War Nick Knatterton wirklich eine Parodie auf James Bond, wie manchenorts formuliert, wohl auch vom Zeichner und Autor Manfred Schmidt selbst? Einflüsse werden auch den US-Figuren Nat Pinkerton und Nick Carter zugeschrieben (in Heft-Form erschienen, der letzt Genannte in Nachdrucken auffindbar). Vom Gepräge wie vom intellektuellen Anspruch ist der gute Nick Knatterton wohl eher als Zwilling von Arthur Conan Doyle´s Sherlock Holmes zu sehen (Mütze! Pfeife! Eierkopf! Spruch: „Kombiniere!“), wenn ein Gehilfe à la Watson hier auch fehlte . Tatsächlich diente ihm nach anderer eigener Aussage die Verkörperung des Sherlock Holmes durch Hans Albers als Vorlage. Apropos Kaliber: Auch der Augen zwinkernde Superhelden-Status kommt eher von eben denen statt von James Bond… Apropos Parodie: Geboten war im Kern ja ganz anderes, nämlich politische Satire. So ging es vordergründig z.B. im Wilden Westen um die „Die Goldader von Bloody Corner“, doch nutzte der durch Weltkriegserfahrung zum Pazifisten gewordene Manfred Schmidt die Chance, gegen Bundeskanzler Konrad Adenauer und die geplante Wiederbewaffnung zu „schießen“:
Politik wie Finanzamt und Wirtschafts-Unternehmen nahm Manfred Schmidt munter aufs Korn – und dabei eine eher "linke" Position ein. So gesehen, mag
mancher Nick Knatterton durchaus als Vorläufer auch von Zeitschriften wie „Pardon“, „konkret“ und „Titanic“ (auch schon 40!) sehen. Was auch für manche platte Äußerungen und (in bezug auf
Frauenfiguren) kurvenreiche Darstellungen gilt, wie sie heute kaum mehr als politisch korrekt durchgehen könnten, etwa sein Frauenbild – damals durchaus zeitgemäß… Satire ist ja eine deutsche
Spezialität, von „Kladderadatsch“ über “Simplicissimus“ und „Die Fackel“ bis eben zu den genannten Magazinen, aufgenommen etwa auch durch andere Comics wie dem berühmt-grotesken
„Schindelschwinger“ (siehe Besprechung hier auf www.comicoskop.de).
Manfred Schmidt, der Schöpfer des Detektivcomic- und Satireklassikers NICK KNATTERTON, lebte von 1913 bis 1999 - und war erklärter
Comic-Hasser. Er war Sproß aus einer Familie von Papierfabrikanten-Erben, kam am 15. April 1913 im Harz (Bad Harzburg) zur Welt, wuchs jedoch in Bremen auf...
Paradoxerweise wollte Manfred Schmidt eigentlich nie Comic-Zeichner werden, sondern, im Gegenteil, das Medium als trivial entlarven. Dies mißlang - glücklicherweise - gründlich. Schmidt sagte einmal über seine Figur NICK KNATTERTON, den Meisterdetektiv mit Karoanzug und Pfeife im Mund: "Zehn Jahre meines Lebens hat mir dieser Kerl zur Hölle gemacht." Und weiter: " „Es war so schauerlich – und deshalb sagte ich zu diesem Herrn ‚Soweit werden wir hier in Deutschland nicht runterkommen!‘ Dann guckte ich mir die Sache aber durch und sagte dann: ‚Das müsste man so parodieren, dass den Leuten die Lust an dieser dümmsten literarischen Form, die es gibt, vergeht.‘“
Das "war unglaublich harte Arbeit für ihn, eigentlich hatte er einen Widerwillen gegen Comics", erzählt denn auch seines Tochter Annette Riedhammer. Seine Serie NICK KNATTERTON erschien von 1950 (vor 70 Jahren genau) bis 1959 in der westdeutschen Illustrierten QUICK, mithin mitten in der Adenauer-Ära, zwischen sogenanntem Wirtschafts-"Wunder", DM-Nationalismus und einer systematischen Verdrängung und Verharmlosung des NS-Massenmords und seiner Verbrechen gegen die Menschlichkeit...Schmidt selbst hatte sich als Zeichner, Illustrator und Trickfilmer mit der NS-Zeit arrangiert - wie Millionen anderer Deutscher. Er war in der Nazi-Zeit Presse-Illustrator in Goebbels' Propagandaministerium. 1942 begegnete er sodann bei den Panzergrenadieren Eberswalde einem gewissen Vicco von Bülow, damals regimetreuer Wehrmachtsleutnant. Lajut Schmidt habe man ihn denunziert (in der deutschen Denunziantengesellschaft unterm Hakenkreuz gängige Methode), er landete als Witze-Pressezeichner für die Wehrmacht an der Ostfront, zeichnete dort in der NS-Postille "Panzer voran".
