Comicoskop-Rubrik: Charlie Hebdo

Der Mordanschlag vom 7. Januar 2015 und die Folgen / Cabu & Georges Wolinski waren keine "Journalisten", sondern schon zu Lebzeiten Klassiker der frankobelgischen Comic-Kultur 

7. Januar 2015: Frankreichs führende Comic-Satiriker Cabu und Georges Wolinski feige ermordet

Blutiger Terroranschlag auf Pariser Comic-Satireblatt "Charlie Hebdo" / Das Massaker trifft Crème de la Crème der politischen Bildgeschichte Frankreichs / Chefredakteur Stéphane Charbonnier unter den 12 Mordopfern / 20 Verletzte /  Spontane Solidaritäts-Demos in ganz Frankreich und anderen europäischen Städten wie in Berlin / Tenor: "Nous sommes Charlie!"

Mindestens zwölf Tote / Täter drangen mit Kalischnikoff und Raketen-Flammenwerfer in Redaktion der Traditionszeitschrift ein / Gewaltakt wegen Satire auf den Schriftsteller Houellebecq?

Von COMICOSKOP-Chefredakteur Martin Frenzel

PARIS. Dieser Mittwoch, der 7. Januar 2015, wird in die

Geschichte Frankreichs als ein Alptraum eingehen: Drei vermummte Männer, bis

auf die Zähne schwer bewaffnete Männer haben die Redaktion des legendären französischen Satireblatts „Charlie Hebdo“ in Paris gegen 11.30 Uhr gewaltsam gestürmt. Die drei maskierten Täter drangen mit einer Kalaschnikow in die Räume der renommierten, für ihre radikale

Kritik an allen (!) Religionen berühmte Zeitschrift ein, riefen “Allahu Akbar” und begannen offenbar eine regelrechte brutale Hinrichtung, in dem sie die Namen ihre Opfer riefen. Zu diesem Zeitpunkt tagte die Redaktion von Charlie Hebdo. Tenor eines Überlebenden: "Die haben regelrecht nahezu die ganze Redaktion hingerichtet."

Während der Tat sollen sie Parolen wie Allah Akbar („Allah ist groß“) und On a vengé le prophète Mohamed ! („Wir haben den Propheten Mohammed gerächt“) gerufen haben.Zwölf Menschen wurden brutal ermordet, darunter zwei Polizisten. 20 Menschen wurden – zum Teil: schwer – verletzt. Die Täter befanden sich bis Redaktionsschluss auf der Flucht. Präsident Hollande hat eilends eine Krisensitzung einberufen. Zu den Opfern gehören nicht nur in Frankreich bekannte Charlie Hebdo-Chefredakteur und Zeichner Stéphane Charbonnier, genannt Charb (47). Charbonnier hatte das Magazin seit sechs Jahren, seit 2009, geleitet und dabei mit seiner  mutigen Haltung aufrechten Gang und Zivilcourage bewiesen. Selbst nach dem verheerenden Anschlag auf die Redaktionsräume „Charlie Hebdos“ von 2011, bei der es keine Opfer gab, aber erheblichen, geradezu verheerenden Sachschaden, blieb er unbeirrt. Charbonnier damals: "Ich habe keine Angst vor Repressalien. Ich habe keine Kinder, keine Frau, kein Auto, keine Schulden. Das klingt jetzt sicherlich ein bisschen schwülstig, aber ich sterbe lieberaufrecht, als auf Knien zu leben." Noch kurz vor seiner Ermordung schrieb der Chefredakteur Charbonnier dieser Tage: "Noch immer kein Attentat in Frankreich!" Und er schrieb, im Rückblick makaber: "Na, warten wir's ab, bis Ende Januar kann man sich was wünschen."

Der Mordanschlag traf auch zwei große alte Männer der frankobelgischen Bande Dessinée (auch wenn deutschsprachige Medien auf diesen Aspekt überhaupt nicht eingingen): Unter den Opfern sind auch zwei der bedeutendsten französischen Comic-Satiriker, die beide schon zu Lebzeiten

Frankreichs Satire-Gewissen der Nation: Cabu

(c) Foto: Charlie Hebdo

 

Legenden und ein regelrechter Mythos waren: Georges Wolinski (auch in Deutschland veröffentlicht und enger Weggefährte des nicht minder frivol anzüglichen Jean-Marc Reiser) und der bei uns kaum bekannte, aber in Frankreich eine nationale Saitire-Institution darstellende Cabu alias Jean Cabut sind unter den Mordopfern. Um zu verstehen, WER da eigentlich feige ermordet wurde, muss man sich klarmachen, dass diese beiden erstklassigen  Comic-Künstler in Frankreich ein ähnliches Ansehen genießen wie Loriot oder F. K. Waechter oder Chlodwig Poth. Von der Bedeutung für die Satire, muss man Wolinski und Cabu mit der Klasse eines Dieter Hildebrandt vergleichen. Zumal in Frankreich Bild-Künstler, Comic-Zeichner, Karikaturisten, Cartoonisten ohnehin ein hohes Ansehen genießen – und politische Satire als Teil der demokratischen Kontrolle der Mächtigen (egal welcher Couleur) gesehen werden.

