Wohl keine Serie besaß in den letzten dreißig Jahren in Europa eine derart fulminante Wirkung wie François Bourgeons Comic-Saga „Reisende im Wind“: Die fünfbändige, pralle, burlesk und spannend erzählte Abenteuergeschichte um die ebenso attraktive wie nonkonformistisch gesinnte Adelige Agnès de Roselande. Um jene Antiheldin, die durch einen fatalen Kleidertausch der Marke Kaspar Hauser, wider Willen in die Rolle der Waisen Isabeau de Marnaye gedrängt wird, und ihre Liebe zum einfachen, wohl aber mit gesundem Menschenverstand ausgestatteten bretonischen Schiffsmatrosen Hoël Tragan, ihre Irrfahrt auf dem französischen Kriegsschiff "Foudroyant"... Bourgeon schildert eine Heldinnenreise: Vom Atlantik ins englische Portsmouth, von dort nach Westafrika, dann weiter in die Weiten der Karibik, nach Santo Domingo... Auf dieser Odyssee erleben Isa und ihre Weggefährten Höhen und Tiefen - es geht um Leben und Tod, Vertrauen und Intrige, Macht und Ohnmacht, Gefühl, Sex und Sinnlichkeit, Freiheit, Gleichheit und Eigensinn, Rassismus, Sklaverei und Geldgier...
Die „Reisenden im Wind“ setzten Anfang der 1980er Jahre gleich in dreifacher Hinsicht Maßstäbe: Zum einen löste die akribisch recherchierte, virtuos gezeichnete, farblich von Bourgeons
Kirchenglasmaler-Vorleben profitierende Ende des 18. Jahrhunderts spielende Abenteuer-Saga „Reisende im Wind“ in Frankreich/Belgien einen ungeahnten Boom des Genres der Geschichtscomics aus. Zum anderen war Bourgeons opus magnum der Beleg, dass der Comic auch auf epischer Breite zu erzählen versteht – die „Reisende im Wind“ sorgten maßgeblich dafür, dass der Comic als grafische Literatur Anerkennung fand. In der damals noch westdeutschen Bundesrepublik trug Bourgeon mit seiner Ballade der besonderen Art wesentlich zum Erfolg der Autorencomic- und Erwachsenencomic-Welle der 1980er und frühen 1990er Jahre bei.
Altmeister Francois Bourgeon feierte am 5. Juli seinen 70.Geburtstag: Der französische Comic-Erzähler wurde 1945 in Paris geboren, entwickelte Comic-Leidenschaft durch die Lektüre von "Spirou" und "Tintin" von Kindesbeinen an, lebt in der Bretagne, fühlt sich als Wahl-Bretone.
Er studierte die Kunst der Kirchenglas-Malerei école des métiers d'Art, was insbesondere sein Meisterwerk „Les passagers du Vent“ (dt. Reisende im Wind) prägen sollte.
1971 feierte er sein Debüt mit einigen Illustrationen in „Lisette“ und „Nade“. Dort lernt er auch Claude Lacroix kennen, mit dem zusammen er Jahrzehnte später den SF-Comic Cyann kreiert.
Seine erste Kurzgeschichte erschien 1972 unter dem Titel „L’Ennemi vient de la mer“ (Text: Cécile Romancère). Für den Verlag Fleurus entstanden in jenen frühen Jahren eine Unzahl von Kurzgeschichten: Frühe Fingerübungen zu dem, was später kommen sollte. Erwähnenswert vor allem: Die noch ein wenig unausgegorene, aber dennoch wegweisende Mittelalter-Comicgeschichte „Brunelle et Colin“ (dt. Britta und Colin)
mit Texter Robert Génin, die im Magazin „Djin“ erschien und später von Didier Convard fortgesetzt wurde. Für die von der KPF herausgegebene
Zeitschrift Pif Gadget schuf er „Le Serpent de Mer und Le Secret de Wilhelm Storitz (Text: Bertrand Solet nach Geschichten Jules Vernes); La Vouivre nach Bernard Clavel. 1978, ein Jahr vor der dem Wendepunkt „Reisende im Wind“, brachte er zusammen mit Pierre Dhombre „Maitre Guillaume et le journal des batisseus de cathédrales“ heraus.
1979 gelang Francois Bourgeon der Durchbruch
mit dem Start seiner auf fünf Bände angelegten Abenteuer- und Seefahrer-Saga "Les Passagers du Vent" (dt. „Reisende im Wind“) – die heute zu den Meilensteinen der modernen Comic-Geschichte überhaupt gehört und längst den Rang eines Klassikers der europäischen Comic-Geschichte einnimmt.
