen-Kinoerfolgs mit Burt Lancaster, aber sie entwickeln hier von Anfang an eine SF-Serie mit Eigensinn und schier grenzenloser Phantasie, die es so in dieser Form nicht vorher gegeben hat. (Die Behauptung, Valerian sei der einzige SF-Comic der 1960er gewesen, wie sie etwa das ZDF-Kulturmagazin „Aspekte“ in die Welt gesetzt hat, stimmt indes nicht, man denke nur an Barbarella von Forest, Robert Gigis Scarlett Dream oder Gillons „Schiffbrüchigen der Zeit“).

 Valerian und Veronique jagen den entflohenen Bösewicht Kombul, der, einst gefährlichster Gefangener Galaxitys, der sich anschickt, die Weltherrschaft zu erringen. Es ist auch die Geschichte, in der Veronique per Molekular-Minimacher sehr zu ihrem eigenen Unwillen jäh zur Lilliputanerin schrumpft – Gottseidank nur vorübergehend. Die Erzählung Valerian und Veronique lebt von Beginn an auch und gerade vom Dauerzwist der beiden Hauptfiguren, dem naiven, mutigen Valerian, der klugen, aus dem Mittelalter stammenden, selbstbewussten und starken Veronique - alles getreu der Maxime: Männer kommen vom Mars, Frauen von der Venus… Der Humor und die Satire, die Kunst, sich selbst auf dem Arm zu nehmen, auf diesem Klavier spielen Mézières & Christin fortan virtuos. Mézières markanter Zeichenstil – anfangs noch stark vom Semifunny-Ansatz der frankobelgischen Comic-Schule geprägt, dann aber von Mal zu Mal realistischer werdend – folgt dem Hergé-Prinzip der Ligne Claire: Karikierte, halbrealistische Figuren, dafür aber hyperrealistische, oft atemberaubende Weltraum-Kulissen und imposante Weltall-Hintergründe… „Wir kommen aus der Zukunft. Wir haben nicht das Recht, die Vergangenheit zu ändern“, lautet einer dieser Sätze im Valerian-Comicepos, die philosophischen Tiefgang verraten.

Die Vorgänger des Darth Vader sind die „Kundigen“ in Valerian

Im zweiten Band – einer der besten der Serie überhaupt – „Im Reich der Tausend Planeten“ (L'Empire des mille planètes, 1971) – geht es ums VALERIAN-Abenteuer auf dem geheimnisvollen Stern namens Syrtis Magnificus und nicht zuletzt der Tuchfühlung mit den unheimlichen sog. „Kundigen“, die Syrtis unterjochen und beherrschen… Die Kundigen verstecken ihr völlig durch ein atomares Inferno entstelltes Antlitz in einer martialischen Schwarzen Ritterrüstung – und standen Jahre später George Lucas und seinem Art Director Ralph McQuarrie ganz offenkundig Pate bei der Figur des „Darth Vader“ in Star Wars. Die Einzigen, die mit Valerians und Veroniques Hilfe, den finsteren Fremdherrschern von Syrtis Paroli bieten, ist die tierwesenartige „Kaufmannsgilde“… In dieser Geschichte findet sich auch jene Schlüsselszene, in der Valerian von den Kundigen in einen „Sarkophag“ mit Plastikflüssigkeit eingefroren wird, auf dass er – derart willenlos gemacht - sein ganzes Wissen preisgebe. Auch diese Sequenz ist ein später in Star Wars hemmungslos abgekupfertes déja-vu: Man erinnere sich an Harrison Fords Karbon-Märtyrium im „Krieg der Sterne“-Reigen…

Kampf der Geschlechter - Männer vom Mars, Frauen von der Venus? oder : Valsenar versus Malka, grüne Visionen: Ökologische Landwirtschaft auf Alfolol

Im 3. Band Das Land ohne Sterne“) in Westdeutschland 1979 erschienen, (Le Pays sans étoiles, 1972), erleben wir das Duo, wie es erfolgreich versucht, einen katastrophalen Zusammenstoß zwischen Ukbar und dem „hohlen“ Planeten Zabir. Auf Zabir tobt der Geschlechterkampf zwischen Valsenar und Malka – auf ersterem herrschen die Männer über die Frauen, auf dem letzteren dominieren starke Amazonen die maskulinen Wesen. Zugleich ist die Geschichte voller Seitenhiebe auf den Ausbeutungswahn der Menschheit: Valerian und Veronique treffen auf ein unterdrücktes Nomadenvolk, das als Minenarbeiter beiden verfeindeten Lagern den Kriegs-Rohstoff liefern, die hochexplosiven „Floghums“. In dieser Erzählung kommt es auch zur berühmten Szene, in der man Veronique in ihrem laszivem, viel nackte Haut zeigenden Ketten-Bikini sieht (Seite 38), den Lucas und sein Chefdesigner McQuarrie dann in Star Wars als Outfit für Leila mopsten…

Die vierte Valerian-Geschichte Willkommen auf Alfolol 1979 (Bienvenue sur Alflolol, 1972)  ist grafisch und erzählerisch eine echte Perle des gesamten Valerian-Zyklusses – mit visuell atemberaubenden Weltall-Sequenzen… Im Blickpunkt steht der Planet Alfolol, den das irdische Imperium wegen seiner reichen Bodenschätze als eigene Kolonie „Technorg“ schamlos zweckentfremdet und ausbeutet… Doch nach gefühlt viertausend Jahren kehren die wahren Ureinwohner zurück, stiften auf liebenswerte Weise Flower-Power-Chaos in ihrer alten Heimat, weil sie aus Waffen buntbemalte, kriegsunbrauchbare Artefakte und aus Wachstumsplantagen bunte, freilich wenig ertragreiche Blumenparadiese machen… alles, was sie anfassen, wird auf Anhieb kriegsuntauglich, Schwerter zu Pflugscharen im Weltraum… Im Grunde erzählen Christin&Mézières hier die Geschichte des Kolonialismus und die der Ausrottung der Indianer Nordamerikas durch weiße „Herrenmenschen“ neu… Hier taucht auch der Gouverneur von Galaxity auf, dessen Konterfei ebenfalls von den Star Wars-Machern aus der Serie Valerian stibietzt wurde: In Gestalt des Darth Vader-Adlatus, Grand Moff Tarkin.

Multikulti im Weltall: Keine Angst vor dem Anderssein

In Band 5, Vögel der Tyrannen 1980 (Les Oiseaux du Maître, 1973), dee bis dato dystopischsten, beklemmensten Bildgeschichte ihrer Art, widmen sich die Autoren dem Thema Kolonialismus und Sklavenhaltergesellschaft, die von einem glitschigen Superhirn und dessen grausamen Wahnvögeln gepeinigt und unterjocht werden…ihr Biss treibt jedes ihrer Opfer in den Wahnsinn… In einem ihren allerbesten Valerian-Alben, der Nummer Sechs: Botschafter der Tyrannen 1980 (L'Ambassadeurs des Ombres, 1975), lernen wir Central City, jenes gigantische, wabenartig aufgebaute Kosmos-Konglomerat aus eintausend verschiedenen Welten des Universums, Wesen und Weltraum-Schiffen kennen, eine Art Mega-Rauschiff-Station MIR, in der sich der Traum der multikulturellen Gesellschaft endlich realisiert hat. Heimliche Botschaft des Albums: Habt keine Angst vor dem Fremden! Oder, wie es im Band 22 resümierend heißt: „Wir haben das Recht auf Anderssein zu respektieren, auch wenn es uns schockiert.

