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Comicoskop-Interviews

Comicoskop-Gespräch mit Achim Schnurrer:

"Wir wollten so etwas wie ein deutsches Angoulême oder Lucca schaffen"

Comicoskop-Interview zum 30jährigen Bestehen des Internationalen Comic-Salons Erlangen (1984 - 2014)

War maßgeblich an der Gründung des heute noch führenden Comic-Festivals in der fränkischen Hugenottenstadt Erlangen beteiligt: Achim Schnurrer, Jahrgang 1951, Comic-Kenner, -verleger, -redakteur und seit etlichen Jahren erfolgreicher Schriftsteller/Romanautor (Pseudonym: Lucas Bahl). Foto: (c) Christiane Richter

Comicoskop: Lieber Achim, kann man sagen, dass die Keimzelle des Erlanger Salons gar nicht Erlangen war, sondern eigentlich bei Lichte besehen Köln?


Achim Schnurrer: In gewisser Weise kann man das sagen, ja. Du spielst an auf die Gründung des ICOM (Interessenverband Comic)… Das mit der Kölner Keimzelle trifft insofern zu, als sich hier die Comic-Kreativen erstmals trafen, um den ICOM zu gründen. Von Anfang an ging es uns darum, nicht nur Zeichner und Autoren zu fördern und zu vernetzen, sondern auch die öffentliche Anerkennung des Mediums Comic an sich zu erhöhen und voranzutreiben. Insofern ging der Erlanger Comic-Salon-Premiere in der Tat Köln voraus …

Karl Manfred Fischer hat damals, 1979, die Kölner Ausstellung „Die Kinder des Fliegenden Robert“, die Du gemeinsam mit Hartmut Becker organisiert hattest, zu sehen bekommen und nach Erlangen geholt…

Ja, Hartmut und ich hatten diese Ausstellung über die Frühgeschichte der deutschen Bildgeschichten und Comics kuratiert, und der Kölner Kunstverein unter Leitung von Wulf Herzogenrath als Träger, war daran interessiert, dass die Ausstellung durch die Republik wandert… So kam denn auch das Angebot aus Erlangen, die Ausstellung dort zu zeigen. Ob Fischer die Ausstellung damals in Köln gesehen hat, weiß ich nicht mehr… auf jeden Fall wanderte sie weiter nach Erlangen, in die Städtische Galerie…

Fischer war sehr rührig, er hatte damals gerade den Organisationskreis kultureller Austausch bayerischer Städte ins Leben gerufen… und so sorgte er dafür, dass die „Kinder des Fliegenden Robert“ auch in seine Heimatstadt Ingolstadt, nach Schwäbisch Hall und andere Städte in Bayern kamen… Das brachte in der Tat einen Stein ins Rollen… diese Kölner Episode hat im Grunde dazu geführt, dass es zum Erlanger Comic-Salon 1984 kam… 1980 bin ich aus privaten Gründen, meiner damaligen Lebensgefährtin zuliebe ins Fränkische gezogen… Das Städtchen hatte mir schon vorher gut gefallen, aber, wie der Zufall es wollte, hatte meine Freundin gerade einen Studienplatz in Erlangen ergattert.…


Comicoskop: Kannst Du bitte schildern, wie es dann von Köln nach Erlangen ging, wie aus der Idee schließlich 1984 der 1.Salon wurde? Es begann ja nach dem 1. ICOM-Treffen im Okt. 1980 und der endgültigen Konstituierung im Frühjahr 1981 des ICOM dann 1982 erstmal mit dem Vorläufer ComicCon in Erlangen… also zwei Jahre vor dem eigentlichen 1. Comic-Salon… mit keinem Geringeren als Herbert Feuerstein von MAD, der seinen Hauszeichner Ivica Astalos mitbrachte…


Achim Schnurrer: Ja, ganz genau, der sogenannte Comic Con von 1982 war ein Vorläufer. Schon damals war ich, Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre, ins südwestfranzösische Angoulême gefahren und ins italienische Lucca… und das hat mich angefixt. Ich dachte, Mensch, soetwas wie Angoulême und Lucca braucht es endlich in Deutschland, das ja damals ein Comic-Entwicklungsland war… diese einmalige emotionale Atmosphäre, die man trotz der schon damals erreichten Größe in Angoulême erleben konnte, das wollte ich nach Deutschland holen… Es war damals in Angoulême noch eine fantastische, familiäre Atmosphäre… Ich habe seinerzeit in einer Bar neben Morris (d.i. der Lucky Luke-Starzeichner, M.F.) gesessen und ein Bier getrunken, mich glänzend unterhalten… das war eine tolle Sache… das wollten wir, zumindest im kleinen Maßstab, in Deutschland auch verwirklichen…

