Erlangen war für vier tolle Festivaltage im Fränkischen Nabel der Comic-Welt…zumindest der deutschen, er lief, im 40. Jahr seines Bestehens
(1984-2024), auf Hochtouren und ziemlich rund – und er lief fast voll: Oh mei, soviel Wasser! Der absolute Gegensatz zum vorigen Internationalen Comic-Salon Erlangen von 2022, bei dem eher
Schwitzwasser lief, wegen der Hitze damals. Dieses Mal, Ende Mai/Anfang Juni 2024, sorgten sich manche Aussteller, das Zeltdach möge bloß durchhalten… Doch „panta rhei“ galt im positiven Sinne,
ging doch auch dieses Mal das Konzept der Messezelte im Erlanger Schlossgarten, vor der barocken Schloss-Kulisse und auf dem Schlossplatz gut auf, in die Breite zu gehen: Was zunächst als
Notlösung begann, rund ums Renovieren der Heinrich-Lades-Halle, geriet zur Erfolgsstory – und ist nun bestens etabliert. Und hält die Besucher:innen in Bewegung, im und rund um den Schlossgarten,
der zudem auch dem Haupt-Sponsor DATEV mit seiner Lounge Raum bot. Und uns vom COMICOSKOP natürlich:
· Der Stand in der Halle C „Klein-Aussteller“ plus Künstler, 114 schräg gegenüber von COMICOSKOP-Manga-Redakteurin Jessica Kikisch, die zusätzlich mit eigenem Manga-im-Selbstverlag-Stand vertreten war, mit der 118.
Interesse an Flyer & Plakaten bestand durchaus, am (kurzen!) Donnerstag am stärksten, am Sonntag dann zum Finale wieder...
Mit dabei indirekt ein weiterer COMICOSKOP-Redakteur und zudem Haus-Grafiker unseres E-Fachmagazins für Comic-Kultur: Dänemarks Comic-Zeichner und Schöpfer unseres schmucken COMICOSKOP-Logos Ingo Milton (gerade 70 Lenze geworden) mit „Der behobelte Geselle“ plus einer weiteren Auftragsarbeit zu Sherlock Holmes – plus Muster seines älteren Bruders Freddy Milton (dessen dänischer Funny Animal-Comicklassiker Familie Gnuff Mitte der 1990er schon mal in der kleinen edition b & k von Joachim Kaps erschien und derzeit aktuell in den USA bei Fatagraphics reüssiert, hoffentlich bald auf dem deutschen Comic-Markt eine zweite Chance bekommt… etc.).
Das ComFor-Panel mit zwei Beiträgen: HPR alias Hanspeter Reiter sprach zu „Gendern in Comics – kann das (an)gehen?“ am Samstag mit immerhin rund 70 Teilnehmerkreis inkl. einigen Gender-Aktivisten, doch Text-Botschaften platziert (bleibt die Sprechblase lesbar und damit wirksam im Sinne von Gendern? Welche Alternativen bietet die reichhaltige deutsche Grammatik?!) - und KMF alias COMICOSKOP-Gründer, Herausgeber & Chefredakteur Martin Frenzel, der vor fast 20 Jahren zu acht Mitbegründern der deutschen Gesellschaft für Comicforschung (ComFor) gehörte (2005), referierte am Sonntag 2. Juni 2024 ebenfalls vor vollem Haus zum brisanten Thema „Über MAUS hinaus. Judenhass, Shoah und Israel im Comic. Von Krigstein über Michel Kichka bis Joann Sfar“. Ein Vortrag, der auf sehr positive Resonanz stieß und einige Aha-Erlebnisse bewirkte, etwa zu Hergé, dessen dunkle antisemitische Seite nicht zuletzt im Blickpunkt stand. Dass es weitaus mehr an Shoah-Comics gibt, als nur Art Spiegelmans opus magnum „MAUS“ untermauerte Martin Frenzel mit facettenreichen, darunter auch in Deutschland wenig bekannten Beispielen. Und er widersprach mit Nachdruck der Behauptung, es genüge Joe Saccos sehr einseitigen beiden Werke „Gaza“ und „Palestine“ zu lesen, um Israel, den Blutrausch der Hamas vom 7. Oktober 2023 und dessen Folgen und den aktuellen Nahostkonflikt zu verstehen. Wer mehr zum Thema des Vortrags wissen will, möge Martin Frenzels COMICOSKOP-Kommentar „Israel verstehen, aber bitte ohne Joe Saccho! Wir Juden sind an alllem (selber) schuld?! lesen – sehr zu empfehlen!, siehe: https://www.comicoskop.com/comicoskop-kommentar-israel-verstehen-aber-bitte-ohne-joe-sacco/