Die Begegnung Schmidts mit von Bülow geriet zum Schlüsselerlebnis: Daraus erwuchs eine lebenslange Freundschaft, mit dem später so
berühmten Loriot. NICK KNATTERTON fiel also nicht vom Himmel, hatte Vorläufer: Eine erste, in Chicago spielende Detektivgeschichte schuf Schmidt bereits 1935
fürs Magazin "Grüne Post": „Das markante Kinn ist schon da und auch der gegen alle Gesetze der Zeichenkunst durchkarierte Mantel. Schmidt musste die Figur nach dem Krieg nur als Comic
wiederbeleben.“ Ehe Schmidt zur "Quick" stieß, hatte er u.a. für Erich Kästners ganz bewusst pazifistisch gestimmtes Jugendmagazin "Der Pinguin" gearbeitet... deren Ziel es war, den braun
verseuchten West-Deutschen die Demokratie nahezubringen. Der westdeutsche Comic-Sherlock Holmes zog denn auch die bleierne Adenauer-Wiederaufbau-Zeit durch den Kakao, nahm Politik, die
Wirtschafts-Eliten der Ludwig Erhard-Zeit aufs Korn.
Gewürzt waren die Nick Knatterton-Geschichten immer auch mit einer Prise Erotik
-
jedenfalls gemessen an den prüden
Standards der 1950er...
Es war die Zeit, als die FDP Nordrhein-Westfalen zum Sammelbecken alter SS-Chargen geriet und unverhohlen eine Generalamnestie für alle braunen NS-Täter forderte (Middelhauve, Best, Achenbach, Naumann und Konsorten).
Manfred Schmidt umriss den schnellen Erfolg mit NICK KNATTERTON einmal so: „Die Leute waren schon so verblödet, dass schon in den ersten sechs Wochen die Auflage der ‚Quick‘ wegen Knatterton, wie nachher nachgewiesen wurde, um ein Drittel stieg, sodass sie bald schon auf einer Million war. Und da musste ich weitermachen.“ NICK KNATTERTONs Erfolgsrezept: Eine Mischung aus Sex, Crime und Polit-Satire. O-Ton Schmidt dazu: „Der Redakteur sagte mir: Wenn du Busen und Popo zeichnen kannst, dann ist schon alles gerettet. Und dann irgendeine Klamotte, eine politische oder irgendwas, eine Anspielung auf die Tagesereignisse. Das kam ja automatisch: Man saß da und versuchte, das möglichst unterhaltsam zu machen, also auch für Erwachsene.“
Nach der Knatterton-Zeit rief Schmidt in seinem Haus am Starnberger See gemeinsam mit seinem Freund Loriot ein Trickfilmstudio ins
Leben.
Der im Leipziger Comicplus Verlag zum 100jährigen Manfred Schmidts veröffentlichte Band „Oh, Nick Knatterton“ enthält erstmals die erste Geschichte
der Serie NICK KNATTERTON, so, wie sie in der "Quick" zum Abdruck kam. 1959 - im letzten Jahr der Comic-Serie - feierte die westdeutsche Realverfilmung mit Karl Lieffen in der Hauptrolle
Kino-Premiere, u.a. mit Gert Fröbe und Günther Pfitzmann in prominenten Nebenrollen. Dieser Film, aber auch zahlreiche Merchandising-Werbeeinsätze Nick Knattertons mehrten den Ruhm des
messerscharf kombinierenden Meisterdetektivs. Auch wenn Schmidt sich danach nie wieder aufs Comic-Parkett wagte, stattdessen hin und wieder Cartoons (Markenzeichen Manfred Schmidts: Seine
populären Wimmelbilder aus Stadt und Strand) und Reisereportagen veröffentlichte; seine zahlreichen humorvollen Talkauftritte im Fernsehen schadeten dem Nachruhm Nick Knattertons mitnichten...