Insofern die krude und oberflächliche deutsche Fernsehberichterstattung in den Sendungen von ARD und ZDF irritierend schlecht und schludrig recherchiert: Bei den Mordopfern handelte es sich eben nicht um „Journalisten“, wie ununterbrochen auf beide Kanälen im Plural behauptet wurde, sondern weit überwiegend (!) um renommierte politische Comic-Künstler, Cartoonisten und Karikaturisten – ganz in der langjährigen Tradition der politischen Bildgeschichte Frankreichs seit den Zeiten eines Honoré Daumier, seit der Ära der großen Satirezeitschriften „La Caricature“, „Le Rire“ oder „Charivari“.

Cabu alias Jean Cabut wurde am 13. Januar 1938 in Paris geboren und gehörte seit den frühen 1970er Jahren zu den namhaftesten politischen Comic-Zeichnern seines Landes. Er veröffentlichte zahlreiche politisch-satirische Comic-Alben bei seinen bei den Hausverlagen Dargaud und Albin Michel, darunter seine mehrere Alben umfassende Satire-Serie „Le Grande Duduche“, die erstmals 1972 als Album erschien. Der 68er Cabut war DER politische Seismograph Frankreichs, er zog die politischen Eliten – von de Gaulle über Pompidou, von Mitterand über Chirac bis Sarkozy und Francois Hollande – herrrlich durch den Kakao.

Cabu war seit 1970, seit 45 Jahren  ständiger Mitarbeiter des Satireblatts Charlie Hebdo - fast ein halbes Jahrhundert lang. Er gehörte zum Inventar der Zeitschrift, mehr noch: Zum kollektiven satirischen Gedächtnis der Nation. Zuvor hatte Cabu auch für die nicht minder legendäre Satirezeitschrift “Hara-Kiri“ (zusammen mit dem ebenfalls am 7. Januar 2015 ermordeten Georges Wolinski, aber z.B. auch der junge Jean Giraud alias Moebius) gearbeitet und für „Pilote“.

Cabu wurde im Zuge der 1970er Jahre immer politischer und zählte sich fraglos zur politischen Linken, wie der konservative “Le Figaro” bemerkt.

Zahlreiche Buch- und Albencover stammen aus Cabus Feder:Er arbeitete zudem fürs Fernsehen, fertigte Jazz-Plattencover. Zuletzt zeigten das Pariser Rathaus 2006-2007 und die Buchhandlung Goscinny (2008-2009) Werkausstellungen Cabus. Im Oktober 2014 erschien Cabus „L'Intégrale beauf“ beim Verlag Michel Lafon. Bereits 1998 war ebendort die Comic-Anthologie „ Mai 68“ erschienen, die neben Cabu auch die Kollegen Wolinski, Cavanna, Siné und Gébé präsentierte. Cabu wurde am 7. Januar 2015 brutal, im Alter von 76 Jahren, ermordet.

Georges Wolinski, der ebenfalls brutal am 7. Januar 2015 im Alter von 80 Jahren ermordet wurde, sah das Licht der Welt am 28. Juni 1934 in Tunis (Tunesien) und war 2014 80 Jahre alt geworden. Wolinski war Sohn eines polnischen Juden und eineritalienischen Katholikin. Seit 1946 lebte die Familie in der Wahl-Heimat Frankreich. Er studierte zunächst Architektur, schlug dann aber die Laufbahn eines Comic-Zeichners und politischen Karikaturisten ein. Wolinski gehörte wie sein ermordeter Kollege Cabu zu den absolut herausragenden Vertretern der scharfen politischen Comic-Satire Frankreichs.

 

Begnadeter Comic-Satiriker, (selbst erklärter) Erotomane und wie Cabu schon zu Lebzeiten ein Mythos: Georges Wolinski / Foto: (c) Salon du Livre Paris

 

Begonnen hatte seine Karriere bereits 1960, vor 55 Jahren (!),  fürs legendäre Satireblatt „Hara-Kiri“. In der Blütezeit der legendären Comic-Zeitschrift „Pilote“ war es kein Geringerer als Jean-Marc Reiser (1941-1983), der für Kollegen wie eben jenen Wolinski, aber auch Cabu, Mandryka, Marcel Gotlib (der später in seiner eigenen Hauspostille "Fluide Glacial" die Satire auf die Spitze trieb) und Alexis die Texte schrieb.

Von 1970 bis 1981 war Wolinski obendrein langjähriger Chefredakteur eben jenes Blattes, für das er mit dem Leben bezahlte: Charlie Hebdo.

Er galt, wie die Berliner "Jüdische Allgemeine" treffend schreibt, ähnlich wie Cabu,  ein lebender Mythos und als solcher einer der produktivsten zeitgenössischen Karikaturisten Frankreichs.