Keine Frage: Valerian und Veronique sind eine Ode auf die Vielfalt…

Diese Weltraum-Wesen der Vielfalt sind eins phantasievoll-skurriler als das andere, etwa die Ruren, giftspritzende Mathematiker-Wurmschlangen, düstere, radioaktiv strahlende Schattenwesen wie die Marmakas, die echsenartige Kapuzenwesen, als Ratgeber fungierenden Taglianer…, das Gumun, eine Mixtur aus Mini-Nilpferd und Igeltier, vor allem war erleben wir das das Dukatenesel-artige übelgelaunte Grunz-Tier, dem Transmutator von Bluxte, das einzelne Geldmünzen oder Perlen im Nu vertausendfacht und sich zu Veroniques Liebling entwickelt… und die geschäftstüchtigen, mit allen Wassern gewaschenen Rüsseltierchen der Shinguz mit ihren herabhängenden Flügeln, großen Augen und langem Schwanz, die ihr Spionage-Wissen schlitzohrig in bare Münze zu verwandeln verstehen… im Übrigen sehen diese Shinguz aus wie die erwachsene prähistorische Flugsaurier-Version bei Moebius in dessen „Arzach“… Auf Seite 24 der Geschichte sehen wir auch das Panel, das die Star Wars-Designer zu ihrer berühmten Weltraumwesen-Kneipen-Wimmelszene mit Luke Skywalker inspiriert hat…. Auch diese Idee wird von den Star Wars-Machern hemmungslos abgekupfert.. Das Zentauren-artige Reitervolk der Kamuniks sorgt ebenso für eine bizarre Alien-Atmosphäre wie die quallenartigen Suffus-Wesen, die künstliche Welten kreieren können, oder die nicht minder glitschigen Telepathie-Kreaturen der Grubos… eine dieser Grubos-Quallen zieht sich Veronique widerwillig über den Kopf, um so deren televisionären Fähigkeiten anzuzapfen…

Mézières läuft hier grafisch wieder einmal zur Hochform auf, kreiert einige skurrile neue abgedrehte Weltraum-Wesen…

Im Bann von George Lucas: Wende wegen der Star Wars-Anleihen

Star Wars-Anleihen bewirken eine Wende: Valerian & Veronique verlassen den Weltraum immer häufiger

Interessant ist, dass die sich hemmungslos bei Valerian bedienenden Stars Wars-Filme nun ihrerseits ab Band 7 das französische Autoren-Duo zwangen, ihre Helden Valerian und Veronique auf andere Abenteuer-Wege zu schicken – weg aus dem Weltraum, hinein in Zeitreisen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, etwa nach Brooklyn, Paris oder auf ein schottisches Geisterschloss…

Wohl unter dem Eindruck der massiven Star Wars-Anleihen leitete Valerian-Texter Pierre Christin nach eigenem Bekunden mit Band 7 eine Wende ein, Motto: Der Klügere (und kommerziell Schwächere?) gibt nach. Und wohl auch, um den Eigensinn der Serie zu unterstreichen. Nach dem Motto der Klügere gibt nach, entschied siich Valerian-Texter Pierre Christin unter dem Eindruck der massiven Stars Wars-Abkupfereien und des weltweiten Erfolgs der George Lucas-Kinosaga für eine radikale Wende: Fortan – ab Band 7 der SF-Reihe Valerian – schickte er die beiden intergalaktischen HGelden Valerian und Veronique nun bevorzug auf komplexe Zeitreise-Odysseen. Alles nur, um der Valerian-Kopie Star Wars im Weltraum nicht mehr in die Quere zu kommen. Das hat der Qualität der SF-Serie Valerian keinen Abbruch getan, wo hl aber vermisst man genau jenen überkümmerten Charme der Anfangszeit der 1970er und 1980er.

Von da an reisten Valerian und Veronique nicht mehr ausschließlich zu fernen Planeten, vielmehr traten nun ausgedehnte Zeit-Reisen in die Vergangenheit in den Vordergrund der Handlung: In „Das Monster in der Metro“ dt. 1981 (Métro Châtelet direction Cassiopée, 1980), verschlägt es Valerian denn auch plötzlich ins Frankreich des 20. Jahrhunderts, wo er u.a. auf ein Monster in der Pariser Metro, eine Seeschlange in den Sümpfen von Poitou und auf seinen von da an kontinuierlichen Pariser Kontaktmann Albert trifft. Im zweiten Teil des sich über zwei Alben ziehenden Gegenwarts-Dramas –  „Endstation Brooklyn“ 1981 (Brooklyn station terminus cosmos, 1981, Bd.8 der Reihe), jagen Valerian und sein neuer Wegbegleiter Albert geheimnisvollen Phänomenen hinterher, während Veronique sich weiter im Weltall verdingt. In Band 9 Trügerische Welten Trügerische Welten, 1982 (Sur les terres truquées, 1977) – zur philosophischen Tiefgang verratenden Frage Was ist Schein, was Wirklichkeit? - spüren Valerian, Veronique und die Historikerin Jadna dem großen Mister X nach, der es gewagt hat, das Archiv von Galaxity zu entschlüsseln und so vergangene Jahrhunderte künstlich via Illusionstheater herzustellen. Valerian wird in verschiedenen Zeit-Epochen (zwischen englischen Kolonialismus-Zeitalter in Indien und den Schützengräen des "Grande Guerre" 1814-1918 gleich mehrmals getötet, um dann dank Raum-Zeit-Sprung wiederaufzuerstehen, zudem hundertfach geklont...).

Im zehnten, ebenfalls sehr gelungenen Band, „Die Insel der Kinder“ 1982 (Les Héros de l'équinoxe, 1978), muss Valerian auf dem kinderlosen Simian-Planeten gewissermaßen als intergalaktischer Samenspender herhalten, zumal die Große Mutter von Filena an ihm sichtlich gefallen findet – dies alles sehr zum Missfallen Veroniques, die ihren Valerian nach getaner Mission ordentlich die Leviten liest…

Kalter Krieg auf der Erde, heißer Krieg im Weltall

Im elften Abenteuer der Serie „Die Geister von Inverloch“ , 1984 (Les Spectres d'Inverloch, 1984), – das Valerian und Veronique nach Schottland beamt, wo es angesichts eines wieder einmal drohenden Weltuntergangs Krisen- und Kriegsrat zu halten gilt. Die atomare Abwehr der Großmächte ist perdu, deren Oberkommandierende befinden sich im Delirium… und Christin & Mezières erlauben sich auch einen Insider-Gag der besonderen Art, in dem sie Bilal/Christins „Treibjagd“- Comicerzählung beim Treffen der westlichen Geheimdienstler grafisch zitieren… Valerian hat den auch für seine schottischen Gastgeber ein ganz besonderes Mitbringsel mit an Raumschiff-Bord: Den einer amphibischen Riesenqualle ähnelndem „Glapumtianer“ Ralf. Um die Bedrohung abzuwehren, müssen Valerian und Veronique im zwölften Folgeband „Die Blitze von Hypsis“ Bd.12, dt. 1986 (Les Foudres d'Hypsis, 1985) zum gleichnamigen Wanderplaneten, von wo aus die Gefahr für die Erde ausgeht… Dabei kommt es zu einer denkwürdigen Konfrontation mit keinem Geringeren als Orson Welles, der sich für nichts weniger als Gott hält… ein göttlicher Citizen Kane im Weltall sozusagen… mit einem Hippie als Jesus, einem einarmigen Bandit als heiligem Geist bildet er die heilige Dreifaltigkeit… (noch einmal in Bd.18 „Unsichere Zeiten)…

Spätwerk: Satire, Selbstzitate und Selbstironie statt SF-Geschichten

Zwar sind die Folgebänden bis zum furiosen Finale nicht ganz so gelungen wie diese ersten Bände, aber auch sie strotzen vor Ideen- und Einfallsreichtum, überraschenden Wendungen und illustren Weltraum-Figuren, vor allem aber jede Menge Selbstironie und Satire: So tritt in den letzten Alben als Hommage an Hugo Pratts echten Weltenbummler und großen Abenteuercomic-Klassiker Corto Maltese die verschrobene Figur des Leutnant Molto Cortese auf…(Unsichere Zeiten und in „Die Sternenwaise“ zieht sich Pierre Christin, der Valerian-Texter, als Krokodil ähnlicher, überkandidelter Drehbuchautor selbst durch den Kakao („Wozu noch Drehbücher schreiben? Es steht ja doch alles vorher fest…“).