1979 gab es folgerichtig auch eine Zeichentrickfilm-Version. Eine ursprünglich bei Lappan erschienene Gesamtausgabe gibt es - nach dessen Übernahme - dankenswerter Weise im Hamburger
Carlsen-Verlag. Das Hannoveraner Wilhelm Busch-Museum widmete dem Universum Manfred Schmidts und seiner erfolgreichen Comic-Figur NICK KNATTERTON 2013 eine sehenswerte Retrospektive.
Das freilich erlebte der Meister nicht mehr: Er starb am 28. Juli 1999 am Starnberger See. Genau dort, wo sich auch sein Weggefährte Loriot alias
Vicco von Bülow niedergelassen hatte.
Manfred Schmidt formulierte sein Credo mal so:
„Die Welt ist ja von einer derartigen Grausigkeit. Und die Humoristen sind ja komischerweise auch die, die überall die Dekoration wegbrennen, dahinter gucken und mehr sehen wollen und dadurch Sachen sehen, die man doch am besten doch lieber vergisst, nicht wahr.“
Martin Frenzel
Manfred Schmidt selbst lässt sich in eine Tradition à la deutschen Zeichnern wie Lyonel Feininger reihen, sah er sein Metier doch eher
als Karikaturist, Fotograf und Reise-Schriftsteller. Allerdings zeichnete er einen frühen Knatterton-Vorläufer bereits in den 1930er Jahren, in denen er für die B.Z. und andere Publikationen
tätig war – später dann auch für Goebbels' NS-Propaganda-Ministerium, durchaus karikierend statt verherrlichend. Überliefert ist ein erstes Blatt, das Schmidt wenig später im Berliner
Ullstein-Verlag veröffentlichte. Im „Sohn des Meisterdetektivs“ sieht man den frühesten Vorläufer Nick Knattertons: Schon im karierten Anzug und mit Pfeife.
Wer weiß, vielleicht hätte er sich gar in einer Linie gesehen mit Karikaturisten („Cartoonisten“) wie F.K. Waechter, F.W. Bernstein – oder gar George Grosz. Wenn auch wortreich statt „ohne Worte“, erinnert mancher Seitenhieb durchaus auch an Erich Ohsers/E.O. Plauens versteckte Gesellschaftskritik in „Vater und Sohn“.
Durchaus textlastig sind sie ja, die Panels, mit Sprechblasen plus ergänzenden Texten, die Grenzen schon mal überschreitend, gar zwei Panels
verbindend und so das Seriell-Episodisch-Sequenzielle offenlegend. So hat sich Manfred Schmidt zudem durchaus um die deutsche Sprache verdient gemacht, auch darin Vorreiter etwa von Dr. Erika
Fuchs. Anders als jene („Dem Ingeniör ist nichts zu schwör“, Erikativ & Co.) konnte er frei darauf los schwadronieren, entfiel doch „fremde Original-Sprache“ wie bei den Barkschen
Disney-Comics… Bei Nick Knatterton gilt allemal: Viel Wortwitz ist geboten! Beispiele?! „Kombiniere, ich muss einen kühlen Kopf behalten“ (der gerade von einem Schneeball getroffen wurde).
Manches erinnert an Heinz Erhardt, siehe etwa „Die erste Baustelle in meinem Leben, die wie gerufen kommt!“ oder „Ich habe erfolgreich auf Sand gebaut“. Flotte Sprüche, elegante Feder, schlaue
Stories: gelungene Bilder-Geschichten!
Kaum publiziert, schon plagiiert, von Willi Kohlhoff für die Schmuddel-Zeitschriften „Black
Bill“ und „Eros“ von Hermann Gerstmayer, wie Eckart Sackmann (mit Detlef Lorenz) in „Deutsche Comicforschung 2020“ bei comicplus+ in einem ausführlichen Artikel darstellt („Willi Kohlhoff:
Meisterdetektiv Archibald Schnüffel“, S. 81ff.). Er hatte zudem zum 100. Geburtstag vom Manfred Schmidt 2013 eine Sonder-Edition heraus gebracht, siehe https://www.comicplus.de/knatterton.html.
