Meist aber geht es Loriot eher um allgemeine und damit überzeitliche Kritik an Staatsbürgern wie Politikern. Mit diesem ironischen Spott auf die Anstrengungen politischer Redner greift er eine satirische Tradition des 19. Jahrhunderts auf, wie Adolf Schrödters Charakterisierung des seine Rede einübenden Abgeordneten der constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main, Piepmeyer, oder den Staatshämorrhoidarius Franz von Poccis, der hier als frischer Ordensträger verulkt wird. Poccis fiktiver aber typischer Staatsbeamte ist eine der frühen „stehenden Figuren“; die Serie erschien in loser Folge von 1854 bis 1863 in den Fliegenden Blättern im Verlag Braun & Schneider, München.
Auch Loriot schafft seine „stehende Figur“: das knollennasige Männchen, meist mit Melone ausgestattet, im Anzug mit gestreifter Hose, das in viele (bürgerliche) Rollen schlüpft und hier – gewissermaßen programmatisch - vor den Ärgernissen und Unwägbarkeiten des Alltags flieht.
Das Männchen, gleichsam Loriots individuelle Form des Narren, des bürgerlichen deutschen Michels, wird zu seinem Markenzeichen, was dann der Kollege
Manfred Schmidt, norddeutscher Freund und Nachbar am Starnberger See (der für das Stern-Konkurrenzblatt Quick seine berühmte Comicserie „Nick Knatterton“ zeichnete), schmunzelnd aufgriff oder den
Pardon- und Titanic-Zeichner Hans Traxler inspirierte, als Hommage zu Loriots 60. Geburtstag ihn mit seiner Figur gleichzusetzen.
Loriot ist als Zeichner in den Kontext der deutschen wie der internationalen Visuellen Komik eingebunden. Wie viele andere (komische) Künstler, so
greift auch er – auf seine spezifische Weise – den Alltag mit all seinen Problemen und Tücken auf, hält uns in seiner Knollennasenmännchen-Narrenfigur immer wieder – mehr schelmisch ironisch denn
besserwisserisch – den kritischen Karikaturenspiegel vor. Und nicht selten fühlt sich der Betrachter durchschaut, ist peinlich berührt und verdrängt dieses unwohle Gefühl durch
Lachen.
Im Folgenden sollen einige Beispiele vorgestellt werden, die Loriots komische Strategien deutlich machen und zugleich das Kaleidoskop seiner thematischen Vielfalt aufzeigen.
Der Kampf der Geschlechter, der auf meist eher plattem Niveau in jeder Karnevalskampagne durchgespielt wird, hat natürlich auch Loriot inspiriert, wobei er – aus der privat-sicheren Position des glücklichen Familienvaters – geradezu genüsslich und bissig gegenseitige Schwächen und vermeintliche Stärken als „natürlich“ angelegten Dauerzwist vorführen kann. Es geht um die übertriebene Ausreizung von Positionen, bei deren Visualisierung Loriot oft zum Mittel der visuellen Metapher greift, die das pathetisch vorgetragene Argument ironisch kippt.
Das Thema begleitet die Komische Kunst schon immer als schier unerschöpflicher Quell ironischer Kritik, wie diese Beispiele demonstrieren können. Mal dominiert die Frau, mal der Mann, mal kommentiert treffend Kindermund.
Aber auch mit bissig schwarzem Humor werden Frauen- (bei Loriot) wie Männeraktionen (bei Addams) in Szene gesetzt und der Rezipientin bzw. dem Rezipienten, also dem jeweils leidend betroffenen Geschlecht, als satirisch-moralische Verurteilung angeboten, die durch das provozierte Lachen wiederum aufgehoben wird.
Auch mit dem Thema Mode, das, eng mit menschlicher Eitelkeit verflochten, reichlich Potential für satirisch-kommentierende Kritik bietet, reiht sich
Loriot ein eine lange Tradition ein.