 

Gerade bei den eher düster-beklemmenden, wenn auch ungemein turbulenten Bänden „Im Bann von Ultralum“ bis zum Abschlussband 21 „Die Zeitöffner“ hat man als Leser der VALERIAN-Saga das Gefühl, dass sich die Autoren fortlaufend selbst zitieren, in Selbstironie, Persiflage und Satire ergehen, darüber aber das Geschichtenerzählen im Sinne einer gesellschaftskritischen SF zusehends vernachlässigen… Es ist, als drehten sich die Verfasser zunehmend im Kreis…

Im letzten Band, der zum großen Stelldichein aller Figuren und Lebewesen der gesamten Valerian-Saga gerät (ganz ähnlich wie bei Hergés letztem vollendeten Tim und Struppi-Band von 1976, „Tim und die Picaros“), mutieren Valerian & Veronique am Ende zu Erden-Kindern… Als hätten die Autoren auf die Reset-Taste gedrückt: Alles wieder auf Anfang, Stanley Kubrick lässt grüßen… Mézières & Christin veräppeln sich selber, etwa, wenn sie eine Veronique/Laureline verdammt ähnlich sehende Schönheit auf den Schlussseiten sogar im ersten Valerian-Comic-Album „Schlechte Träume“ blättern lassen…

 

Der 22.Band „Souvenirs der Zukunft“ mit neun Kurzgeschichten ist sodann ein Valerian-Band für Eilige: Er gibt im Schnelldurchlauf einen raschen Überblick über die wesentlichen Kern-Episoden der 50 Jahre alten Saga, Valerian in Schnipseln sozusagen, zum schnellen Erfassen der Quintessenz der umfassenden Valerian-Erzählung…

Ohne Veronique wäre in Valerian das große Nichts

Die wahre Heldin der Geschichte der Serie ist Laureline alias Veronique…

 Sie ist die eigentliche, wahre Heldin der Valerian-Geschichten, seine bessere Hälfte: Valerians Partnerin Laureline (dt Veronique). Es ist ganz sinnfällig und treffend, dass die Serie – weltweit einmalig - im Dänischen Laura und Valentin heißt – sie wird, was die tatsächlichen Rangverhältnisse korrekt widerspiegelt, ZUERST genannt…Kein Zweifel: Laureline/Veronique hat im Weltraum-Kosmos des Duos Mézières /Christin die Hosen an, sie ist die Vordenkerin, nicht der gute, gerade in den letzten Alben oft nur durch seine Schwächen glänzende Valerian… Dass Veronique alias Laureline sich immer mehr zum Hauptstar der SF-Serie Valerian und Veronique entwickeln würde, war eigentlich nahezu vorprogrammiert. Sie ist nicht nur hübsch, sondern auch intelligent, klüger als ihr Counterpart Valerian, voller Intuition und Empathie, bleibt cool, wo Valerian oft schon am Verzweifeln, Durchdrehen oder mit seinem Latein am Ende ist… Natürlich ist Veronique ihrerseits inspiriert durch Jean-Claude Forests „Barbarella“ von 1962. So räumte Jean-Claude Mézières in einem Interview ein, Veronique sei „eine Art Enkeltochter von ,Barbarella‘“. Und natürlich stand auch eine französische SF-Serie wie Scarlett Dream“ von 1965 Pate bei dieser weiblichen Heldin der besonderen Art.

 Doch Veronique entwickelte sich schon früh weiter – weg vom attraktiven Anhängsel – hin zum eigentlich starken Part des Zweier-Gespanns: Schon im fünften Abenteuer, „Willkommen auf Alfolol“ (1972) zeigt sie Valerian die kalte Schulter, weil dieser sich an die rigiden Reservats- und Enteignungspläne der Kolonialmacht Galaxity gegenüber den wahren Ureinwohnern des Planeten Aflolol halten zu müssen glaubt…

 Und auch später, etwa wenn Valerian sich von einer feindlichen Spionin verführen lässt (Endstation Brooklyn) ist es, Veronique, die mit Charme, Espirit und Schläue einen kühlen Kopf bewahrt.

Déjà-vus ohne Ende im Reich der Tausend Anleihen: Stars Wars kupferte bei Valerian in Hülle und Fülle ab - Valerian als Blaupause für Luke Skywalker, Leila, Darth Vader  & Co

Dass Krieg der Sterne-Macher George Lucas und dessen Chefredsigner Ralph McQuarrie sich eifrig bei Valerian bedient haben, ist unter Kennern seit langem unstreitig:

 Das reicht vom in Karbonit schockgefrosteten Han Solo (gespielt von Harrison Ford) oder Anakin Skywalkers zerstörtem Gesicht unter der Darth-Vader-Maske: Szenen, die Filmgeschichte schrieben, und sich doch alle in Mézières‘ Comic-Universum etliche Jahre zuvor wiederfinden. Kritiker schreiben nicht zu Unrecht: Zwar sei Georg Lucas der Vater von Star Wars, die Mutter des Filmklassikers sei jedoch der französische SF-Comic Valerian.

 

Auch das einzigartig flache Design des Rasenden Millenium Falken ist eine nahezu durchgepauste Kopie des Raumschiffs, mit dem Valerian und seine Veronique schon seit 1967 – zehn Jahre zuvor – durchs Weltall jagen.

 

So sind die Star Wars-Wolkenstadt Bespin, das Einfrieren Han Solos in Carbonit, das Entfernen von Vaders Helm, Leias Metall-Bikini, der Schrotthändler Watto, selbst die Klon-Armee, aber auch Yodas Hütte und Cantina Elemente, die die Star Wars-Macher haargenau aus den Valerian-Comics übernahmen. Star Wars versus Valerian und Veronique: Hat also die Dunkle Seite der Macht von Valerian & Veronique abgekupfert?Ja, und wie! Der Ideenreichtum des Duos Christin/Mézières beeindruckte George Lucas derart, dass seine Star Wars-Hollywood-Crew sich hemmungslos aus den frühen Comic-Alben Valerian & Veroniques bedienten – von der Prinzessin Leila bis zu Han Solos Weltraumschiff, alles war, wie Valerian-Kenner wissen, dort schon mal da.

 Stars Wars kupferte bei Valerian & Veronique ab, was das Zeug hält:

So ließen sich George Lucas und seine Kino-Produzenten offenkundig durch Mezieres/Christins frühe Valerian-Geschichten inspirieren: Ein unheimlicher schwarzer Tyrannen-Herrscher-Orden, der sich hinter bedrohlichen Helmen verbirgt, mit andere Weltraum-Völker unterjocht, mit tief beklemmend metallerner Stimme spricht – all das, was wir aus „Stars Wars“ mit dem dunklen Imperium und seiner Tyrannen-Figur des Darth Vaders kennen, gab es zehn Jahre vorher in Valerian & Veronique bis ins grafische Detail schon einmal: In der frühen Valerian-Geschichte „Im Reich der tausend Planeten“ von 1972 begegnen Valerian und Veronique einer behelmten unheimlichen Herrscherclique der sogenannten „Kundigen“, die sich am Ende der Geschichte als schwer entstellte Überlebende Strahlungsopfer ehemaliger Erd-Astronauten entpuppt… 2005 Rache der Sith erleben wir auf der Leinwand einen Darth Vader, den kundige (!) Valerian-Kenner sofort als Kopie aus Valerian wiedererkennen… Das grausam entstellte wahre Gesicht der Kundigen – Szene aus Valerian 1971 Im Reich der Tausend Planeten wird in Rache der Sith sogar 24 Jahre später bildgleich aufgegriffen..

 Aber nicht nur das: Ganze Szenen, Figuren und Kulissen, Alien-Geschöpfe und Bösewichter, Raumschiffe aus „Valerian & Veronique“ finden sich zehn Jahre nach Erscheinen der französischen SF-Geschichten in den US-amerikanischen „Stars  Wars“-Filmen wieder… 

Auch die berühmte Szene als Luke Skywalker in eine Alien-Kneipe skurriler Weltraum-Monster tritt, ist schon im frühen Valerian zu finden…

 Und Schrothändler Watto aus Stars Wars mit Flügeln und großem Rüssel erinnert wie aus dem Gesicht geschnitten an Mezieres‘ Weltraumwesen der Shinguz, die geschäftstüchtigen Rüssel-Fabelwesen aus der frühen Valerian-Episode von 1975, „Botschafter der Schatten“.

Nicht minder unverfroren und dreist bedienten sich die Star Wars-Macher bei der schillernd-machtorientierten Figur des Botschafters in der Valerian-Abenteuer „Botschafter der Schatten“: Er diente den Hollywood-Abkupferern als Vorlage für den Darth Vader-Adjutanten Grand Moff Tarkin im ersten Krieg der Sterne-Film von 1977.

Auch die galaktische Kriegsflotte aus „Botschafter der Schatten“ 1975 erlebt ein unverhofftes Remake in Der Rückkehr der Jedi-Ritter in Form der Mon Calamari Raumschiffe…

Anders gesagt: Es wimmelt in Stars Wars nur so von Valerian und Veronique-Anleihen, George Lucas & Co haben sich – höflich gesagt - stark vom französischen Comic-Original des Duos Mezieres/Christin inspirieren lassen. Man könnte auch sagen: Züggelos abgekupfert, ohne je für diesen französisch-amerikanischen Ideen-Transfer bis in Hintergrund-Details hinein auch nur einen Dollar an die Pariser Urheber gezahlt zu haben.