Die Idee zur Serie kam im, als er seiner zweiten großen Leidenschaft, dem Modellbau frönte, als er eine Fregatte aus dem 18.Jahrhundert nachbaute... Die Handlung spielt denn auch in den 1780er Jahren.
Die Reisende im Wind-Geschichten veröffentlichte Jacques Glénats Erwachsenenscomic-Magazin „Circus“ in Fortsetzungen, ehe sie dann in Albenform erschienen. Bourgeons Lebenswerk zog nicht umsonst eine
Welle neuer Geschichtscomics in Frankreich/Belgien nach sich – und in diesem Fahrwasser eine Nouvelle Vague das Geschichtscomic-Magazin „Vecu“.
Bei den „Reisenden im Wind“ entpuppte sich Francois Bourgeon als ein wahrer Meister der Darstellung menschlicher Abgründe
– getreu dem Satz Georg Büchners: „Jeder Mensch ist ein Abgrund“. Mehr noch: Als ein Zauberer der aufwendigen historischen Kulissen, der ausgeklügelten, verschachtelten mal sinnlich-erotischen, mal derb-brutalen Intrigen- und Ränkespiele, als Erneuerer des Genres der Geschichtscomics. Bourgeon war und ist zweifelsohne ein heimlicher Liebhaber der Gothic Tales, der Schauergeschichten… und seine lebensnahen Geschichten erscheinen stets als Ode an das Hässliche und das Schöne im Leben gleichermaßen. Glück und Freiheit liegen in Bourgeons Figuren- und Geschichten-Universum dicht neben Schrecken, Verhängnis und Unterdrückung... Francois Bourgeon verstand es mit seinem Hauptwerk "Reisende im Wind" virtuos, eine hohe Erzähldichte zu erreichen.
Literarisch rekurriert Bourgeons Figur der Isa nicht nur auf dem Topos der Heldinnenreise, sondern auch auf der Vorstellung der Frau als Heimatlose, Getriebene, wie man sie schon in Jakob Christoffel Grimmelshausen 1670 in dem Roman „Trutz Simplex oder
Lebensbeschreibung der Erzbetrügerin und Landstörtzerin Courasche“ findet…
ER erneuerte das Genre grafisch, weil er im wahrsten Sinne des Worts den Rahmen der klassischen Panels sprengte, mit filmisch anmutenden Mitteln auf Panoramen, Totale und Nahaufnahmen, Split und Splash Panels setzte, je nach Gusto.
Er erneuerte den Geschichtscomic erzählerisch, weil er es wagte Geschichtsträchtiges aus der radikaldemokratischen
Perspektive einer Frau zu erzählen; Isa alias Agnès erschien so als
Verkörperung der Französischen Revolution, als
Ikone des Credos „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit (und
Schwesterlichkeit) – und reihte sich ein in die heimliche Traditionslinie in der frankobelgischen Bildergeschichte des „J’accuse“ und „Indignez-vous“ (Empört Euch), weil er Geschichte hier
nicht aus dem Blickwinkel der Herrschenden vor den Augen der gebannten Leserschar entfaltete, sondern aus der anarchisch-subversiven Perspektive der Außenseiter und Unterdrückten.
Er erneuerte aber auch die Gattung, weil er es – nach Hugo Pratts legendärer „Südseeballade“ – als einer der ersten wagte, das
Zwangskorsett des 48-Seiten-Erzählrahmens abzulegen – und den Comic-Roman salonfähig zu machen – und dafür den nötigen langen Atem bewies. Und er setzte Maßstäbe als Meister der
leuchtenden Farben, weil er ein faszinierendes, beklemmendes Panoptikum an vielschichtigen Figuren erfand und durch
die „milchige“, plastische, von der Kunst der Glasmalerei inspirierte Façon seiner Farbgebung durch Gouache-Farben demonstrierte,
dass Kolorierung im Comic weit mehr sein kann als nur bonbonfarben und kunterbunt.
Mit den „Reisenden im Wind“ erneuerte François Bourgeon nichts weniger als die grafische, erzählerische und inszenatorische Dimension des Autorencomics: Ihr Erscheinen stellt so gesehen eine Zäsur
dar, glich einer Kulturrevolution in der neunten Kunst. Auch, weil er sukzessive ein Faible für starke emanzipierte Frauen entwickelte.