Der Herr, der hier in der designten 1950er-Ästhetik-Wohnung sitzt, lässt den Betrachter aufgrund des krassen Unterschiedes seines Outfits und der Anmutung seiner visualisierten Persönlichkeit schmunzeln und sich ein entsprechendes Urteil bilden. Der Herr ist eher deplatziertes Objekt denn Subjekt der Szene. Treffend greift die vergleichende Methode zwischen modisch gestylter Wohnwelt und dem Erscheinungsbild ihrer Bewohner auch Sempé auf, der ironische Meisterkritiker des kleinbürgerlichen Alltags nicht nur in Frankreich. Der kritische Ansatz beider Zeichnungen – wiewohl exemplarisch am jeweiligen Zeitgeschmack orientiert – ist im Kern überzeitlich. Sie dürften den Betrachter zum Nachdenken über die Ausstattung der eigenen Wohnwelt provozieren, über das Markt-Diktat modischer Richtungen, über wertende Einschätzungen, über die Harmonie von Mensch und Lebenswelt.
Auch der ironische Blick auf Kunst und Kunstsystem darf nicht fehlen. Die in Dada wurzelnde Objektkunst, die dem neugierigen und damit fantasie-animierenden Blick verpackte Objekte präsentiert wie diese Beispiele von Henry und Christo, ruft auch den Karikaturisten auf den Plan. Die Kunstkritik mittels satirischer Karikatur hat eine durchaus lange Tradition (vgl. z. B. Buchingerfrüh 1989, Gülker 2001), in die sich Loriot und, ihm folgend, Glück einreihen. Das Objekt ihrer Kritik ist für Interpretationen durchaus offen: zielt der komische Blick auf das künstlerische Verfahren, auf den adorierenden oder perplexen und ignoranten Betrachter, auf den für so vieles – falls der hochpreisige Verkauf gelingt – offenen Kunstmarkt?
Loriots fiktives Spiel (sein Tipp, wie ein verschmutztes Gemälde zu reinigen sei, führt fataler Weise zur Vernichtung des Kunstwerkes) besitzt prophetische Qualität und demonstriert, dass die Vorstellungkraft des kreativen Karikaturisten der nur zu oft belegten Feststellung, die Realität sei die beste Satire, manchmal Paroli bieten kann. „800.000 Euro weg mit einem Wisch: In einem Dortmunder Museum säuberte eine Putzfrau eine Gummiwanne. Leider gehörte der schmutzige Trog zu einer Installation des Künstlers Martin Kippenberger. Das Kunstwerk ist unwiederbringlich verloren.“ meldete die Süddeutsche Zeitung (4. 11. 2011). Bereits 1973 hatten zwei Frauen ein Beuysches Kunstwerk, eine Badewanne, von den vom Künstler angebrachten Mullbinden und Heftpflastern befreit, um darin Gläser zu spülen, und 1986 wurde – ebenfalls bei Putzarbeiten – in der Düsseldorfer Kunstakademie eine Fettecke von Beuys weggewischt. Loriot freilich setzt noch eins drauf: das Gemälde – muss man süffisant feststellen – ist immerhin auch dem Nichtfachmann als „Kunstwerk“, als Artefakt erkenntlich.
Hier fungiert der Künstler selbst als „Material“ seiner Kunst, was auch die Zeichner-Kollegen Glück und – nicht ganz so drastisch – Howett
aufgreifen. So weit entfernt von der Kunstpraxis sind die Karikaturen nicht: mit Body Art und Performance haben zahlreiche Künstlerinnen und Künstler ihren Körper in ihre Werkpraxis selbst
eingebunden – nicht bis zum Tode, aber doch bis zur Selbstverletzung. ( z..B. die Künstler Günter Brus, s. http://www.androgon.com/38882/kultur/guenter-brus-stoerungszonen; Wolfgang Flatz, s.
https://www.srf.ch/kultur/kunst/ein-kuenstler-risikiert-kopf-und-kragen; Rudolf Schwarzkogler, s. http://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/1205868).
Aber auch aktuelle Probleme der Zeit greift Loriot auf.
Zum Beispiel die wachsende Umweltverschmutzung, auf die er weder pathetisch noch moralisch reagiert, sondern ironisch im Zusammenspiel von Kommentar und visuell grotesk übertriebener Darstellung.