 

So erleben diejenigen, die Valerian und Veronique zum ersten Mal lesen, wohl aber die Stars Wars-Filmsaga kennen, ein déjà-vu der besonderen Art: Han Solo und Prinzessin Leila ähneln frappierend dem französischen Original-Duo Valerian und Laureline (dt. Veronique).

 Erinnert sei auch an die Valerian’sche Klonarmee in „Trügerische Welten“ (Bd.9), 1977), die sowohl im Star Wars-Film von 1977 (The New Hope) als auch im Star Wars-Neuaufguss Attack of the Clones (2002) von den Hollywood-Strategen, ohne mit der Wimper zu zucken, gemopst wurde.

Auch im 1982 präsentierten Conan the Barbarian-Film gibt es Anleihen aus dem Valerian-Album „Die Vögel des Tyrannen“. Auch 1996er Kino-Blockbuster Independence Day lässst sich von Valerian und Veroniques Raumschiff inspirieren…

 

Im dänischen Dogma-Film ”Mifune's Last Song” (1999) des Regisseurs Søren Kragh-Jacobsen, huldigten hingegen der Serie Valerian auf andere Weise: Die Figur des Rud halt eine Darstellerin im Film für Veronique…

 

Pierre Christin sagte im Interview mit der Tageszeitung DIE WELT 2015: „Wissen Sie, mein Kollege Jean-Claude und ich, wir sind eher positiv eingestellte Menschen. Wir haben das eher als Kompliment gesehen. Aber nach dem gewaltigen Erfolg von „Star Wars“ gab es von uns dann eine andere Art Gegenreaktion. Wir hatten Valerian zehn Jahre lang interplanetarische Abenteuer bestehen lassen. Er traf Aliens, fremdartige Kulturen und auch Despoten, Mächte des Bösen. Nachdem „Star Wars“ diese Motive in seinem nachbarschaftlichen Universum absorbiert hatte, wussten wir: Wir müssen unsere Geschichten ändern.“

Sein Kollege, der Valerian-Zeichner Jean-Claude Mézières, hingegen nahm das hemmungslose Abkupfern weniger gelassen – er sei zwar regelrecht geblendet und auch neidisch gewesen ob swa Bilderrauschs in Star Wars, vor allem aber wütend und sauer über die Raubkopien aus Valerian…

 

Mézières hat sich so sehr über den offensichtlichen Designklau der Star Wars-Kinomacher aufgeregt, dass er ihn gleich selbst in einem Comic-Panel aufs Korn nahm, in dem Luke Skywalker, Prinzessin Leila, R-Zwo-De-Zwo & Co auf Valerian und Veronique treffen…

 

"Fancy meeting you here!" lässt er Leia auf dem Panel von 1983 (erschienen in “Pilote”) sagen. Worauf Veronique schlagfertig erwidert: "Oh, we've been hanging around here for a long time!"

 

Mézières hat des Weiteren darauf hingewiesen, dass Doug Chiang, der Designdirektor des Star Wars-Films “The Phantom Menace” (Die dunkle Bedrohung, 1999) eine ganze Latte an Valerian-Comic-Alben in seinem Archiv hortete.

Im Angesicht dieser massiven Star Wars-Anleihen bei Valerian Mézières schrieb an George Lucas, habe aber, wie er zum wiederholten Mal im Gespräch mit der angesehenen französischen Qualitätszeitung “Le Monde” im Juli 2017 betont, “nie eine Antwort erhalten.” Dies sei, ergänzt Valerian -Texter Christin, nicht gerade die höfliche Art seitens des Star Wars-Meisterregisseurs, der weder ein Dankeschön noch eine lobende Erwähnung über sich brachte. Christin sagt dies eingedenk der Tatsache, dass Science Fiction immer kompilatorischen Charakter habe, „jeder von jedem etwas übernimmt“. So sei Valerian natürlich von der SF-Literatur eines Ray Bradbury, A. E. van Vogt oder die Idee der Raum-Zeit-Patrouille von Paul Anderson beeinflusst worden. Aber, wie Jean-Claude Mézières in „Le Monde“ hinzufügt, sei George Lucas in Sachen Anleihen und Abkupferei noch immer Champions League. Gegen die Star Wars-Kopien auf Kosten von Valerian und Veronique nehmen sich die Anleihen eines René Goscinny (siehe COMICOSKOP-Artikel über Alec the Great, argentinische Comic-Inspirationen und den Einfluss der Don Camillo und Peppone-Filme geradezu läppisch und harmlos wie Petitessen aus.)

Die Bewohner des Himmels: Das Beispiel der Shinguz - prognosestarke Rüsselwesen, schlitzohrige Krämerseelen

Enormer Schwanz, verkümmerte Flügel, lächerlich wirkender, dicker Rüssel: So beschreibt Stan Barets die Shinguz im Geleiwort des sechsten Bands der Valerian-Gesamtausgabe. Diese bizarre Wesen erinnere „von seiner Haltung her an ein Känguru“, vermische aber die Elemente einer Eidechse mit einem Pelikan und einem Ameisenbären. Glupschaugen, drei Mägen und vierfingrige Händen runden das Bild dieser fremdartig-skurrilen Weltraum-Rüsselianer ab… Pierre Christin über die Entstehung der Shinguz: „Ich habe mir angewöhnt, Mézières eine ausreichende Dokumentation zur Verfügung zu stellen, was die von mir beschriebene Flora und Fauna betrifft. Bei den Außerirdischen begnüge ich mich damit, ihre Psychologie, ihre Herkunft und ihren Charakter zu beschreiben. Noch nie mussgte ich ihm die Wesen beschreiben, die ich im Kopf hattte, und das Vergnügen, ihnen ein Aussehen zu geben, liegt ganz bei ihm.“ Und Mézières ergänzt: „Die Shinguz waren anfangs lediglich Nebenfiguren, die Veronique eine Botschaft zu überbringen hatten. Durch ihr Aussehen schienen ihre Einsatzmöglichkeiten begrenzt. Doch als wir sie erst auf dem Papier hatten, entwickelten sie eine Art Eigenleben…“

Irgendwann bevölkerten derart viele Weltraum-Geschöpfe den Mézières’schen Mikrokosmos von Valerian und Veronique, dass sich die Autoren genötigt sahen, zwei Lexika über die „Bewohner des Himmels“ in Valerian herauszugeben (ein Band davon erschien auch in deutscher Sprache). „Es braucht viele Arten, um ein Universum entstehen zu lassen“ – so lautet das tiefsinnige Credo der rüsseligen Shinguz.

Kosmopolitisches Tohuwabohu, Weltraumoper mit Tiefgang: „Wir wollten über die heutige Welt sprechen, keinen angepassten 08/15-Science Fiction erschaffen“

Pierre Christin glaubt weder ans Gute noch ans Böse…„Ich glaube nicht, dass sich die Welt in Gut und Böse einteilen lässt, wie es die Amerikaner so gern tun“, umreißt VALERIAN-Texter Pierre Christin seine Philosophie in einem aktuellen Interview mit der Parier Tageszeitung „Le Figaro“ vom Juli 2017. Überhaupt interessiert ihn weniger die Sphäre der Regierungspolitik denn des Gesellschaftspolitischen: „Die wahren Helden sind die sozialen Spannungen.“ So konstatiert die Wiener Zeitung „Die Presse“: „Science-Fiction diente Christin als Eskapismusvehikel wie als „ideales Hilfsmittel, um die großen Veränderungen unserer Epoche zu beschreiben“. Und: „Klassenkampf und Feminismus, ökologische und soziale Ängste lieferten den Hintergrund für immer ausgeklügeltere Plots, die Mézières zu psychedelischen und poetischen Höhenflügen im Gestalten unglaublicher Fantasywesen und Schauplätze inspirierten. Um die Themen mixte man einen Cocktail aus Spannung und Humor.“