Zwischen 1970 und 1981 war er Chefredakteur von »Charlie Hebdo«. Dank seines Engagements zog „Charlie Hebdo“ namhafte Comic-Serien an Land, darunter US-Zeitungscomic-Klassiker wie „Krazy Kat“ und „Popeye“, Chester Goulds Dick Tracy, Al Capps „L’il Abner“ und Charles M. Schulz‘ „Peanuts“, aber auch die Arbeiten Guido Bruzellis und des Argentiniers José Munoz, des italienischen Erotomanen Guido Crepax, sowie Benito Jacovitti. Wolinski arbeitete für zahlreiche Medien wie die kommunistische Tageszeitung L’Humanité, aber auch für den "France Soir", "Paris-Match", Télerama" und eben fürs Satiremagazin Charlie Hebdo.

Zu seinen Polit-Comics gehörte die Serie „Monsieur“,mit der er die politischen Verhältnisse in Frankreich aufs Korn nahm. Seit den 1970er und 80er Jahren ironisierte Wolinski in über 30 Alben die gescheiterten Illusionen der 68er Bewegung. Er war selbst einer der ihren. Internationale Berühmtheit erlangte Georges Wolinski als Texter des Erotikcomics „Paulette“,gezeichnet von Georges Pichard. Von da an war er der Nestor der Wollust in Comicform. 2005 erhielt Wolinski den begehrten Grand Prix des wichtigsten französischen, zugleich bedeutendsten europäischen Comic-Festivals zu Angoulême.

Er war neben seinem Weggefährten Jean-Marc Reiser zweifelsohne eine umstrittener „Sexmaniac“, ein Erotomane aus Passion, dessen nicht selten derbe und deftige Sex-Satiren kein Blatt vor den Mund nahmen… und er war wie Reiser ein Meister des skizzenhaft-rotzigen Zeichenstils. Wolinski lebte seine sexuellen Obsessionen derart ungezügelt aus, dass selbst seine eigene Ehefrau anmerkte, er verhalte sich „frauenfeindlich“ und sei ein "Chauvi". Im Grunde seiner Herzens war er wohl ein Radikal-Libertärer Freigeist. Erst jüngst brachte ARTE TV ein sehenswertes Porträt: Darin besuchte Wolinski seinen Freund, den nicht minder herausragenden italienischen Erotikcomic-Star Milo Manara..

1982 war Wolinski auch kurzzeitig Chefredakteur des Comicmagazins „L’Echo des Savanes“, jenes Magazins, das den deutschen Comic-Zeichner Matthias Schultheiß veröffentlichte.

Wolinski schrieb auch zwei Theaterstücke – nämlich "Je ne pense qu’à ça", „Je ne veut pas mourir idiot“ (dt. "Ich will nicht sterben Idiot") 1968 und „Le Roi des Cons“ (1975, dt. Der König der Schweine). Er tummelte sich auch im Filmmetier ("Aldo et Junior"), dito als Schriftsteller
("Lettre ouverte à ma femme").

1989 erschienen seine Erinnerungen bei L’Echo desSavanes.

Wolinski arbeitete auch für Zeitungen wie die linksliberale »Libération« oder das politische Nachrichtenmagazin »Le Nouvel Obsérvateur« (Letzteres war auch Hauspostille von Claire Bretèchers "Die Frustrierten"). Sich selbst nannte er einmal, ein wenig zu bescheiden, einen »Chronisten des aktuellen Geschehens«. Er wolle einfach gute Zeichnungen machen, die Leute zum Lachen zu bringen, so sein Credo.

Als in die Kugeln seiner Mörder trafen, an jenem 7. Januar 2015, war Wolinski 80 Jahre alt.

Ebenfalls ermordet wurde am 7. Januar 2015 die beiden Charlie Hebdo-Zeichner Tignous, alias Bernard Verlhac und Philippe Honoré und der einzige echte Journalist Bernard Maris, Mitinhaber des Blatts.

 

Nachdem das Satireblatt "Charlie Hebdo" zunächst die Mohammed-Karikaturen der rechtskonservativen, nicht selten rechtspopulistischen, auch schon VOR dem Hype um die "Mohammed-Karikaturen" konsequent islamophoben dänischen "Jyllands Posten" 2006 nachgedruckt und seine Verkaufszahlen damit verdreifacht hatte, damit aber wohl auch endgültig ins Fadenkreuz islamistischer Fanatiker geriet, kam im November 2011 eine Sondernummer mit dem Titel "Charia Hebdo" auf den Markt. Am Vorabend der Auslieferung wurde der Redaktionssitz Ziel eines Brandanschlags.

Auf dem Titel der aktuellen Ausgabe der Charlie Hebdo wird das neue Buch „Submission (dt. “Unterwerfung”) des umstrittenen französischen Autors und Agent Provocateurs Michel Houellebecq vorgestellt. In dem Buch beschäftigt sich der Autor mit der Fiktion einer Islamisierung Frankreichs unter einem muslimischen Präsidenten 2022, damit kräftig Wasser auf die Mühlen der rechtsextremen und rassistischen Front National und Marine LePen gießend.