Und er erwies sich – hier ein würdiger Urenkel und Erbe Hergés, Edgar Piere Jacobs‘ und Jacques Martins – als einer, der nicht nur die Personen- und Typen-Charaktere des Plots, sondern auch die akribisch recherchierten Hintergründe ernst nimmt – wovon ausgiebige kostüm-, bau- und militärgeschichtliche Studien, aber auch atemberaubende Natur- und Landschaftsszenen (vor allem Afrikas) Zeugnis ablegen. Bourgeon studierte das Aussehen der Schiffen, erwies sich als begnadeter Modellbauer, als einer, der nicht auf das Äußere, sondern
auch und gerade das dunkle Innere dieser Fregatten der Weltmeere setzt.
Was Peter Greenaway im Kino schaffte, leistete er, Francois Bourgeon, im Comic: Ähnlich wie dieser („Der Kontrakt
des Zeichners“) avancierte letzterer zum Philosophen des anspruchsvollen europäischen Autorencomics. Ersann er doch eine neue, mutige Bildsprache im Comic.
Ganz im Sinne des Greenaway-Credos: „Im Kino müssen wir uns
erst einmal von der Tyrannei befreien, und es sind deren vier: die Tyrannei des Texts, die Tyrannei des Schauspielers, die Tyrannei des Bildausschnitts und, am allerwichtigsten, die Tyrannei der Kamera. Der Film muß sich von der Kamera trennen, um sich aus der Sklaverei zu befreien. Denn da bin ich mir ganz sicher: Die Kamera steht dem Film im Weg. Auch Bourgeon befreite die Gattung des
grafischen Erzählens von konventionellen Zwängen, stieß das Tor zu neuen Ufern auf, indem er die Panelaufteilung revolutionierte.
Unvergessen die Szene, als Mary, die englische Weggefährtin Isas im zweiten Band des Zyklus‘ Reisende im Wind ihre Niederkunft auf dem Fluchtboot mitten auf dem tosenden Meer erfährt: Wohl noch nie hatte dies jemand derart hautnah in Nahaufnahme im Comic gezeigt wie Bourgeon. Überhaupt: Gerade die Reisende im Wind gehen auch heute, beim nochmaligen Lesen, unter die Haut. Können es locker aufnehmen mit Marlon Brandos „Meuterei auf der Bounty“ und Robert Louis Stevensons "Die Schatzinsel". "Die Reisenden im Wind" waren stets eine Illustration des schönen Satzes von Alexander Kluge: "Menschen haben zweierlei Eigentum: Ihre Lebenszeit und ihren EIGENSINN."
Der französische Comicforscher Patrick Gaumer nennt „Reisende im Wind“ eine lange Fabel über Toleranz, die Gleichheit aller, der
Geschlechter, die Serie sei ob ihrer Empfindsamkeit ein zentrales Meisterwerk in der Geschichte der frankobelgischen neunten Kunst.
Mehr noch: „Reisende im Wind“ geriet zur atmosphärisch
gekonnten Allegorie auf Freiheit und Gleichheit und erreichte damit eine philosophische Tiefe, wie sie nur wenige Comic-Erzählungen vorher und nachher ihr eigen nennen.
Die melodramatische Saga „Les Passagers du Vent“ führt Isa, Hoel und Co. Von den dramatischen Ereignissen auf der Fregatte Foudroyant bis zum Sklavenschiff „Marie-Caroline“ – wir befinden uns im Zeitalter des Ancien Régime, am Vorabend der Französischen Revolution, von Aufklärung und konservativ-adeliger Reaktion – über die Gefangenschaft in England bis zum brisanten Thema der Sklaverei in Westafrika, nach Dahomey und an die Gestade von Benin … Die fünf Episoden der Gesamtsaga entspannen sich im Journal „Circus“ von 1979 bis 1984. Zwischen 1980 (La Fille Sous la dunette" / dt. "Blinde Passagiere") und "Le Bois d'ébène" (dt. "Gefährliche Fracht") 1984 erschienen die Geschichten zudem als Album. 2009 erreichte der Comic-Klassiker "Reisende im Wind" allein in Frankreich/Belgien eine Gesamtauflage von über einer Million verkauften Exemplaren. Inzwischen liegen Übersetzungen in 18 Sprachen der Welt vor. Bereits 1980 erhielt Bourgeon auf dem Comic-Festival im südwestfranzösischen Angoulême, Europas größtem Festival für grafische Literatur überhaupt, auf Anhieb den Prix Alfred als "bester Zeichner des Jahres". 1991 kürte die Angoulême-Jury zudem den dritten Band der Serie "Gefährten der Dämmerung" zum besten Comic des Jahres ("Fest der Narren"). 2002 ehrte ihn das kleine, aber feine französische Comic-Festival von Blois mit dem Grand Boum-Caisse d'Epargne-Preis für sein Lebenswerk. Was sonderbarer Weise bis dato in der Sammlung der Auszeichnungen fehlt (und dies völlig zu Unrecht), ist der Grand Prix von Angoulême - obschon diese hohe Ehrung längst überfällig wäre...