Auch ein ostdeutsches Gegenstück zu „Nick Knatterton“ gab es, als solches klar identifizierbar: „Waputa, die Geierkralle“, eine Wildwest-Satire, die Herbert Reschke 1954 erfand,
um den deutsch-deutschen Konflikt aus Sicht der DDR-Führung ironisch zu kommentieren. Einzelne Figuren der konträr agierenden „Bonnatschen“ waren als westdeutsche Politiker dabei erkennbar, etwa
Erich Ollenhauer oder oder den ultrarechten FDP-Politiker Erich Mende vom national-liberalen Flügel... (siehe den Platthaus-Bericht zur Ausstellung im Wilhelm-Busch-Museum Hannover zum 100.
Geburtstag des Zeichners). Womit sich gar ein Kreis schloss, siehe oben: Adenauer…
Wobei auch der Zeichner selbst schon mal Anleihen nahm, etwa beim Kollegen Loriot:
Schon einige Jahre früher hat Lappan (heute bei Carlsen) „Alle aufregenden Abenteuer des berühmten Meisterdetektivs“ im Querformat gebunden heraus gebracht: Der Band ist nach wie vor lieferbar, siehe https://www.carlsen.de/hardcover/nick-knatterton/80274.
Fein, dass der (Carlsen-)Verlag diesen Comic-Band gar mit seinem Lehrer-Portal verbindet: „Carlsen Lehrerportal: Hier finden Sie passende Lektüre für Kita, Kindergarten und Schule, und vergünstigte Prüfexemplare. Es gibt kostenlose Themen des Monats, Minimodelle und über 100 Unterrichtsmodelle zum Download – selbstverständlich auf die von der Kultusministerkonferenz verabschiedeten Bildungsstandards ausgerichtet.“ Das ist mal ein Wort, denk ich an Comic-Deutschland etwa in den 1970ern …
Verfilmt wurde der Stoff natürlich auch, sei es (angemessen) als Trickfilm (als TV-Serie 1978, statt mit Stimmen je Figur unterlegt schlicht aus dem Off kommentiert, so dem gezeichneten Original in Maßen durchaus folgend: siehe dort die erläuternden Kästen!) – wie auch mit Schauspielern in natura als Real-Verfilmung schon 1959, dann wieder 2002 (nie in die Kinos gekommen, aufgrund Insolvenz der Produktions-Firma). Das kennt man vom Vorbild Sherlock Holmes ja auch, nur in anderen Dimensionen (bis hin zu „Elementary“, dessen Ausspruch geschuldet: „elementar, Watson!“). So spiegelt auch die Knatterton-Rezipienz das Wechselspiel des Medien-Einflusses, wie etwa auch bei Asterix: Der Comic führt zum Zeichentrick, von dort weiter zum Realfilm – und zurück. Wobei das andere (= Film) naturgemäß das eine (= Comic-Original) verstärkt und ggf. zur Wiederkehr in anderem Format führt (= Buch). (Bei Disney lief´s ja umgekehrt: Ihren ersten Auftritt hatten Mickey Mouse & Co. im (Zeichentrick-)Film, danach gab´s die Comics…)
Manfred Schmidt hatte mit seinen Knatterton-Geschichten ursprünglich wohl eine Persiflage auf das Genre „Comic“ geplant. „Ich nahm mir vor, diese primitivste aller Erzählformen so gründlich zu parodieren, dass den Leuten die Lust an der blasenreichen, auf Analphabeten zugeschnittenen Stumpfsinnsliteratur verging“. Im Gegenteil musste er feststellen, dass die Deutschen „durch Knatterton erst richtig Appetit auf blasengespickte Comic-strips“ bekamen.“ Well done, Mr. Schmidt!
Wie andere Künstler auch, verdiente Manfred Schmidt sein Geld zudem durch Werbe-Einsätze, etwa für die Ruhrkohle (s.u.). Dass er dabei im bekannten Knatterton-Duktus illustrativ wie verbal unterwegs war, wird der „awareness“ für den Strip kaum abträglich gewesen sein… Das ist nur ein Beispiel unter vielen, in denen entweder der Zeichner oder auch Knatterton als Testimonial Auftritte hatten, siehe http://www.comicsbox.de/Comics/Manfred_Schmidt/manfred_schmidt.html.
Fazit?! Wie es aussieht, hat Manfred Schmidt es geschickt verstanden, Stereotype aus vielen Quellen zu einem harmonischen Mosaik zu vereinen – ein Kaleidoskop aus Figuren der Literatur wie der Neunten Kunst selbst. Den Zeit-Geschmack hat er offenbar bestens getroffen, letztlich auch dem Genre „Comic“ gut getan, in klassischer Strip-Manier gute alte US-Comics auch in Deutschland weiter leben lassen.