Die lange Tradition der politischen Satire-Zeitschriften setzte in Frankreich schon vor 150 Jahren europaweit Maßstäbe: Zu nennen sind in erster Linie „La

(c) Cover: Albin Michel 

 

Caricature“ (1830 – 1843) und „Le Charivari“ (1832-1937) oder das „Journal amusant“ (1856-1933). Stilprägend waren später Satireblätter wie „Le Rire“(1894-1950er) und „Hara-Kiri“ (1960-85), „Le Canard Enchainé“ (seit 1915 – und damit Europas einzige reguläre Satire-Zeitung) und Hara-Kiri Hebdo“ (ab 1969), aus der sich später eben „Charlie Hebdo“ herauskristallisierte.

Charlie Hebdo ging 1969 aus dem verbotenen Anarchomagazin Hara-Kiri hervor, das von 1960 an monatlich erschienen war und zeitweilig verboten wurde. Nachdem 1970 auch die parallel erscheinende wöchentliche Ausgabe L’hebdo Hara-Kiri Opfer eines staatlich reglementierten Verbots wurde, gründeten die ursprünglichen Mitarbeiter von Hara-Kiri im gleichen Jahr das Wochenmagazin Charlie Hebdo. Mit von der Partie: Cabu und Wolinski. Der Name  des Journals versteht sich als eine Reverenz an Charles M. Schulz‘ Antihelden in der Serie „Peanuts“, Charlie Brown, „Hebdo“ ist die Kurzform für „Hebdomadaire“ (dt. Wochenzeitschrift).

„Charlie Hebdo“ wurde 1981 nach dem Erscheinen der Nummer 580 eingestellt. 1992 erlebte das Satireblatt Charlie Hebdo seine Wiederauferstehung: Seitdem galt die Satirezeitschrift längst – neben Le Canard enchaîné – bis zum 7. Januar 2015 als bedeutendste Satirepublikation Frankreichs. Das Credo Charlie Hebdos war von Beginn an ein scharfer, dezidierter Antiklerikalismus und libertärer, radikalliberaler Laizismus – gegenüber jedweder Religion. So bekamen nicht nur Muslime, sondern auch Christen (insbesondere Katholiken und der Papst) und Juden hier regelmäßig ihr Fettweg. Nichts war Charlie Hebdo schon aus Prinzip heilig.

Am 2. Januar 2013 erschien in Charlie Hebdo denn auch folgerichtig eine Comic-Biographie  des Propheten Mohammeds (La Vie De Mahomet).

Trotz des blutigen Anschlags mit zwölf Toten soll die französische Satirezeitung "Charlie Hebdo" weiter erscheinen. "Wir werden weitermachen", so der "Charlie Hebdo"-Kolumnist und Autor Patrick Pelloux laut Nachrichtenagentur AFP. SPIEGEL Online zufolge war Pelloux als einer der ersten vor Ort, um als Notarzt erste Hilfe zu leisten. Man habe sich entschieden, "kommende Woche eine Ausgabe herauszugeben. Wir sind alle einverstanden." So würden die überlebenden Charlie Hebdo-Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten, da die Redaktionsräume wegen der laufenden Ermittlungen nicht genutzt werden könnten. "Wir werden zurechtkommen", so Pelloux.

Der brutale Pariser Anschlag vom 7. Januar 2015 war ein menschenverachtender Akt der Barbarei – ein Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit, letztlich ein Angriff auf unser aller liberale Demokratie.

Die Comicoskop-Redaktion verneigt sich vor den Opfern und ihren Angehörigen: NOUS SOMMES CHARLIE AUSSI!

 

KMF


Dieser Comicoskop-Artikel ging am 7. Januar 2015 erstmals online - und war damit der erste deutschsprachige Beitrag, der darauf hinwies, dass es sich bei den ermordeten Charlie Hebdo-Mitarbeitern Cabu und Wolinski nicht um "Journalisten", sondern um herausragende Comic-Künstler handelte.

"Cabu au panthéon": Warum "Charlie Hebdo" nicht sterben darf und Cabu, Wolinski  & Co keine Journalisten sind...

oder: Der Mord, die Macher und die Medien

Nach dem Terroranschlag aufs Satireblatt "Charlie Hebdo": Warum berühmte französische Comic-Zeichner in Deutschland zu "Journalisten" mutieren / Nachrichten aus dem Tal der Ahnungslosen

Von Comicoskop-Chefredakteur Martin Frenzel

Die Kalaschnikoff-Kugeln des 7. Januar 2015 haben Frankreich mitten ins Herz getroffen.

Der Terroranschlag tötete zwei der berühmtesten französischen Star-Comic-Zeichner - Cabu und Georges Wolinski. Generationen von Französinnen und Franzosen sind mit den beiden Giganten der frankobelgischen Bande Dessinée aufgewachsen. Cabu, der hier in Deutschland kaum bekannt ist, hat in Frankreich eine ähnlichen Stellenwert wie bei uns Loriot und Dieter Hildebrandt auf einmal. Beide - Cabu und

Wolinski - waren erstklassige

 

Die Titelseite der französischen Tageszeitung Libération, Januar 2015 (c) Libération

 

politische Comic-Satiriker von Rang: Will man begreifen, wer da am Mittwoch, 7. Januar 2015 im 11. Pariser Arrondisement ermordet wurde, möge sich klarmachen, dass gerade ein Cabu eine Art satirisches Gewissen der Nation war. Er nahm einen Rang ein, wie ehedem in Westdeutschland der Schriftsteller Heinrich Böll, als moralisches Gewissen der Nation. Cabu nahm in seinen Comics Spießertum, Rassismus, Engstirnigkeit und Verabsolutierung von Religion aufs Korn. Er hat mit seinen Comic-Klassikern "Grande Dedouche" und "Mon Boeuf" nicht nur Comic-Geschichte geschrieben, sondern er war der in Frankreich hoch angesehene Till Eulenspiegel der Grande Nation. Von der Bedeutung für Frankreich noch wichtiger als der bei uns zumindest sporadisch publizierte Wolinski.