„Wir wollten mit Valerian und Veronique keinen angepassten 08/15-Science Fiction-Comic machen“…Themen wie Geschlechterkampf in Band 3 Land ohne Sterne, aber auch Umweltschutz und Ökologie in Band 4 Willkommen auf Alflolol legen davon Zeugnis ab, was Pierre Christin meint, wenn er sagt: Wir wollten bewust einen linken Comic machen, nicht im parteipolitischen Sinne, sondern von den Grundwerten her – schließlich seien in der Zeit, als Valerian entstand, das Gros aller Comics eher rechtsknsrervativ gewesen…

 Christin im Telerama-Interview /(Juli 2017) weiter: „Valerian war nie bloße Routine für uns… Wir wollten keine angepasste 08/15- Science-Fiction machen. Wir haben die polaren Elemente der Komödie, Liebesroman gemischt, gingen wir in den Kosmos und zur Erde zurückgekehrt. Wir begannen in einer turbulenten Zeit, aber außerordentlich optimistisch. Die 1960, 70er waren von der Eroberung des Weltraums geprägt, dann kam das Ende des Kalten Kriegs, der uns einen Glauben an die Zukunft gab. eitdem hat sich die Welt stark verändert. Es gibt einen deutlich düsteren Ton in den Valerian-Alben seit den 2000er Jahren.“

„Wir wollten über die heutige Welt sprechen. Die Science Fiction erlaubt es uns, alle Arten von Themen zu diskutieren, und das auf sehr freie Weise… Die Valerian-Alben der 1970er Jahre sind sehr politisch: Die Meister der Vögel erinnern an die Macht einer totalitären Diktatur, in Welt ohne Sterne die feministische Bewegung erinnert, Willkommen bei Alflolol ist der erste ökologische Comic. Jedes Valerian-Abenteuer versteht sich auch als eine Art Fabel. Und wie in den echten Fabeln, gibt es da immer eine Moral der Geschichte. Ich fand damals, eine Menge von Comics waren dummerweise ziemlich reaktionär, ich wollte aus Valerian einen guten links-humanistischen Comic machen. Es ging uns nicht um Engagement im parteipolitischen Sinne oder um eine politische Ideologie. Es ging einfach darum, eine Reihe von Grundwerten zu verteidigen. Wir haben einen Comic geschaffen, der zwar durchaus auch von Kindern im Alter von nur zehn Jahren werden kann, er basiert aber auch auf einem kulturellen, soziologischen, gelegentlich literarischen Kern für diejenigen Leserinnen und Leser, die es interessiert…“ Es gehe ihm, wenn er in Valerian die Vision der multikulturellen Vielfalt entfalte, so formulierte Christin einmal im „Nouvel Obsérvateur“ „um die Annahme des radikalen Andersseins“…

Valerian-Vorläufer: Zwischen Futuropolis (1937/38), den Pionieren der Hoffnung (1945 ff.) und Barbarella (1962 ff) bis Scarlett Dream (1965)

Valerian hat – anders als die Tsunami-Welle der Kino-PR-Artikel zum Valerian-Film Luc Bessons insinnuiert – keineswegs den Stein der Weisen in Sachen SF-Comic gefunden. Auch stimmt ganz und gar nicht, dass Christin/Mezières die Einzigen waren, die eine Frau als SF-Comicheldin ins All schickten, wie dieser Tage fälschlich oft zu lesen und hören ist…

 

GANZ IM GEGENTEIL: Es gab jede Menge, qualitativ herausragender Vorläufer, nicht zuletzt in den 1960ern, die Christin/Mézières fraglos inspiriert haben dürften:

 

So gab es schon 1936/37 den frühen französischen SF-Klassiker Futuropolis von René Pellos, der bis heute als einer der besten SF-Comics europäischer Prägung gilt.

 

Nicht minder bahnbrechend waren von 1945 an die Pionniers de l’Espérance » (Pioniere der Hoffnung) von Roger Lécureux und Raymond Poïvet, die in der Comic-Zeitschrift der Kommunistischen Partei Frankreichs erschienen und heute einen nach wie vor lesenswerter Klassiker des SF-Comics darstellen. 1946-48 schuf Kline zudem die SF-Comicserie „Kaza le martien“. Gerade in den 1960ern – und noch deutlich vor Valerian und Veronique! – setzten SF-Comicperlen wie Jean-Claude Forests Barbarella 1962, aber auch Scarlett Dream von Robert Gigi/Claude Moliterni (1965), und Paul Gillons Schiffbrüchige der Zeit (ab 1964) und Philippe Druillets Lone Sloane von 1966 innovative Maßstäbe im europäischen SF-Comic… Und, im gleichen Jahr 1967, als Valerian und Veronique ihr Debüt feierten, brachten Greg und Zeichner Eddy Paape ihre charmanten, wenn stilistisch etwas hölzernen belgischen SF-Evergreen "Luc Orient" auf den Markt. Ganz zu schweigen von Roger Leloups bis heute erscheinender SF-Serie im semirealistischen Ligne Claire-Stil, „Yoko Tsuno“, deren Heldin von 1970 an Veronique als SF-Heldin Konkurrenz machte.

In Westdeutschland sah man den Wert dieser Science Fiction-Comics kaum, typisch waren Urteile des bundesdeutschen Feuilletons wie jenes von Fritz J. Raddatz: Er beschrieb Jodelle 1967 in der „Zeit“ Serien wie Jodelle, Barbarella und Phoebe Zeit-Geist zwar als  „die neuen Heldinnen der westlichen Welt“, wertete sie aber zuugleich als „Dienerinnen eines modischen snob appeals“ ab, die nur „dem lesenden Analphabeten […] dienen sollten“.

Valerian in  (West-)Deutschland: Von „Zack“ 1973  zu Carlsen 1978 bis heute

Die Serie Valerian feiert ihr Debüt in (West-)Deutschland 1973 im Comic-Magazin „ZACK“… dort erhält der SF-Comic auch seinen im Titel leicht veränderten heutigen Namen… Von 1978 an erscheint die Serie sodann, auf Betreiben des dänischen Mutterhauses in Kopenhagen und des verantwortlichen Redakteurs Jens Pedder Agger, auch auf Deutsch…

 

Inzwischen liegt die Gesamtausgabe mit 21 Bänden vor, ein weiterer Band  „Souvenirs der Zukunft“ erschien ebenfalls im Hamburger Carlsen Verlag – die Serie gehört laut Verlagsangaben zu den Bestsellern im Comicprogramm.

 

Zuletzt hat man auch die schmucken Hardcover-Bücher der Integral-Gesamtausgabe (je drei Alben in einem Band) in sieben Ausgaben auf den deutschen Markt gebracht. Zum 50. Jubiläum des deutschen Carlsen-Comics-Programms 2017 erschien auch eine Sonderausgabe mit den beiden Geschichten Bd. 3 Das Land ohne Sterne“ und Bd. 4 „Willkommen auf Alflolol in einem kleineren Format („Two-in-One“). Zudem ist eine Filmausgabe unterm aufs Maskuline verkürzten Titel „Valerian“ erschienen, die die beiden von Luc Besson verfilmten Geschichten beinhaltet – Im Reich der tausend Planeten und Botschafter der Schatten. 2018 wird es exakt vierzig Jahre sein, dass die Albenreihe VALERIAN in der Bundesrepublik startete.

Seit 1973 sind die Bewohner des Himmels und beiden SF-Helden Valerian und Veronique in Westdeutschland erschienen – zunächst im Springer-Magazin ZACK des weitsichtigen, comickundigen Gigi Spina. 1984 – Die Erde ertrinkt (Heft 23/1973).

1978, vor fast 40 Jahren, übernahm der heutige Hamburger, damals Reinbeker Carlsen Verlag die Serie.

Die Gesamtreihe ist seit 2010 mit Band 22 auch hierzulande abgeschlossen, in zwischen liegt das Gesamtwerkin einer bibliophilen siebenbändigen Hardcover vor.

 

Unbegreiflich ist jedoch, dass der Carlsen Verlag die normale Albenreihe offenbar nicht regelmäßig nachgedruckt hat (anders als in Frankreich das Mutterhaus der Serie Valerian, Dargaud).

 

Das führt dazu, dass Händler ihr Unwesen treiben – und etwa die offenbar begehrten Bände 18 und 21 geradezu kriminell hohe gesalzene Sammlerpreise erzielen, von 60-70 Euro aufwärts pro gebrauchtem Valerian-Album. Aber, gemach: Wer das erste Abenteuer von Valerian in Pilote Nr 420 von 1967 erwerben will, ist bei eBay mit über 600 US-Dollar dabei (in Kombination mit einer anderen Pilote-Rarität).