Die Presse-Konferenz am Freitag mit leider geringer Resonanz, doch interessanten Inhalten: Was alles hat das COMICOSKOP bewirkt, in den ersten zehn Jahren seit der Gründung im April 2014 und dem Start im Dezember 2014? COMICOSKOP-Herausgeber, und -Chefredakteur Martin Frenzel präsentierte zum 10jährigen Jubiläum des COMICOSKOPS die Highlights unseres deutschen, aber weltoffenen E-Fachmagazins, das sich als das Kaleidoskop der Comic-Kultur versteht: So etwa gleich zu Anfang im Januar 2015 das bundesweit einmalige Charlie Hebdo-COMICOSKOP-Dossier, das lange vor SZ, Tagesspiegel, ZDF heute journal u.v.a. klarstellte, dass etliche der Mordopfer vom 7.Januar 2015 keineswegs „Journalisten“ waren, wie es überall damals fälschlich in deutschsprachigen Medien hieß, sondern um Comic-Künstler, darunter die beiden französischen Superstars Cabu und Georges Wolinski, das exklusive COMICOSKOP-Interview mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder 2018, das erstmals dessen Comic-Leidenschaft enthüllte, insbesondere dessen Spiderman-, Marvel-Universum- und Stan Lee-Affinität (und Söder dazu brachte, sich positiv gegenüber einer Finanzförderung des Erlanger Comic-Museums zu äußern, das übrigens schon Ende der 1980er von Martin Frenzel erstmals öffentlich und in Gesprächen mit gegenüber Karl Manfred Fischer vorgeschlagen und seither immer wieder gefordert wurde, lange vor Gründung des heutigen gleichnamigen Vereins…) oder die investigativen Entdeckungen der Goscinny- „Anleihen“, allen voran Tillmann Courths Bravourstück „Asterix war schon mal in New York“ (das aufdeckte, wie der Wahl-Amerikaner Gosciny sich offenkundig für den späteren „Asterix“-Kosmos durch eine frühe, bislang auch bei Experten völlig unbekannte 1940er Jahre Timely-Comicgeschichte mit einem Superkräfte, einen Flügelhelm besitzenden Comic-Helden, der seine Gegner reihenweise vermöbelt, bediente, sagen wir: inspirieren ließ….und nicht zuletzt Dietrich Grünewalds vielbeachtetes Loriot-COMICOSKOP_Dossier zum 100. des Altmeisters (Grundlage für sein späteres Loriot-Buch) – bis hin zu aktuellen COMICOSKOP-Interviews, etwa mit dem wahren Ideengeber und Initiator des Erlanger Comic-Salons, Achim Schnurrer (Jg. 1951), ohne den es den Salon nicht gäbe (und der eine fulminante, leider nach Nürnberg ausgelagerte Schwermetall-Schau präsentierte), überdies mit dem deutschen Disney-Zeichner Jan Gulbransson zu dessen 75. Geburtstag – dem einzigen bayerischen Disney-Zeichner… Und Martin Frenzel, Gründer des COMICOSKOPS im April 2014 vor genau zehn Jahren, erinnerte daran, dass es 2023 gelang, zum 100jährigen der belgischen Lucky Luke-Jahrhundert-Ikone Morris ein deutschlandweit erscheinendes dpa-Interview zu platzieren, in dem das COMICOSKOP in nahezu jeder Tageszeitung zwischen Flensburg und München, Köln und Leipzig prominent erwähnt wurde… besser geht’s nicht…
· Die IG Comic beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels i.G.: Dort kamen rund 30 Comic-Schaffende zusammen und stimmten sich übers weitere Vorgehen ab. Zumeist Verlage wie auch der vorläufige Sprecherkreis (Lea Heidenreich Papertoons, Joachim „Jo“ Kaps, Chef des Hamburger Manga-Verlags Altraverse, Claudia Jerusalem, Pressesprecherin des Hamburger Carlsen Verlags): Am 11. Juni 2024 wollte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels-Vereins-Vorstand entscheiden (inkl. der Vorsteherin Karin Schmidt-Friedrichs, in deren Typographie-Fachverlag einige Comic-Illustration-nahe Bücher erschienen sind), am 11. Juli 2024 gibt es ein weiteres (dann virtuelles) Treffen für Interessierte. Kurzum: Die Weichen für die neue Sparte Comic im Rahmen der Frankfurter Buchmesse sind gestellt. Apropos: Buchhändler sind dabei bis dato nur als zartes Pflänzchen vertreten… Das COMICOSKOP bleibt weiter am Ball, wird weiter beobachten und berichten, wir sind denn auch mit unserem COMICOSKOP-Abgesandten in Person HPR gut vertreten.