Beim Republikanischen Trauermarsch in Paris vom 11. Januar 2015, der anderthalb Millionen Menschen auf die Beine brachte, standen Plakate zu lesen mit der Aufschrift: "Cabu au panthéon" (dt. Cabu ins Pantheon).

Cabu hätte dieses Ansinnen, so radikal-anarcho-libertär er war, künftig neben Napoleon Bonaparte und de Gaulle seine letzte Ruhe zu finden, brüsk abgelehnt. Aber die von der Lebensgefährtin des ebenfalls ermordeten Charlie Hebdo-Chefredakteurs erhobene Forderung zeigt nur eins: Welchen Stellenwert dieser Cabu in Frankreich genießt. Georges Wolinski hingegen war der Doyen, der Nestor der sexuellen Revolution im Comic - und als er selbst Chefredakteur von "Charlie Mensuel" war, ein großer Förderer der Neunten Kunst.

Stell Dir vor, in Frankreich werden berühmte Comic-Zeichner ermordet - und keiner in den bundesweiten deutschen Fernseh- und Zeitungsredaktionen merkt's: Auch Tage nach dem Mordanschlag, nachdem mit erheblicher Verspätung - das COMICOSKOP war das erste deutschsprachige Medium, das auf diesen Aspekt der ermordeten Comic-Künstler hinwies - zumindest Teile des deutschen Feuilletons die falsche Berichterstattung korrigierten (FAZ, Berliner Zeitung, Tagesspiegel), wird weiter munter insbesondere auf der Mattscheibe in den sogenannten Leitmedien vor einem Millionenpublikum von ermordeten "Journalisten" fabuliert. Zuletzt tat dies Ulrich Deppendorf in der ARD, als er nach dem Pariser Trauermarsch von den "großartigen Journalisten von Charlie Hebdo" sprach. Cabu, Wolinski - großartige Journalisten? Unfug! Großartige Comic-Satiriker waren Sie, Comic-Künstler par excellence, Meister des grafischen Erzählens...

Die Medien-Berichterstattung in Deutschland über den Mord und die Macher läßt tief blicken: Offenbar es doch einen kulturell noch immer GROSSEN GRABEN (um Asterix zu zitieren) zwischen der europäischen Hochburg des grafischen Erzählens Frankreich/Belgien einerseits und dem germanischen Tal der Ahnungslosen jenseits des Rheins. Dabei hätte diese schludrig-schlampige und letzten Endes irreführende Berichterstattung nicht sein müssen. Der Blick ins Internet kann da wahre Wunder helfen.

Es gilt zu verstehen, dass Cabu in Frankreich längst - und dies schon zu Lebzeiten - im Pantheon des kollektiven Gedächtnisses Frankreichs weilte - er muss da nicht mehr hin, er war (in einem virtuellen Sinne) schon lange da. Das Gleiche gilt auch für den nicht minder grandiosen Comic-Künstler Georges Wolinski, der nicht 2015, wie die "Süddeutsche" irrig auf Seite 3 (!) schrieb, seinen 80. hätte begehen sollen, sondern bereits letztes Jahr, 2014 80. Geburtstag feierte (nachzulesen z.B. seit Anfang Januar im großen 2014er Jahresrückblick der Comic-Jubiläen auf COMICOSKOP).

Man stelle sich vor: ARD und ZDF hätte nicht unentwegt von getöteten "Journalisten" gesprochen, die da brutal ermordet wurden, sondern von begnadeten Comic-Zeichnern - noch dazu politisch-satirischen, mit einem erwachsenen (!) Leserinnen- und Leserpublikum! Das hätte eine Kulturrevolution bedeutet... Ups, Comic ist ja mehr als "Fix und Foxi"!

Die Art und Weise der deutschen Berichterstattung über die Ereignisse in Frankreich lässt tief blicken: Sie offenbart erschreckende Unkenntnis über die Bedeutung der Comic-Kultur für unsere französischen Nachbarn und sie läßt erkennen, wie gering der Stellenwert von Comic-Künstlern - an Frankreich gemessen - demgegenüber in Deutschland noch immer ist.