Im November 1992 war Jean-Claude Mézières zu Gast der von COMICOSKOP-Herausgeber Martin Frenzel organisierten 1. Mainzer Comic-Tage 1992: Von dort stammt Mézières persönliche Zeichnung, eingedenk einer denkwürdigen Podiumsdiskussion im Mainzer Institut Francais u.a. mit André Juillard und Baru…

 

Pierre Christin erhielt 2010 den Erlanger Max-und-Moritz-Comicpreis für sein Lebenswerk. Der Erlanger Lebenswerk-Preis für Mezieres hingegen wäre überfällig: 2018 zu dessen 80. Geburtstag?  

PILOTE-Album VALERIAN SPECIAL zum Filmstart

Zum 50. Jubiläum hat sich der Pariser Stamm-Verlag Dargaud eine schöne Überraschung ausgedacht: Ein Valerian-Sonderband in Gestalt einer in Hardcover gehaltenen PILOTE Spezial-Ausgabe. Zu Ehren jener legendären, einst von René Goscinny zur Blüte gebrachten Erwachsenencomic-Zeitschrift „Pilote“.

 

Wie in Frankreich/Belgien üblich, erweisen zahlreiche andere Autoren dem Geburtstagskind durch Hommage-Seiten ihre Reverenz - so etwa Christophe Blain mit einer übergroßen Veronique in Lila, Mathieu Bablet, Nicolas Barral, Blutch, Wilfrid Lupano und Mathieu Lauffray, Mathieu Bonhomme ehrt Mézières, den verhinderten Westerncomic-Zeichner, mit einer atemberaubenden Cowboy- und Bisonjagd, ehe der Reiter von einem Raumschiff aufgesogen wird - und sich als Jean-Claude Mézières entpuppt, der von Valerian spitz gefragt wird: "Nun, Jean-Claude, wann zeichnest Du uns einen Western?"Weitere Beiträge stammen von Dominique Bertail ("Laureline & Valérian"), Eric Coneyran / Olivier Balez, Thierry Smolderen/Alexandre Clérisse, Manu Larcenet/Salch, Richard Marazano/Christophe Ferreira, André Juillard, Thierry Martin, Fabcaro & Serge Carrère mit einer Albert Enzian (Achille Talon)-Satire auf Valerian, José Luis Munuera, Julien & Mo/CDM, René Pétillon, Emmanuel Guibert, Denis Bajram, Guillaume Bouzard, Terreur Graphique, F'murr, Jean-David Morvan/JI SU, Mathieu Sapin, Annie Goetzinger...  Außerdem präsentiert der bibliophile Hardcover-Band ein Werkstatt-Interview mit den beiden Autoren, bisher unveröffentlichte Valerian und Veronique-Comics, Zeugnisse von Persönlichkeiten, darunter Luc Besson und einen Teil der Filmcrew ; eine Vorschau auf den nächsten Homage-Valerian von Lupano und Lauffray; die Hintergründe zur Serie Valerian…ein Artikel bietet ungeahnte Einblicke in die Arbeitsweise des Autoren-Duos: hie Christins als Faksimilie abgedruckten exakten "Regieanweisungen" für Text, Dialogen, Figuren-Psychologie, dort Mézières grafische meisterhafte Umsetzung. SF-Legende Stan Barets publiziert hier einen seiner letzten Artikel vor seinem plötzlichen Tod: Über die Wurzeln der Science Fiction im Allgemeinen und Besonderen ("Comme j'ai vu naitre la S-F / Wie ich die Geburt der Science Fiction sehe)...Ein 136seitiges, vierfarbiges, reich bebildertes Valerian-Kompendium, das im deutschen Sprachraum seinesgleichen sucht. Preis in Frankreich: 10,95 Euro.

Neue Film-Doku: Valerian – Die Geschichte eines Comic-Werks

Im Blickpunkt dieser neuen TV-Doku über die Entstehungsgeschichte steht nicht der film, sondern der Comic und seine Macher, Pierre Christin und Jean-Claude Mézières: Es ist ein Blick hinter die Kulissen, eine Art 52minütiger Werkstatt-Bericht über die SF-Kultserie Valerian und Veronique. Ausgestrahlt wurde die Doku erstmals am 25. Juli 2017 auf dem französischen Sender SCO Max.

 

So erzählt die TV-Dokumentation die Geschichte von Valerian und Veronique, Interviews mit den Autoren, aber auch älterer Bilder. Der Betrachter begegnet so Jean-Claude Mézières und Pierre Christin hautnah.

 

Warum Veronique zur heimlichen Heldin der Serie geriet, kommt ebenso zur Sprache wie O-Töne des Weggefährten und Kollegen Enki Bilal. Aber natürlich auch Filmemacher Luc Besson.

Im Comicoskop-Porträt: Jean-Claude Mézières (geb. 1938)

Der Panel-Phantast: Jean-Claude Mézières

Eigentlich ist an ihm ein begnadeter Westerncomic-Zeichner verloren gegangen. Und wie wir aus Interviews mit ihm wissen, wäre der erste gemeinsame Comic mit seinem Weggefährten Pierre Christin um ein Haar ei eine Bildgeschichte im Western-Milieu geworden, ehe man sich fürs SF-Metier entschied. Dank Valerian avancierte Mézières alsbald zum Stanley Kubrick der grafischen Literatur. Jean-Claude Mézières kam am 23. September 1938 in Paris zur Welt. Er debütierte in der Gratis-Gazette „Le Journal de Jeunes“ im Jahr 1951 – gerade mal dreizehn Jahre alt. Mit fünfzehn besuchte er sodann vier Jahre lang die Pariser Kunsthochschule. Hier stieß Mézières auf seinen von da an engen Freund und Jahrgangskollegen Jean Giraud (der sich später auch Moebius nannte), aber auch auf Pat Mallet. Zwischen 1955 und 1961, noch während seines Kunststudiums war Mézières als Freelance Mitarbeiter tätig für Zeitschriften wie „Fripounet et Marisette“, „Coeurs de Vaillant“ und nicht zuletzt „Spirou“. Fürs Studio Hachette war Mézières seit 1961 als Layouter und Grafiker tätig, zudem kooperierte er mit Jean Giraud mit Blick auf die Reihe „L‘ histoire des civilisations“. Eine Weile lang arbeitete Mézières in den frühen 60ern für ein Werbestudio, das der Sohn Jijés, Benoit Gillain, ins Leben gerufen hatte.

 Er diente dreißig Monate in Algerien als Soldat in Diensten der französischen Armee – „das war die Hölle“, so Mézières im Rückblick, der darob zum Kriegsgegner und Antimilitaristen wird. 1965 brachte eine zentrale Wende seines Lebens: Mézières verließ seine angestammte Heimat Frankreich, um den Kopf frei zu bekommen, ging ins gelobte Land Amerika, wo er sich u.a. als Cowboy verdingte.

In der Mormonen-Metropole Salt Lake City in Utah traf Jean-Claude Mézières seinen Freund aus Kindheitstagen, Pierre Christin, wieder, der dort an der Hochschule als Dozent für französische Literatur aktiv war. Erstmals kennengelernt hatten sich die Beiden während der deutsche Besatzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg in einem Luftschutzbunker… 1966 starteten die Beiden ich Seelenverwandten in „Pilote“ mit der Kurzstory „Le Rhum du Punch“, der Legende nach finanzierte die Gage das Rückflugticket nach Frankreich…

 

Nur zwei Jahre später – inzwischen wieder zurück in Frankreich – starteten die Beiden ihren SF-Comic im Magazin „Pilote“ – es war der 9. November 1967, als Valerian zum ersten Mal seine Zeit- und Raum-Abenteuer erlebte. Dabei erhielten sie kräftige Unterstützung durch den legendären „Pilote“-Chefredakteur und Star-Szenaristen René Goscinny…“ Er gab uns beiden Debütanten eine Chance“, so Mézières im Gespräch mit der Illustrierten „Telerama“, „wir waren auch stark geprägt durchs US-amerikanische Satiremagazin „MAD“. Er, Goscinny, habe nur gesagt: „Bitte eine Flut von Gags, meine Herren!“ In der Tat lassen sich Jack Davis & Co. in Spurenelementen beim Meister erkennen. In seiner “Pilote”-Zeit arbeitete Mézières nicht nur mit Christin als Texter zusammen, sondern auch bei einigen Kurzgeschichten mit Fred, Reiser, Lob und sogar mit René Goscinny.