Noch Jahrzehnte nach Ende des Strips in der Quick ließ sich mit dem Konterfei des "berühmten Meisterdetektivs" vorzüglich Werbung treiben. Nicht ohne Grund, denn Manfred Schmidts Nick Knatterton war schließlich nicht irgendein Gangsterjäger. Indem er verschiedene Merkmale in sich vereinte, die in den trivialen Mythen immer wieder mit diesem Berufsstand in Verbindung gebracht wurden, war Knatterton der Detektiv schlechthin.
Zu den wirkungsvollsten Urbildern des Detektiv-Genres zählt zweifellos Sir Arthur Conan Doyles Serienheld Sherlock Holmes. Der 1887 erschaffene Gentleman, der seine Beliebtheit nicht zuletzt der Verbreitung der Erzählungen in der Massenpresse verdankte, gewann im Laufe der Jahre quasi ein Eigenleben. Doyles realistische Schilderungen der Romanfigur und ihrer Lebensumstände führten unter anderem dazu, dass die Leser nach Holmes' fiktivem Domizil in der Londoner Baker Street 221 B und nach einem Mann mit scharfgeschnittenen Gesichtszügen und Shag-Pfeife Ausschau hielten. Als Doyle seinen Helden 1893 sterben ließ, erhob sich ein solcher Protest, dass der Autor sich gezwungen sah, Sherlock Holmes und Watson in neue Abenteuer zu verwickeln. Ähnliches sollte sich gut 50 Jahre später mit Nick Knatterton wiederholen.
Es gibt es noch andere solcher unbeabsichtiger Parallen zwischen den beiden Meisterdetektiven. Doyle feierte mit "Sherlock Holmes" enorme Erfolge, doch sein Herz hing eigentlich an den ebenfalls von ihm verfassten historischen Romanen. Schmidts Ambition und große Liebe galt seinen Reisereportagen; berühmt wurde er mit einem Comic, einer Form, die er wenigstens öffentlich lächerlich machte. Als Schmidt seines Helden überdrüssig wurde, verheiratete er ihn kurzerhand. Auf dieselbe Art und Weise schob Doyle den Dr. Watson in den vorläufigen Ruhestand.
Mit seinem durch einige wenige, ausdrucksstarke Attribute gekennzeichneten Sherlock Holmes hatte Arthur Conan Doyle quasi die Ikone eines Detektivs
geschaffen, ein Klischee, das weit in die Zukunft hinein Gültigkeit behielt und das auch in der Figur des Schmidtschen Helden ihren Niederschlag fand. Holmes' wirksamste Waffe war sein
Scharfsinn. Auch Nick Knatterton konnte sich einer außerordentlichen Kombinationsgabe rühmen. Sherlock Holmes war eine imposante Figur: groß, hager, ausgestattet mit einem markanten Kinn und
einer Adlernase. So auch Nick Knatterton. Holmes rauchte Pfeife, Nick ebenfalls (und auch Manfred Schmidt).
Das karierte Cape und den Deerstalker ersetzte der deutsche Autor durch einen ebenfalls karierten Knickerbocker-Anzug (eine beliebte Mode der 20er und 30er Jahre) und die sogenannte Schlägermütze. Man muss sich bloß den 1937 nach einer Vorlage von Robert A. Stemmle gedrehten Film "Der Mann, der Sherlock Holmes war" vor Augen halten, um das damals gängige Klischeebild des Meisterdetektivs zu verstehen. Der kantige Hans Albers aus der Kino-Klamotte hätte wohl auch einen guten Nick Knatterton abgegeben. Geht man von der äußeren Erscheinung Nick Knattertons aus, so ist Schmidts Detektiv ein durch die Brille der 30er Jahre betrachteter Sherlock Holmes.
Von Doyle abgeguckt war schließlich auch eine sprachliche Eigenart Knattertons. "Elementar, mein lieber Watson", pflegte Holmes in gewissen Situationen zu seinem Adlatus zu sagen. Knatterton, dem ein Gegenüber wie Watson fehlte, wandte sich direkt an den Leser, oder er hielt Selbstgespräche. Sein "Kombiniere!" entwickelte sich in den 50er Jahren zu einem geflügelten Wort der deutschen Umgangssprache. In seinen beiden Vorläufer-Erzählungen hat Schmidt den werbewirksamen Slogan übrigens noch nicht verwandt; "Kombiniere!" taucht zum erstenmal im Comic auf.