Daniel Cohn-Bendit hat Recht: Charlie Hebdo darf nicht sterben! Das Magazin muss nicht nur um seiner selbst willen weiter erscheinen, sondern um unserer Demokratie, der Presse- und Meinungsfreiheit willen. Und nicht zuletzt: Für das Grundrecht, andere durch den Kakao zu ziehen, ohne dafür totgeschlagen oder niedergemacht zu werden. Es ist tief in der französische Mentalität verankert: Sich über sich selber lustig zu machen, die Kunst, über sich selber zu lachen (und eben nicht nur, wie hierzulande, üblich schadenfroh über Andere). Der radikalliberale, radikaldemokratische Satire-Humor von Charlie Hebdo, Le Canard Echainé oder Siné Mensuel, der Ur-Enkel Honoré Daumiers, Charles Philipons und Caran d'Aches richtete sich traditionell gegen ALLE Religionen - ohne Ausnahme. Dieses radikaldemokratische Moment, dieser Anarcho-Ansatz des "Keine Macht für niemand!" (auch für keine Religionsfanatiker) - übrigens der entscheidende Unterschied zum Fall der rechtskonservativen, schon immer notorisch islamophoben dänischen Jyllands-Posten, deren Mohammed-Karikaturen nur gegen EINE Religion zielten - ist am 7. Januar 2015 mitten ins Herz getroffen worden.Es ist schon tragisch, dass der ermordete Chefredakteur Stéphane Charbonnier („Charb“) nun posthum mit einem Buch gegen Islamophobie erscheint.

Der Mordanschlag des 7. Januars 2015 berührte das laizistische Selbstverständnis der Französinnen und Franzosen: Staat und Religion müssen in einer demokratischen Gesellschaft getrennte Sphäre sein. Traf ein Land, indem politische Comic-Satire wesentlicher Teil der vierten Gewalt im Montesquieuschen Sinne der Gewaltenteilung darstellt. Charlie Hebdo & Co erfüllen Washington Post-Funktion. So ist kein Zufall, dass Christophe Blains brillante Polit-Comicsatire "Quai d'Orsay" eine ähnliche Wirkung in Frankreich hatte wie die Berichterstattung jener US-Zeitung über die Nixon-Watergate-Affäre.

Politische Comic-Satire in Frankreich erfüllt traditionell seit Honoré Daumiers Zeiten die Aufgabe des Emile Zola'schen J'accuse" (Ich klage an!), der unabdingbaren Kontrolle der Mächtigen - und zwar ganz egal, welcher parteipolitischen (oder religiös-politischen) Couleur.

Die linksliberale Tageszeitung "Libération" sprach dieser Tage von "humour du risque", vom Risiko des Humors. Man könnte auch sagen: Comic-Satiren seien in diesen Zeiten lebensgefährlich.

Aber, um es klar zu sagen: Auch in Zeiten der Risikogesellschaft (Ulrich Beck) muss das Recht auf Satire unter allen Umständen verteidigt werden. Es geht im Kern um den Fortbestand der liberalen Demokratie. Die gilt es gegen Fundamentalisten zu schützen - gegen Radikalislamisten genauso wie gegen Pegida-Rechtspopulisten. Deshalb: Charlie Hebdo muss weitererscheinen, Charlie Hebdo darf nicht sterben. Es geht eigentlich um das berühmte Toleranz-Credo Voltaires: "Ich bin nicht einverstanden mit dem, was Sie sagen, aber ich würde bis zum Äußersten dafür kämpfen, daß sie es sagen dürfen."

Deswegen muss Charlie Hebdo weiterleben. Das sind wir Cabu, Georges Wolinski und all den anderen Mordopfern schuldig.


Die beiden Doyens der politischen Comic-Satire Frankreichs ermordet: Cabu und Georges Wolinski - das nationale Trauma des 7. Januar 2015

Cabu (1938 - 2015): Der "lebende Daumier"

Ein Nachruf von Comicoskop-Redakteur Martin Frenzel

Nein, es waren keine "Journalisten", wie deutsche Fernseh- und leider auch Printmedien fälschlich vermuteten, sondern zwei der berühmtesten französischen Comic-Zeichner, die am 7. Januar 2015 bei dem feigen Mordsanschlag gegen das Satireblatt "Charlie Hebdo" sterben mussten: Cabu und Georges Wolinski leben nicht mehr.

Wie der frühere Chefredakteur von Charlie Hebdo, Philippe Val, treffend formulierte: "Sie hinterlassen ein Loch, eine nicht wieder auszufüllende Leere. Stellen Sie sich vor, man hätte im 19. Jahrhundert auf einen Schlag Zola, Hugo, Stendhal, Flaubert ermordet. Was uns dann heute fehlen würde. Genau das ist jetzt passiert." 


Cabu alias Jean Cabut wurde am 13. Januar 1938 in Paris geboren und gehörte seit den frühen 1970er Jahren zu den namhaftesten politischen Comic-Zeichnern seines Landes. Er veröffentlichte zahlreiche politisch-satirische Comic-Alben bei seinen bei den Hausverlagen Dargaud und Albin Michel, darunter seine mehrere Alben umfassende Satire-Serie „Le Grande Duduche“, die 1964 in "Pilote" debütierte und erstmals 1972 als Album erschien. Im Blickpunkt dieser Comic-Satire steht ein tapsiger Gymnasiast, gespeist aus Cabus eigenen autobiografischen Erlebnissen am Gymnasium in Châlons sur Marne. Cabus Held wagt den Aufstand gegen autoritäre Strukturen, Spießertum und Kleinbürgerlichkeit.