„Mit der Geschichte vom Reich der eintausend Planeten haben wir uns unsere eigene Weltraum-Oper geschaffen“, so Jean-Claude Mezieres verschmitzt.

 Dabei entwickelte Mézières einen ganz eigenen innovativen grafischen Stil – weg vom Spirou-, Jijé- und Derib-Zeichenstil der Anfänge in Valerian – hin zu einem erwachseneren, nach wie vor, was die Figuren anbelangt, semirealistischen, aber doch deutlich naturalistischeren Strich. Dies alles gepaart mit grandiosen Panel- und Seitenkompositionen – ein wahres Grafik-Feuerwerk aus atemberaubenden Kulissen und Szenerien im Weltraum oder einer ungekannten Spannbreite mal uriger-skurriler, mal bedrohlicher Galaxie-Wesen, lange vor der Dino-Welle im Kino… Das Hergé-Prinzip und der Ansatz der frankobelgischen Zeichenschule prägt indes auch seine Werke: Hohe Akkuratesse bei den Hintergründen und Kulissen, bei Raumschiffen, Planeten und Landschaften, eher lockere Linienführung bei den Figuren.

Kein Geringerer als Will Eisner lobte Mézières‘ Zeichenstil, verglich ihn gar mit Winsor McCay wegen seines “enormen turmhohen Wisens um Perspektiven und die Solidität im Seitenaufbau“ seiner Comics. Kein Wunder, dass seine Valerian-Comics nicht das Kino stark beeinflussten. Auf Bitten Luc Bessons schuf Mezieres gemeinsam mit Jean Giraud überdies das Design für den Film Das fünfte Element.Horst Schröder lobt, Mézières verstehe es vielleicht am erfolgreichsten „die Errungenschaften der experimentellen Comics mit der Erzähldisziplin und der von der Karikatur beeinflußten Menschenschilderung der Populärcomics“ zu vereinbaren. Und weiter: Mézières‘ Zeichnungen in ‚Valerian‘ stellen eine harmonische Synthese zwischen traditionellen französisch-belgischen Stil und den grafischen Experimenten beispielsweise der französischen Kunstcomics oder auch der amerikanischen Unterhaltungsserien. Dies zeigt sich nicht zuletzt in Mézières‘ feinem Gespür für Layout und Tiefenwirkung in den Raumszenen.“ Mézières hat denn auch grandiose Splash und Split Panels der Weiten des Weltraums geschaffen, die vorher und nachher so in dieser Form nicht im Comic zu sehen waren…1984 erhielt Mezieres den Großen Preis des Festivals in Angoulême (“Prix Alfred”)

Im Comicoskop-Porträt: Pierre Christin (Linus)

Der Politik- und Literatur-Professor: Pierre Christin alias Linus, Jahrgang 1938

Er gilt als einer der bedeutendsten Comic-Texter Europas: Geboren am 27. Juli 1938 in Saint-Maindé bei Paris als Sohn eines Friseurs und einer Maniküre löste er als 68er den konservativen Vieltexter Jean-Michel Charlier ab, wenn es galt eine Vielzahl von qualitativ hochwertiger Szenarios für namhafte Comic-Zeichnerinnen und –Zeichner zu fertigen. Seine Produktivität war und ist immens: Pierre Christin lehrte nach dem Studium der Politikwissenschaft und der französischen Literatur an der Sorbonne zunächst in den USA, wo er seinen Jugendfreund Jean-Claude Mézières wiedertraf. Gemeinsam mit diesem entwickelte Christin, der damals noch unter dem Psedonym Linus arbeitete (eine Reverenz an seine große Liebe zu Charles M. Schulz‘ „Peanuts“-Zeitungscomic, den er in den USA neben MAD bevorzugt las), die Idee zum SF-Comic Valerian – deutlich beeinflusst durch SF-Romane eines Ray Bradbury, Isaac Asimov oder Philip K. Dick, aber auch von Comics wie Forests „Barbarella“ und „Scarlett Dream“ von Robert Gigi/Claude Moliterni.

Während er – wieder in heimische Gefilde Frankreichs zurückgekehrt – an der Universität Bordeaux lehrte, entfaltete Piere Christin im Wege eines Alter Ego eine ungeahnte Schaffenskraft als immer auch hochpolitischer Comic-Texter: So entstanden die preisgekrönten „Legendes d’aujourd’hui“ (Legenden von heute), wunderbare Polit-Comicerzählungen der besonderen Art mit seinem anderen kongenialen Zeichner Enki Bilal (wie „Die Stadt, die es nicht gab“ oder „Treibjagd“), in denen er sich mit dem Scheitern der Utopien der Linken auseinandersetzte (Spanischer Bürgerkrieg, Gewaltfrage, linker Terrorismus, Zusammenbruch des gefrorenen Ostblocks etc.). Für die Zeichnerin Annie Goetzinger entstanden nicht minder spannende Werke politischer Bildgeschichte (Die Diva, Fräulein von der Ehrenlegion).

Während Christin alias Linus in seiner Frühzeit Texte für Comic-Künstler wie  Jean Giraud, Jijé und Mazel, aber auch Jean Torton, Florenci Clavé und Raymond Poïvet sowie Alexis entwarf, folgten später auch Comic-Drehbücher für einen Claude Auclair ('Jason Muller'), Jean Vern ('En Douce le Bonheur', 'La Maison du Temps qui Passe', etc.) und nicht zuletzt für den jungen, damals noch wenig bekannten Jacques Tardi ('Rumeurs sur le Rouergue' / dt. Aufruhr in der Rouergue). Mit seinem Freund André Juilllard realisierte Christin jüngst 2011 die schöne Bildgeschichte „Lena“. 1996 erhielt Pierre Christin zu Recht den deutschen Comic-Oskar auf dem Internationalen Comic-Salon Erlangen: Den Max-und-Moritz-Preis in der Kategorie Bester internationaler Szenarist. 2010 folgte ebenfalls in Erlangen der Max-und-Moritz-Sonderpreis für ein herausragendes Lebenswerk.

Christin schrieb auch zahlreiche Romane und arbeitete zudem fürs Theater.

 „Träume“, sagte Pierre Christin einmal, „Träume, traumhafte Visionen und Tagträume haben eine sehr große Bedeutung für mich. Sie sind eine meiner Inspirationsquellen, aus denen ich nach Belieben schöpfen kann und deren Ergebnissse ich in meinen Szenarios verwende.“

Die Farben-Frau im Hintergrund: Évelyne Tranlé

Sie sorgte für die hervorragende Farbgebung in Valerian und Veronique: Evelyne Tran-Lé, die Schwester Jean-Claude Mézières‘, die es in exzellenter Manier verstand, die Weltraum-Phantasien und intergalaktischen Aliens ihres Bruders in ein adäquates Farbkleid einzupassen. Auch über Valerian hinaus machte sie von sich als einer der profiliertesten und besten Comic-Koloristinnen im frankobelgischen Sprachraum von sich reden, etwa als Koloristin der Westerncomic-Serie „Leutnant Blueberry“ von Jean Giraud & Jean Michel Charlier. In der Kurzfilm-Doku „ L'Histoire de la page 52“ (Die Geschichte der Seite 52) wird ihr, der Farben-Frau im Hintergrund, am Beispiel ihrer siebentägigen Arbeit an der 52. Seite des Albums „Souvenire der Zukunft“ von Jean-Claude Mézières und Pierre Christin, ein kleines Denkmal gesetzt. Sie hat aber – neben den stolzen 22 Valerian-Alben – für eine Unzahl anderer, zum Teil namhafter Comic-Künstler die Farbgebung übernommen:

Darunter für die Serie Agar von Robert Gigi und Claude Moliterni, sogar für ein Asteri-Album von Albert Uderzound René Goscinny (Asterix und der Avernerschild), vier Blueberry-Alben von Jean-Michel Charlier und Jean Giraud (4 albums), den Westerncomic Comanche von Hermann und Greg, den Comic-Klassiker des 2015 ermordeten Charlie Hebdo-Starzeichners Cabu, Le Grand Duduche, den Erotikcomic Lili Fatale von Gérard Lauzier, Freds poetisches Meisterwerk Philémon, aber auch Torpedo von Enrique Sanchez Abuli und Jordi Bernet… 

Nestor des französischen Science Fiction und Forderer der innovativen Comic-Kultur: Valerian-Förderer Stan Barets ist tot

Von ihm stammten die kenntnisreichen Vorworte der bibliophilen Gesamtausgabe der Reihe Valerian und Veronique, am 18. Juli ist er überraschend noch vor der Premiere des neuen Valerian-Kinofilms in Frankreich gestorben:

 Stanislas Barets (1949-2017) galt als Nestor der französischen Science Fiction, aber auch als Comic-Kritiker und –Verleger von Rang, machte sich als Schriftsteller, Kritiker, Buchhändler, Übersetzer und Frankreichs vermutlich bester Science Fiction-Kenner einen Namen. Er war auch Gründer der ersten, heute legendären Spezialbuchhandlung für Science Fiction-Literatur aller Art, Temps Futurs (Zukunftszeiten), die er mit Verve zusammen mit seiner Frau Sophie im Pariser Quartier Latin betrieb… und er schrieb für zahlreiche Magazine wie z.B. Fiction, Univers, Science-Fiction magazine und Métal hurlant. Aus seiner Feder stammte auch eine zweibändige Fassung des Lexikons „Le science-fictionnaire” (eine umfassende Encyclopédie zur science-fiction). Auch als Comic-Kritiker war Barets eine Instanz.