Das Thema Umwelt und Umweltverschmutzung begleitet uns leider schon lange. 1970 wird das europäische Naturschutzjahr ausgerufen,1971 wird Greenpeace
gegründet und drei Jahre später der BUND (Bund für Natur und Umweltschutz Deutschland), schließlich 1980 eine politische Partei (Die Grünen). Karikaturisten in der BRD (z. B. Hüsch) wie in der
DDR (z. B. Behling), reagieren deutlich aggressiver als Loriot. Andere kleiden ihre satirische Kritik in Metaphern, wie Gerhard Haderer, der nach dem Verfahren des Manieristen Guiseppe Arcimboldo
die allegorische Personifizierung als Superzeichen heranzieht: der kriminelle Unternehmer setzt sich aus all dem Müll zusammen, den er verbotener Weise zur eigenen Profitmaximierung im Meer entsorgt.
(Zu Arcimboldo s. https://de.wikipedia.org/wiki/Giuseppe_Arcimboldo)
Auch das Thema Touristen interessiert Loriot, wobei seine Zeichnung die subtile Kritik am Klischee-Touristen, wie sie der amerikanische Künstler Duane Hanson mit seinen hyperrealistischen, vom lebenden Modell abgenommenen Figuren so treffend übt, vorwegnimmt.
Die Vergleiche zeigen: Loriot hat - bei aller Verwandtschaft zu nationalen wie internationalen Vertretern der Kunst der Visuellen Satire – seine ganz eigene, unnachahmliche und einem Markenzeichen gleiche Weise des ironisch-spöttischen Kommentars auf unsere Welt.
Sie nötigt den Betrachter mitzuspielen und diese Sicht auf seinen Alltag, seine Lebenswelt rück zu übertragen, was zu einer geschärften, kritischen Einschätzung führt (führen sollte). Das trifft auch auf diese Bildgeschichte zu. Sie deckt auf, dass in der Rolle des Gartenzwergs eigentlich das Knollennasenmännchen, der spießige deutsche Bürgernarr, steckt.
Auch hier befindet sich Loriot in guter Gesellschaft, was zeigt, dass er mit dem Gartenzwergmotiv ein ebenso typisches wie brisantes Thema getroffen hat. Halbritters „Verkehrte Welt“ deckt die ästhetische Fragwürdigkeit des deutschen Gartenschmucks auf, der nach Plassmann so bedeutend ist, dass er auch die türkischen Migranten integrierend einbezieht. In der tradierten Pose des Nicht-Hören/Sehen/Sprechen-Wollens präsentiert Hörl ein Gartenzwergentrio in den bundesdeutschen Farben und zeigt somit den (verborgenen) politischen Aspekt des Themas auf. Das kann so auf die Pose des Loriotschen Gartenzwerges übertragen werden, womit der nicht mehr harmlos-witzig, sondern hoch politisch wirkt.
Die markante Pose – hier der ausgestreckt ruhende Gartenzwerg – ist für die Loriotsche Zeichenkunst ein wesentliches Moment. Aus medialer und eigener Erfahrung sind die gezeigten Grundposen vertraut, wirken dann aber in prägnanter Überzeichnung und im entsprechenden Kontext überraschend neu.
Wie zum Beispiel hier. Die Pose erinnert die Filmkenner sofort an Marylin Monroes berühmte Szene aus dem Film Das verflixte 7. Jahr von Billly Wilder (1954). Wer sie im Geiste zu aktivieren vermag, wird über das an sich schon witzige Geschehen vor dem Scherzartikelladen (!) hinaus den doppelten Witz des Dargestellten erfassen: die Erotik der Monroe-Pose wird hier zur peinlichen Lachnummer.