Nach der Alben-Edition – in Deutschland zunächst in der westdeutschen Bundesrepublik bei Carlsen (der im Übrigen wegen den „Reisenden im Wind“ zunächst das Label „Carlsen Special Comics“ einsetzte, dann 1984 von Tobias Meinecke die Titelrechte fürs bahnbrechende Label „Comic Art“ kaufte) und dann
bis heute gesamtdeutsch im bibliophilen Bielefelder Splitter Verlag – war lange Funkstille.
Doch dann ließ François Bourgeon seine legendäre Serie in zwei Bänden („Bois Caiman“) wiederaufleben – wenn auch auf den Spuren der im US-Sezessionskrieg wandelnden Urenkelin Isas, Isabeau Murrait genannt „Zabo“, und ihrem Weggefährten, dem Fotografen Coustans, (und Auftritten Isas nur noch in Rückblenden), im Südstaaten-Louisiana des Jahres 1862.
Dort erleben die Leserinnen und Leser ein déjà-vu: Ein Wiedersehen mit
der stark gealterten Isa, Urgroßmutter der jetzigen Heldin…, über 80 Jahre nach den Jugenderlebnissen auf der Marie-Caroline…
Zwar ist dieser späte New Orleans-Zyklus nicht minder minutiös recherchiert, spannend und klug erzählt; aber das Fehlen der faszinierenden Farbgebung der frühen Reisende im Wind-Bände
stellt ein Manko dar.
Seine Mittelalter-Ballade „Les Compagnons du crépuscule (dt. Die Gefährten der Dämmerung), die 1981 das Licht der Welt erblickte, imponierte als eine Mischung aus Umberto Ecos „Der Name der Rose“ und Fantasy – und erschien zunächst im Magazin „Géant“ bei Hachette. Jedoch konnte die Serie zunächst nicht weitererscheinen, da das Magazin rasch wieder von der Bildfläche verschwand.
1983 erschien die Saga „Gefährten der Dämmerung“ in einer revidierten Fassung – diesmal in Castermans stilprägender, jahrelang erfolgreicher Erwachsenencomic-Zeitschrift „A Suivre“ (bis 1990).
Dieses opulente Mittelalter-Opus handelt von einem ungleichen Trio, dem geheimnisvollen Ritter ohne Gesicht, der rothaarigen Mariotte und dem Opportunisten Anicet - wobei vor allem der dritte Band von 1990, Le Dernier Chant de la Malaterre“ (dt. „Das Fest der Narren“, in bibliophil-exzellenter Aufmachung im Bielefelder Splitter-Verlag erschienen) als 124seitige opulente Mittelalter-Ballade der anderen Art hervorsticht. Gerade dieser Band verdient das Prädikat "Besonders wertvoll".
Das Ganze spielt vor dem Hintergrund des Hundertjährigen Krieges in der Zeit von 1337 bis 1453, jenem Konflikt zwischen England und Frankreich, als insbesondere die englische Könige mit Gewalt nach
der französischen Krone strebten – und eine Johanna von Orléans von sich reden machte…
1993 folgte Bourgeons grafisch gekonnter, aber erzählerisch kaum die gleiche fulminante und bahnbrechende Wirkung wie „Reisende im Wind“ erzielende Weltraum-Wurf „La Source et la Sonde (Le
Cycle de Cyann) (dt. Cyann – Tochter der Sterne: Der sterbende Planet) – gemeinsam mit dem Claude Lacroix. Die
SF-Serie Cyann begann ebenfalls in der inzwischen verblichenen Zeitschrift „A Suivre“.