Auch bei der 21. Ausgabe im 40jährigen Jubiläumsjahr des Erlanger Comic-Salons gab es 2024 eine Menge zu sehen und zu erleben, in Ausstellungen über Erlangen verteilt und Talk-Runden en masse, ein Einblick hier: https://www.comic-salon.de/de/ausstellungen und https://www.comic-salon.de/de/veranstaltungen. Schlangen gab es vor allem am Eingang zu Halle A zu sehen, mit den großen Verlagen – und drinnen dann bei den Signier-Stunden der Comic-Künstler: Für mich immer wieder überraschend, wie geduldig die Menschen ausharren, gar im Regen... Für viel Interaktion war gesorgt, Beispiel gebend vielleicht auch für manche Trainer, Coaches, Berater: Für Kids wie für Fans generell via Mitmach-Aktionen u.a. mit dem in Barcelona lebenden deutschen Disney-Zeichner Ulrich Schröder – und vielerlei Einblicke ins Tun, ins Entstehen von Illustrationen und Comics, etwa in Halle C und bei vielen Events, auch im Freien = Schlossgarten, trotz des Dauer- und Starkregens = dann eben unterm Dach von großen Schirmen…
Erlanger Max und Moritz Preise 2024, der deutsche Comic-Oskar, Deutschlands nach wie vor wichtigster Comic-Preis: Gleich drei (von insgesamt 6!) gingen in die Schweiz: Neben Hauptpreisträgerin Anna Sommer zudem Nando van Arb („Fürchten lernen", bester deutschsprachiger Comic), Tobias Aeschbacher (Bestes deutschsprachiges Comic-Debüt „Der Letzte löscht das Licht "). Ein nie dagewesener, geradezu inflationärer Schweizer Preisregen – nichts gegen den Preis für Thomas Ott in den Anfängen des Salons… Echt jetzt?! Was sogar dem diesmal ohne Hella von Sinnen plaudernden Moderator als überraschend klar sein musste, stellte der doch launig (und keineswegs neutral) Bezüge zum ESC-Gewinn der Schweiz her: Christian Gasser, seines Zeichens – Schweizer (ein Schelm, wer Böses dabei denkt...!). Da kam einem doch glatt „honni soit…“ in den Sinn, doch den Gewinnern sei´s vergönnt, entschieden aus gesamt 25 Nominierten in sechs Kategorien (plus drei Extras).
Anyway, hier geht´s zur Übersicht der Preisträger, darunter zwei, die das jedenfalls verdient haben und alle anderen deutlich überragten, Barbara Yelin mit dem Sonderpreis der Jury und der französische Starzeichner und -AutorJoann Sfar fürs Lebenswerk und seine klare Haltung gegen Judenhass in Europa und weltweit: https://www.comic-salon.de/de/preistraeger-innen Besonders zu erwähnen: Die gelungene Comic-Vertonung von Itay Dvori, mit der die beiden Sonderpreisträger geehrt wurden – Bild-Geschichten hörbar gemacht, wow! Wobei der vorüber gehend das Klavier übernehmen durfte, von der Namensgeberin des Victoria-Pohl-Trios, das den Gala-Abend ansonsten musikalisch begleitete.