1973 schuf Cabu seinen zweiten Kultcomic "Mon Beauf" (dt. Mein Macker, besser vielleicht noch: Vulgärer Schnösel), ebenfalls für die Goscinny-Postille "Pilote". Cabu schuf mit "Beauf" das Psychogramm eines vulgären, unflätigen, ungebildeten Spießbürgers und Prolos. Das Cabu-Wort "Beauf" ging sogar in die französische Alltagssprache ein. Ein Macho und Rassist, der alles hasst, was modern ist, die Intellektuellen, die Frauen, der auch deftigen  Witze nicht abhold ist, ein Unsympath vor dem Herrn...

Der 68er Cabut war DER politische Seismograph Frankreichs, er zog die politischen Eliten – von de Gaulle über Pompidou, von Mitterand über Chirac bis Sarkozy und Francois Hollande – herrrlich durch den Kakao.

Cabu war seit 1970, seit 45 Jahren  ständiger Mitarbeiter des Satireblatts Charlie Hebdo - fast ein halbes Jahrhundert lang. Er gehörte zum Inventar der Zeitschrift, mehr noch: Zum kollektiven satirischen Gedächtnis der Nation. Zuvor hatte Cabu auch für die nicht minder legendäre Satirezeitschrift “Hara-Kiri“ (zusammen mit dem ebenfalls am 7. Januar 2015 ermordeten Georges Wolinski, aber z.B. auch der junge Jean Giraud alias Moebius) gearbeitet und für René Goscinnys „Pilote“. Goscinny hatte ihn, Cabu, von "Hara-Kiri" abgeworben und leitete damit eine Revolution im eigenen Haus ein.

Cabu wurde im Zuge der 1970er Jahre immer politischer und zählte sich fraglos zur politischen Linken, wie der konservative “Le Figaro” bemerkt.

Zahlreiche Buch- und Albencover stammen aus Cabus Feder:Er arbeitete zudem fürs Fernsehen, fertigte Jazz-Plattencover. Zuletzt zeigten das Pariser Rathaus 2006-2007 und die Buchhandlung Goscinny (2008-2009) Werkausstellungen Cabus. Im Oktober 2014 erschien Cabus „L'Intégrale Beauf“ beim Verlag Michel Lafon. Bereits 1998 war ebendort die Comic-Anthologie „ Mai 68“ erschienen, die neben Cabu auch die Kollegen Wolinski, Cavanna, Siné und Gébé präsentierte. Cabu wurde am 7. Januar 2015 brutal, im Alter von 76 Jahren, ermordet.

 

Foto Cabu (c) BDZoom

"Humor bedeutet, dass kein Thema tabu ist. Man darf vor nichts zurückweichen. Außer vor der Boshaftigkeit. Wir sind grausam, aber nicht böse."   Georges Wolinski

Georges Wolinski (1934 - 2015): Erotomane, Polit-Satiriker und Berufs-Pessimist

Ein Nachruf von Comicoskop-Chefredakteur Martin Frenzel

 Die angesehene Tageszeitung "Le Monde" nannte ihn einen "Erotomanen und (Berufs-)Pessimisten", France-Info bezeichnete ihn als Doyen der politischen Comic-Satire Frankreichs: Noch immer ist unfassbar, dass Georges Wilinski und auch der nicht minder herausragende, wenn auch bei uns weniger bekannte große französische Till Eulenspiegel der politischen Bande Dessinée, Cabu, Opfer eines feigen, brutalen Mordanschlags wurde. Als die ersten Meldungen durchsickerten, übers Pariser Massaker des 7. Januar 2015, zumal in den deutschen Medien "nebulös" von getöteten "Journalisten" fabuliert wurde, ahnte niemand, dass sich auch diese beiden Giganten der frankobelgischen  Comic-Szene unter den Ermorderten befinden.

Auch wenn Herr Kleber vom "heute journal" des ZDF offenkundig ebensowenig wusste, wen es da getroffen hatte, wie die "Tagesthemen"-Anchorfrau der ARD.

 

Georges Wolinski, der ebenfalls brutal am 7. Januar 2015 im Alter von 80 Jahren ermordet wurde, sah das Licht der Welt am 28. Juni 1934 in Tunis (Tunesien) und war 2014 80 Jahre alt geworden. Wolinski war Sohn eines polnischen Juden und eineritalienischen Katholikin. Seit 1946 lebte die Familie in der Wahl-Heimat Frankreich. Er studierte zunächst Architektur, schlug dann aber die Laufbahn eines Comic-Zeichners und politischen Karikaturisten ein. Wolinski gehörte wie sein ermordeter Kollege Cabu zu den absolut herausragenden Vertretern der scharfen politischen Comic-Satire Frankreichs. Begonnen hatte seine Karriere bereits 1960, vor 55 Jahren (!),  fürs legendäre Satireblatt „Hara-Kiri“. In der Blütezeit der legendären Comic-Zeitschrift „Pilote“ war es kein Geringerer als Jean-Marc Reiser (1941-1983), der für Kollegen wie eben jenen Wolinski, aber auch Cabu, Mandryka, Marcel Gotlib (der später in seiner eigenen Hauspostille "Fluide Glacial" die Satire auf die Spitze trieb) und Alexis die Texte schrieb.