Wie schon eingangs das soldatische Beispiel zeigen auch diese Bilder die Pose als affektierte Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit. Ob die Teilnehmer des tanzenden Kongresses oder die Provinzsportler – die Posen entlarven in ihrer übertriebenen Künstlichkeit, der gewollten Zur-Schau-Stellung die eigentliche (ihnen selbst nicht bewusste) Lächerlichkeit der Akteure und lassen die pathetisch gemeinte Selbstpräsentation nur peinlich wirken. Loriots Zeichnungen entstanden lange vor der Mode des „Selfies“, aber als Kritik an der eitlen, oft albernen und peinlichen Selbstbespiegelung, wie sie uns inzwischen in unfassbaren Mengen durch die sog. sozialen Medien zwangsgeliefert werden, treffen sie auch heute ins Schwarze.
Loriot greift dabei auf ein Verfahren zurück, das schon der Berliner Grafiker Chodowiecki zur Zeit der Aufklärung nutzte: die künstlich übertriebene
Pose. Was sich bei Loriot spielerisch-ironisch gibt, ist hier pädagogisch ernst gemeint. Der Vergleich der „richtigen“ mit der affektiert „falschen“ Pose zielt auf bürgerliche Erziehung zum guten
Geschmack. Was ganz dem Zeitgeist entspricht.
1788 erschien die erste Ausgabe des wohl bekanntesten Werkes des Freiherrn Adolph Franz Friedrich Ludwig von Knigge: Über den Umgang mit Menschen. Knigge beabsichtigte damit eine Aufklärungsschrift für Taktgefühl und Höflichkeit im Umgang mit den Generationen, Berufen, Charakteren. Irrtümlicherweise wurde dieses Buch späterhin als „Benimmbuch“ angesehen und benutzt. Der Verlag verstärkte dieses Missverständnis, indem er nach dem Tode von Knigge das Werk um Benimmregeln erweiterte. Heute ist „der Knigge“ geradezu sprichwörtlich im Gebrauch und der anhaltende Boom von Ratgebern für alle Lebenslagen zeugt von Interesse und Bedürfnis weiter Teile der Gesellschaft. Loriot reiht sich in die Autorenschaft ein. Nach Loriots kleiner Ratgeber, 1954, erscheinen weitere entsprechende Werke, z. B. Unentbehrlicher Ratgeber für das Benehmen in feiner Gesellschaft, 1955; Der gute Ton. Das Handbuch der feinen Lebensart in Wort und Bild, 1957; Der Weg zum Erfolg. Ein erschöpfender Ratgeber in Wort und Bild, 1958; Neue Lebenskunst in Wort und Bild, 1966; Loriots Großer Ratgeber, 1968.
Scheinbar in der Nachfolge Chodowieckis nutzt Loriot dessen Methode der Gegensatzpaare „richtig“/ „falsch“. Doch sein „guter“ Rat ist, wie man unschwer sieht, nur immanent gut, nur scheinbar logisch und hilfreich. Tatsächlich erweist er sich als höherer Blödsinn, als parodistisches Spiel mit den pädagogisierenden Benimmregeln, als Spott über den naiven Glauben, durch Benimmbücher, also durch die Übernahme vorgegebener formaler Regeln, sich und die Welt bessern oder gar retten zu können.
Die ironische Wendung zeigt sich meist überdeutlich in der Zeichnung, manchmal auch nur im kleinen Detail, das wie hier den ironischen Witz der Aussage trägt. Die Groteske von Albert Oehlen zeigt unverhüllt, was wohl der irritierte Passant imaginiert – aber auch der Betrachter, der durch den visuellen Impuls zur entsprechenden Assoziation zum mitspielenden Komplizen des Zeichners wird.
Auch hier liegt der Witz im Detail und erfordert das kombinierende Mitdenken des Betrachters (was in manchen Fällen durchaus eigenem Erleben entsprechen mag). Loriot spielt mit der Metapher, indem er den Autorfahrer, der sich – indizienhaft allein durch die Hörner und die Vampirzähne angedeutet – offenbar im (nach dem Bild) folgenden Fahrverhalten als wahrer Teufel präsentieren wird, als rücksichtsloser Verkehrsraudi.
Die ironisch visuell-metaphorische Charakterisierung ist ein wichtiges Mittel satirischer Zeichenkritik. Was in der Ein-Bild-Geschichte Loriots vom Betrachter im Geiste ergänzt werden muss (die Verwandlung vom braven Normalbürger zum teuflischen Verkehrsraudi), zeigen Holz wie Haderer in ihren Bildfolgen auf: die (visuelle) Metamorphose kann als entlarvend ironisch-kritische Satire wirken.