Neben Arthur Conan Doyles "Sherlock Holmes" spielte - bezogen auf die Handlung von "Nick Knatterton" - noch ein anderer Einfluß eine Rolle, den der Autor in der ersten Vorstellung seines Detektivs in der Quick nur beiläufig erwähnte - Hollywood, oder allgemeiner: Amerika. In seinem überbordenden Aktionismus hat Knatterton viel von den Groschenheft-Detektiven à la Nat Pinkerton oder Nick Carter. In den Serienkrimis wie auch in gewissen Filmreißern war die Handlung, um die Sensationsgelüste des Publikums zu befriedigen, vollgepackt mit Action. Eine solche absurde Umtriebigkeit kennzeichnete schon den Knatterton der Vor-Geschichte von 1935.
In Manfred Schmidts Comic-Helden kamen schließlich beide Vorbilder zusammen. Dem Intellekt und dem Aussehen nach war Nick Knatterton ein Sherlock Holmes, in seiner Handlungsweise eher eine billige Groschenheftfigur. Das war natürlich äußerst klischeehaft, aber das sollte es ja auch sein. Schmidt wollte einen beispielhaften Comic schaffen, beispielhaft für die Erzählform, beispielhaft für den ganzen Blödsinn, den er in Knattertons Abenteuern verwurstete. In seiner Berechenbarkeit war Nick Knatterton aus genau dem Holz, aus dem zugkräftige Werbefiguren geschnitzt werden. Er war - wie der Volksmund nicht ganz zutreffend sagt - eine typische Comicfigur.
In Manfred Schmidts Comic-Helden kamen schließlich beide Vorbilder zusammen. Dem Intellekt und dem Aussehen nach war Nick Knatterton ein Sherlock Holmes, in seiner Handlungsweise eher eine billige Groschenheftfigur. Das war natürlich äußerst klischeehaft, aber das sollte es ja auch sein. Schmidt wollte einen beispielhaften Comic schaffen, beispielhaft für die Erzählform, beispielhaft für den ganzen Blödsinn, den er in Knattertons Abenteuern verwurstete. In seiner Berechenbarkeit war Nick Knatterton aus genau dem Holz, aus dem zugkräftige Werbefiguren geschnitzt werden. Er war - wie der Volksmund nicht ganz zutreffend sagt - eine typische Comicfigur.
Die Klischeehaftigkeit ergab sich möglicherweise nicht nur aus literarischem Kalkül, sondern auch aus ganz praktischen Gründen. Es ist nicht davon
auszugehen, daß Schmidt seinen Comic gründlich plante, um ihn anschließend nach minutiösen Vorstellungen über den Handlungsablauf zu Papier zu bringen. Viele dieser Streifen sind vermutlich von
einer Woche zur nächsten entstanden. Da ließ der Autor seinen Helden dann in eine möglichst gefährliche Situation schlittern, oder er befreite ihn eben wieder daraus. Wie die Sache ausging, war
nicht so wichtig, Hauptsache, es passierte was. Und dass in jeder Folge etwas völlig Unerwartetes passierte, war bei "Nick Knatterton" ganz gewiss. Wie Schmidt eingangs gewarnt hatte: "Dem Leser
bleibt garantiert nichts erspart!"
Hanspeter Reiter (HPR)
COMICOSKOP-Redakteur Hanspeter Reiter, Autor dieses NICK KNATTERTON-Comicoskop-Dossiers, nennt in unserer Redaktion das
Spezialgebiet "Deutsche Comic-Kultur" sein eigen. Der Münchner, Jahrgang 1953, lebt nach vielen Berufs- und Lebensjahren in Köln, seit kurzem wieder in der Heimat, ganz nahe bei München... "HPR"
schreibt auch und gerne über den deutschen Comic-Markt, die Verlage und über deutsche Comic-Geschichte (Rubrik: Comics made in Germany). Zudem gilt er als hurtigster Rezensent der
COMICOSKOP-Redaktion, schreibt Besprechungen wie aus der Pistole geschossen - ähnlich flink wie "Lucky Luke"...