Moebius, Druillet, Mézières, Tardi, Hugo Pratt, Yves Chaland gingen bei ihm und seiner Buchhandlung der anderen Art ein und aus. Für Glénat war er Chefredakteur der beiden innovativen Erwachsenencomic-Magazine Circus und Vécu. Er hob auch das Comic-Jahrbuch « L’Année de la BD » aus der Taufe.

 Er war auch Chefredakteur des französischen Playboy und arbeitete für Hachette Collections an der Enzyklopädie Planète BD.

 Er gab enorme innovative Impulse, etwa, als er mit Akira den Manga nach Europa holte und die ersten dreizehn Ausgaben der japanischen postatomaren Saga von Katsuhiro Otomo aus dem Englischen übersetzte (1990-1995).

 Dies markierte den Beginn der Manga-Welle in ganz Europa.

Abgesegnete Persiflage durch Manu Lancernet

Lucky Luke hat es vorgemacht: In dieser neuen Spezialreihe werden abgeschlossene Bände aus dem bekannten Universum von "Valerian und Veronique" von verschiedenen Künstlern gestaltet. Den Auftakt macht ein Abenteuer aus der Feder von Manu Larcenet:

 Valerian & Veronique Spezial 1: Die Rüstung des Jakolass… Er greift den Unfall im Raum-Zeit-Kontinuum auf, um seine eigene Variante von Valerian zu zeigen – zugleich verbeugt er sich – wenn auch voller beißendem Spott - vor den Schöpfern der Serie. Valerian mal ganz anders ... siehe die COMICOSKOP-Rezension dazu HIER:

Endstation Kino: Luc Bessons Valerian-Filmadaption

Star-Regisseur Luc Besson hatte bereits mit dem SF-Kinofilm „Das fünfte Element“ eng mit Valerian-Zeichner Jean-Claude Mézières zusammengearbeitet – und gilt zudem als bekennender Valerian-Fan von Kindesbeinen an.

 Doch erst jetzt, 2017, wagte sich der Cineast Besson an einen Valerian-Kinofilm…

 Adaptiert wird der Comic vom französischen Starregisseur Luc Besson. Valerian wurde mit dem US-Schauspieler Dane DeHaan besetzt, der in "The Amazing Spider-Man 2" den Bösewicht gab, und Veronique wird von der Britin Cara Delevigne gespielt, die als IT-Girl und Modell startete und sich zu einer interessanten Schauspielerin entwickelt hat.

Ein SF-Comic mit Eigensinn: Die Zukunft der Kinder des Kosmos steht in den Sternen

Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden: Wir sind alle Kinder des Kosmos. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, bestehen wir Menschen aus Sternenstaub. "Millionen oder gar Milliarden Jahre wabern sie als Staub durch das Universum, bis sie sich erneut mit anderen Atomen zusammenballen, verklumpen und einen neuen Stern samt Planeten hervorbringen. Im Schnitt hat jedes Atom auf der Erde, somit auch jedes Atom des menschlichen Körpers, bereits vier solche Zyklen hinter sich."  Eine solche Reise des "rasenden Sternenstaubs", aus dem wir alle gemacht sind, könne demzufolge bis zu zwei Milliarden Jahre dauern, ehe daraus wieder etwas durch Atomverklumperei wird... Weiter heißt es in dem SZ-Artikel über die neuesten Erkenntnisse US-amerikanischer Wissenschaftler: "Von dem Zustrom vagabundierender intergalaktischer Partikel profitieren vor allem große Galaxien. Für sie ist es ein bedeutender Wachstumsfaktor. Besitzt eine Galaxie 100 Milliarden Sterne oder mehr, so wie die Milchstraße, dann hat sie im Laufe ihres Daseins rund die Hälfte ihrer Materie aus intergalaktischen Partikelwinden zusammengesammelt. So kommt es, dass gut die Hälfte aller Atome auf der Erde und somit der Bausteine jedes menschlichen Körpers bereits eine lange Reise durch die Weiten des Alls hinter sich hat."

Kein Wunder also, dass Valerian und Veronique derart visionär per Raum-Zeit-Sprung durch die Milchstraße jagen - es bleibt ihnen gar keine andere Wahl...

Jean-Claude Mézières und Pierre Christin haben mit dem SF-Comicklassiker Valerian und Veronique einen Meilenstein des AF-Comicgenres geschaffen – der auch in 50 Jahren, um 100. Jahrestag der Comic-Erzählung 2067 allgemeines Wohlgefallen beim künftigen Publikum bewirken dürfte. Ähnlich wie Stanley Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum-Kinoklassiker von 1968 könnte man zu etlichen Valerian und Veronique-Comics gut Richard Strauß‘ „Also sprach Zarathustra (Strauss) dazuhören… (Richard Mahlers 0. Symphonie wäre auch eine Option oder das Adagio aus der ersten Gayaneh-Suite von Aram Chatschaturjan…)

Ähnlich wie Kubricks Filmwerke oszillieren auch die Valerian und Veronique-Comics zwischen Ordnung und Chaos, stiften so eine Conditio humana, wie sie dem Autoren-Duo Christin & Mézières vorschwebt.

Gewiss, wir leben in unsicheren Zeiten, die Botschafter der Schatten lauern überall, oft kommt uns unser eigenes Leben vor wie ein Land ohne Sterne…die Kreise der Macht operieren oft am Rande des großen Nichts… Auch wenn nicht nur unsere, sondern auch die Zukunft Valerians und Veroniques in den Sternen steht (etwa, die Frage, ob Christin & Mézières für die Zeit nach ihnen eine Fortsetzung der Serie durch einen dauerhaften Nachfolger gestatten – immerhin wagen Wilfrid Lupano und Mathieu Lauffray nun erstmal Ende September einen Erstling - und ob Besson seinen tollkühnen Plan, zwei weitere Valerian-Kinofilme dranzuhängen, wirklich realisieren kann) – wir leben eben in trügerischen Welten - , eins steht heute schon fest: Ein Wiederentdecken der alten Valerian und Veronique-Geschichten, insbesondere jener aus den 1970ern und 1980ern, lohnt allemal. Die Geschichten haben nichts an Charme, Faszination und Qualität eingebüßt, man liest sie nur mit neuen Augen – immer wieder gerne. Christin/Mézières haben allemal eine Weltraumoper in Comicform geschaffen, die gerade wegen ihres langen Atems, eines Panoptikums phantastischer Figuren und Wesen, und ihrer verschlungenen Pfade ihres gleichen sucht. Wenn ein Satz zur Comic-Serie Valerian und Veronique und ihren beiden Autoren passt, dann dieser, aus Alexander Kluges Chronik der Gefühle: Menschen (hinzugefügt: Comic-Serien) haben zweierlei Eigentum: Ihre Lebenszeit und ihren Eigensinn.“

 

KLAUS ALBECK

 

 

Sämtliche Abbildungen auf dieser Seite: Soweit nicht anders angegeben: (c) Dargaud Editeur und die Autoren Jean-Claude Mézières /  Pierre Christin (deutscher Verlag: Carlsen Verlag, Hamburg). Fotos aus Star Wars: (c) 20th Century Fo x / George Lucas Film / Walt Disney Productions

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