Wer den Ausdruck „Ente“ für eine Falschmeldung der Presse kennt, wird diese Zeichnung entsprechend inhaltlich kritisch deuten; aber schon der witzige Spaß für sich, dass sich im Märchenland der Zeichnung ein lebloses Ding wie eine Zeitschrift in einen davonflatternden Vogel verwandeln kann, lässt uns schmunzeln. Loriot stellt den Prozess der Metamorphose in einem Bild dar, zeigt den allmählichen Verwandlungsprozess wie die Flugbewegung auf mehrere Elemente verteilt auf, wobei der Betrachter (wie bei der Konstruktion der Fallbewegung in Pieter Bruegels berühmten Bild Der Sturz der Blinden, 1568, s. https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Blindensturz) die portionsweise präsentierten Veränderungen dann doch als einen Prozess registriert.
Die Entwicklung vom Tier zum Menschen, vom Käfer zum VW-Käfer zeigt Loriot dann auch in metaphorischen Bildfolgen, so dass der Betrachter die Verwandlung Schritt für Schritt von Panel zu Panel verfolgen kann. Die inhaltliche Absurdität gewinnt durch die bildliche Präsentation komische Plausibilität.
Loriot spielt hier auf Johann Caspar Lavater und seine physiognomischen Untersuchungen im 18. Jahrhundert an (Johann Kaspar Lavater: Physiognomische
Fragmente. Zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe, 4 Bde., 1775 und 1778). Er und andere Gelehrte der Zeit glaubten, dass sich der Charakter einer Person aus deren Gesichts- und
Körperform ablesen lasse. Insbesondere der Mensch-Tier-Vergleich wurde herangezogen. In einem Bildzyklus, den Lavater bei Chodowiecki in Auftrag gegeben hatte, wird in der Art einer evolutionären
Stufenfolge die Metamorphose vom Tier (vom Frosch) zur menschlichen Gottebenbildlichkeit (Apoll) simuliert.
Lavaters Theorie fand ebenso viele Anhänger wie Gegner. Schon Georg Christoph Lichtenberg hatte sie in seinem Fragment von Schwänzen lächerlich
gemacht (vgl. Riha 1970). Der französische Zeichner Grandville dreht die Abfolge ironisch herum und zeigt despektierlich, wie der göttliche Apoll zum Frosch hinabsteigt. Eine politische Note
bekommt die Methode der Metamorphose in der berühmten Karikatur von Julius Nisle: der revolutionäre deutsche Michel von 1848 wird zum braven, ruhiggestellt schläfrigen Bürger, wie es der
gestutzte Bart und seine Kappe zeigen: diese wandelt sich von der Revolutionsmütze mit Kokarde zur Schlafmütze. Die Metamorphose als Mittel satirisch-politischer Kritik geht zurück auf Charles
Philipon, der mit seiner berühmten Birnenkarikatur den Bürgerkönig Louis Philip verspottete und mit dieser Abfolge vor Gericht nachweisen wollte, dass in der königlichen Physiognomie tatsächlich
die Birne steckt. Verurteilt wurde er trotzdem. (vgl. Koszyk 1995) Sein Landsmann Siné knüpft an diese Tradition an, wenn er mit der Intention allgemein ironischer Kritik die Verwandlung eines
Polizisten in einen Ochsen; eines Soldaten in einen Affen, eines Hippies in ein Kamel zeigt, was ja nichts anderes bedeutet, als dass sie diese drei Tiere und damit die Eigenschaften, die man
ihnen nachsagt, in sich tragen.
Damit klingt das vielfältige Thema der Mensch-Tier-Karikaturen an, die – auf der Fabel basierend – Menschen in der Tiermaske, oft in einer Mischform von Mensch und Tier, auftreten lassen, um sie so zu charakterisieren bzw. ihr Fehlverhalten aufzuzeigen (vgl. Baur 1974, Kaufmann 2016).