Wie immer war der Comic-Salon ein Fest für die Sinne, für den visuellen vor allem, naturgemäß: Da gab es eine Menge zu entdecken, für Comic- und Manga-Begeisterte jedweder Art, aber nicht zuletzt auch für Weiterbildner jeglicher Couleur, was an Visualisierungen möglich ist (siehe auch oben „Interaktion“) – und mit Material, bis hin zur Preisträgerin Anna Sommer, die das Schneidmesser zu einer anderen Art des Zeichnens entwickelt hat. Eigentlich hatte der Schreiber dieser Zeilen gehofft, wie in früheren Jahren, auch dieses Mal auf den GABAL-Mitstreiter Michael Lier zu treffen (Cinevita…), doch der war möglicherweise gerade da in Halle C auf der Suche nach Zeichnern, als selbiger anderweitig unterwegs war: dann eben ein anderes Mal J … Alles in allem: Über 30.000 besuchten – neuer Allzeit-Besucherrekord - dieses Mal Messe & Co. mit 300 Messeständen plus 500 Künstlerinnen und Künstler, 23 Ausstellungen und 200 Einzel-Veranstaltungen sorgten die Erlanger Festival-Macher:innen mal wieder für Festival-Furore der besonderen Art… Und natürlich gab´s auch Cosplay, hier eines der gelungenen Beispiele:
Festival-Fazit, Versuch eines solchen: Alles Erlangen – und nur das?! Nun, Kollege Martin Frenzel ehrt Erlangen auf unserer Homepage mit der treffenden Titel-Schlagzeile: „Cannes der germanischen Comic-Kultur" - und lobt die – bis auf eine Ausnahme – wiedermal grandiose Erlanger Comic-Biennale, allen voran die große Joann Sfar-Retrospektive, die Katzenjammer Kids-Schau um Rudolph & Gus Dirks, Harold Knerr & Co., die phänomenale Wasser im Comic-Erlebnisschau von Winsor McCay bis Jacques Tardi, die erschütternde Ukrainekrieg im Comic- und die exzellente Blutch Lucky-Luke-Ausstellung... Folglich also unser COMICOSKOP-Resümee zum guten Schluss: „Wer kann, der Cannes“?! Wehmut übers Ende der vier tollen Tage der neunten Kunst in der fränkischen Hugenotten- und Universitätsstadt zwar schon, zugleich aber schon jetzt große Vorfreude aufs nächste Mal – denn: Nach dem Erlanger Comic-Salon ist bekanntlich vor dem Salon, jawohl! Auf ein Neues dann vom 04. bis 07. Juni 2026 – save the date!
HPR
COMICOSKOP-Redakteur der ersten Stunde: Hanspeter Reiter, Jg. 1953, erblickte in München das Licht der Welt, ist Comic-Experte aus Leidenschaft, lebt in Landsberg am Lech bei München (nach vielen Jahren in Köln). Studium der Allgemeinen Sprachwissenschaft, Phonetik/Sprachlichen Kommunikation und Finnougristik an der LMU München, vorher Volkswirtschaft / Pädagogik; M.A. phil. Mehr als 30 Jahre Erfahrung als Trainer und Berater im Bereich Verlagswerbung, -vertrieb und -Kommunikation und Weiterbildung. Spezialist für Verlagsmarketing. Schreibt seit COMICOSKOP-Gründung 2014 über den deutschen Comic-Markt, bundesdeutsche Comic-Geschichte, Comic & Werbung (wie z.B. "Lurchi") u.v.m. Fertigt seine COMICOSKOP-Rezensionen so fix, wie Lucky Luke den Colt zieht, schneller als sein Schatten. Seit kurzem ist er auch COMICOSKOP-Abgesandter im neuen Comic-Arbeitskreis der Frankfurter Buchmesse. COMICOSKOP-Kürzel: HPR.