Von 1970 bis 1981 war Wolinski obendrein langjähriger Chefredakteur eben jenes Blattes, für das er mit dem Leben bezahlte: Charlie Hebdo.

Er galt, wie die Berliner "Jüdische Allgemeine" treffend schreibt, ähnlich wie Cabu,  ein lebender Mythos und als solcher einer der produktivsten zeitgenössischen Karikaturisten Frankreichs.

Zwischen 1970 und 1981 war er Chefredakteur von »Charlie Hebdo«. Dank seines Engagements zog „Charlie Hebdo“ namhafte Comic-Serien an Land, darunter US-Zeitungscomic-Klassiker wie „Krazy Kat“ und „Popeye“, Chester Goulds Dick Tracy, Al Capps „L’il Abner“ und Charles M. Schulz‘ „Peanuts“, aber auch die Arbeiten Guido Bruzellis und des Argentiniers José Munoz, des italienischen Erotomanen Guido Crepax, sowie Benito Jacovitti. Wolinski arbeitete für zahlreiche Medien wie die kommunistische Tageszeitung L’Humanité, aber auch für den "France Soir", "Paris-Match", Télerama" und eben fürs Satiremagazin Charlie Hebdo.

Zu seinen Polit-Comics gehörte die Serie „Monsieur“,mit der er die politischen Verhältnisse in Frankreich aufs Korn nahm. Seit den 1970er und 80er Jahren ironisierte Wolinski in über 30 Alben die gescheiterten Illusionen der 68er Bewegung. Er war selbst einer der ihren. Internationale Berühmtheit erlangte Georges Wolinski als Texter des Erotikcomics „Paulette“,gezeichnet von Georges Pichard. Von da an war er der Nestor der Wollust in Comicform. 2005 erhielt Wolinski den begehrten Grand Prix des wichtigsten französischen, zugleich bedeutendsten europäischen Comic-Festivals zu Angoulême.

Er war neben seinem Weggefährten Jean-Marc Reiser zweifelsohne eine umstrittener „Sexmaniac“, ein Erotomane aus Passion, dessen nicht selten derbe und deftige Sex-Satiren kein Blatt vor den Mund nahmen… und er war wie Reiser ein Meister des skizzenhaft-rotzigen Zeichenstils. Wolinski lebte seine sexuellen Obsessionen derart ungezügelt aus, dass selbst seine eigene Ehefrau anmerkte, er verhalte sich „frauenfeindlich“ und sei ein "Chauvi". Im Grunde seiner Herzens war er wohl ein Radikal-Libertärer Freigeist. Erst jüngst brachte ARTE TV ein sehenswertes Porträt: Darin besuchte Wolinski seinen Freund, den nicht minder herausragenden italienischen Erotikcomic-Star Milo Manara..

1982 war Wolinski auch kurzzeitig Chefredakteur des Comicmagazins „L’Echo des Savanes“, jenes Magazins, das den deutschen Comic-Zeichner Matthias Schultheiß veröffentlichte.

Wolinski schrieb auch zwei Theaterstücke – nämlich "Je ne pense qu’à ça", „Je ne veut pas mourir idiot“ (dt. "Ich will nicht sterben Idiot") 1968 und „Le Roi des Cons“ (1975, dt. Der König der Schweine). Er tummelte sich auch im Filmmetier ("Aldo et Junior"), dito als Schriftsteller
("Lettre ouverte à ma femme").

1989 erschienen seine Erinnerungen bei L’Echo des Savanes.

Wolinski arbeitete auch für Zeitungen wie die linksliberale »Libération« oder das politische Nachrichtenmagazin »Le Nouvel Obsérvateur« (Letzteres war auch Hauspostille von Claire Bretèchers "Die Frustrierten"). Sich selbst nannte er einmal, ein wenig zu bescheiden, einen »Chronisten des aktuellen Geschehens«. Er wolle einfach gute Zeichnungen machen, die Leute zum Lachen zu bringen, so sein Credo.

Als in die Kugeln seiner Mörder trafen, an jenem 7. Januar 2015, war Wolinski 80 Jahre alt.



Foto: Georges Wolinski (c) Salon du Livre Paris


Wolinski in Deutschland:

In Deutschland erschien ein wenig Wolinski: So brachte der Cadmos Verlag 1986 Che. Das Erbe der verlorenen Revolte aus der Feder Wolinskis. Im Carlsen-Comicsammelband "Gummi. Es lebe die Liebe!" von 1992 fand sich zudem eine Wolinski-Kurzgeschichte. Paulette erschien 1980 im Bahia-Verlag. Im gleichen Verlag folgten Ich war ein schlimmer Phallokrat und Meine Damen, mein Körper gehört Ihnen! (beide 1982). Ferner erschienen in Achim Schnurrers "Pilot" 1981-84 (der kurzzeitig erscheinenden dt. Version von "Pilote") und in Schwermetall bis Ende der 1990er Wolinski-Stories. Ironischerweise auch 1972 in der 68er Postille "Pip".


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