Lacroix assistiert ihm dem Meister jedoch nicht beim Szenario, das dieser selbst schreibt oder den Dialogen – auch die besorgt
Bourgeon persönlich. Sondern Lacroix hilft bei der Ausgestaltung der
technologisch verbrämten Planeten-Welten, wie Bourgeon in Interview erzählte, hat mithin eine ähnliche Rolle inne wie einst Roger Léloup („Yoko Tsuno“) für den Maestro Hergé.
Im Blickpunkt des „Cycle de Cyann“ steht die hübsche Cyann Olsimar, Mitglied der Upper Class ihres Heimatplaneten Olh. Ihr Name ist Programm: Bedeutet er doch, wie wir erfahren, in der Sprache der Olh-Bewohner nichts weniger als "Freiheit". Zu Anfang der SF-Saga erleben wir eine eher von standesgemäßer Hybris geprägte, hochnäsige Femme Fatale. Die Umstände machen aus der freiheitsliebenden Egomanin jedoch eine Jeanne d'Arc des Weltraums, die sich auch für die Freiheit aller, nicht nur der eigenen einsetzen muss: Eine todbringende Pest bedroht den Planeten – und Cyanns Mission besteht nun darin, auf einer Weltraum- und Planeten-Heldinnen-Odyssee durch Raum und Zeit ein Gegenmittel zu finden…
Wie es im französischen SF-Comic Tradition hat (siehe Valerian & Veronique von Mézières/Christin) finden sich in der SF-Serie "Cyann" allerlei kritische Anspielungen auf unsere Gegenwart (Kapitalismus, Spaltung der Gesellschaft, Machtwahn..., Korruption...).
Sechs Alben sind nun in in 21 Jahren erschienen – und damit ist nun auch diese Saga Bourgeon zufolge abgeschlossen.
1998 heimsten Bourgeon/Lacroix in Angoulême den Prix Public (den Preis der Öffentlichkeit) fürs zweite Cyann-Album ein.
Wegen des Verkaufs von Casterman an Flammarion lieferten sich Bourgeon und sein Compagnon Lacroix einen heftigen juristischen Schlagabtausch mit dem die Autorenrechte aus seiner Sicht nicht mehr in gewohnter Weise achtenden Traditionsverlag. Er wechselte mit Cyann zunächst zu Vents d’Ouest, dann zu 12bis – und ist nun bei Delcourt gelandet.
Das Magazin Le Point lobte Bourgeons feines Talent, für die einzelnen Alben seiner Werke poetisch-einfühlsame, treffsichere Titel zu finden; ein Talent, das sonst nur ein Cosey (Jonathan“) unter Beweis stelle.
Alles in allem erzählt Francois Bourgeon immer wieder vom Freiheitssinn starker Frauen - denen es, trotz größter Schwierigkeiten gelingt, alle erdenklichen Klippen am Ende zu umschiffen..
Ganz egal, in welchem Genre er sich gerade tummelt: Immer bilden Text, Bild und Inszenierung eine Einheit. Neuerdings arbeitet der Altmeister François Bourgeon an einem ein- und zweibändigen, wieder völlig innovativen Comic-Werk – indes, wenn man ersten Hinweise glauben darf, erstaunlicherweise nicht mehr als romanesker Zyklus, wie bei den drei Vorgänger-Werken, sondern in Gestalt von Kurzgeschichten. Man darf gespannt sein.
Für heute bleibt nur noch: Herzlichen Glückwunsch zum 70., Monsieur Bourgeon, mögen Sie noch lange ihre wunderbar burlesken Bildergeschichten erzählen.
Martin Frenzel
COMICOSKOP-Herausgeber, -Gründer und -Chefredakteur: Martin Frenzel, seit
1981 als Comicforscher aktiv. Gründungsmitglied der Gesellschaft für Comicforschung (ComFor) 2005. Spezialgebiete: US-amerikanische Klassiker, frankobelgische Comic-Kultur, deutsche
Comic-Geschichte nach 1945, skandinavische (insbesondere dänische) Comic-Kultur. Arbeitet an einer Doktorarbeit über Politik im Comic. Liest die "Reisenden im Wind" seit Anfang der 1980er Jahre -
und schrieb erstmals über die Serie aus der Feder Francois Bourgeons vor 31 Jahren, 1984, im "Regionalblatt" (eine damals erscheinende Alternativ-Wochenzeitung in Mainz) und im Feuilleton der
Mainzer "Allgemeinen Zeitung". Sein Urteil: "Reisende im Wind" ist einer der zehn Comics, die man unbedingt mit auf die Insel nehmen sollte...