Ich habe Karl Manfred Fischer davon erzählt, aber der wollte das erst einmal eine Nummer kleiner… nach dem Motto: Macht ihr euer Treffen, dann machen wir ein bisschen Drumherum… Ich hatte den Eindruck, dass das städtische Kulturamt sehen wollte, ob so etwas überhaupt ankommt… Er wollte sehen, ob das überhaupt Leute zieht, und nicht zuletzt, ob es zum Beispiel tatsächlich gelingen würde, einen Herbert Feuerstein, damals Chefredakteur des deutschen MAD nach Erlangen zu bekommen… Wir hatten beim ComicCon 1982 noch keine große Publikumsresonanz, blieben weitgehend unter uns… das Ganze fand im Kulturtreff in der Helmstraße statt, war darauf beschränkt. Es kamen Zeichner und Autoren, ICOM-Mitglieder des frisch gegründeten Verbands, es war ein lustiges, feucht-fröhliches Zusammentreffen, voller Begeisterung.


Comicoskop: Beim ComicCon gab es Ärger mit dem Namen: Peter Wiechmann drohte mit rechtlichen Schritten…


Achim Schnurrer: Ja, das war eine ärgerliche Petitesse, eine lächerliche Randepisode… Wiechmann hätte gut daran getan, die Verwendung des Namens ComicCon zu erlauben, es hätte seinem Unternehmen gutgetan… Also musste ein neuer Name her. Die meisten waren damals skeptisch, aber am Ende haben alle meinen Vorschlag akzeptiert, das neue Festival Internationaler Comic-Salon Erlangen zu nennen … Es gab allerdings auch keine tauglichen Gegenvorschläge, also wurde es dieser Name – bis heute …


Comicoskop: Was trieb Euch damals an, was war das Ziel?


Achim Schnurrer: Der Comic war damals ein Schmuddelkind, im bundesdeutschen Feuilleton völlig unbeachtet. Sogar in Erlangen hatte es noch wenige Jahre vor der Salon-Premiere die berüchtigten Schmutz-und-Schund-Aktionen gegeben, von wegen „Tausche gutes Jugendbuch gegen Schundcomics“ … auf Comics lastete ein Stigma. Aber die meisten, die sich in jenen Jahren etwas intensiver mit Comics beschäftigten, erkannten schon bald, dass es sich dabei um eine tolle Kunst- und Literaturform handelte, gleichberechtigt neben anderen Kunstformen wie dem Film oder dem Theater, sei es in erzählerischer oder bildnerischer Form. Der Comic war, so gesehen, eine einmalige Mischform. Ich habe es damals gemeinsam mit dem ICOM zu meinem Anliegen gemacht, dass in Deutschland mit Blick auf die Comic-Kultur ein Wertewandel stattfindet. Ich wollte PR machen für den Comic an sich, für das Ganze, und das sollte nicht zuletzt durch den Comic-Salon geschehen. Als der dann 1984 und in den Folgejahren Wirklichkeit und vor allem unerwartet erfolgreich wurde, war das auch der Grund, weshalb ich irgendwann die ketzerische Überlegung anstellte, ob es den ICOM überhaupt noch braucht…


Comicoskop: Der ICOM hatte in Deiner Optik seine historische Mission erfüllt?!…


Achim Schnurrer: Ja, das dachte ich damals tatsächlich, aber nur für kurze Zeit. Ich weiß heute, das war ein Irrtum. Aber damals war ich der Meinung, jetzt können wir uns auch auflösen, wir haben doch unser Ziel erreicht … Hinzu kam, dass ich selbst 1985 das Angebot bekam, die Leitung des Alpha Comic Verlags zu übernehmen… ich sah da einen Interessenkonflikt, hatte sozusagen auf die Gegenseite gewechselt… Ich war ja kein Autor mehr, sondern Verleger … das war auch die Zeit, als ich vom Vorsitz des ICOM zurücktrat und Gerd Zimmer mein Nachfolger wurde, der übrigens 2014 Bürgermeister der Ortschaft Hausen geworden ist … Es gab dann über den Vorschlag der Auflösung eine kurze, heftige Debatte in Erlangen … in einem schönen abgewrackten Industriegebäude … Kaum hatte ich meinen Auflösungsvorschlag gemacht, stand ein schon nicht mehr ganz nüchterner Ingo Stein auf, hielt eine flammende Rede dagegen, das gehe nicht – und damit war dieser Vorschlag ganz schnell vom Tisch. Gerd Zimmer war damals schon 2. Vorsitzender gewesen … Gerd hat ebenfalls viel zum Gelingen des ersten Comic-Salons beigetragen. Das Kulturamt stellte vor allem die Logistik zur Verfügung, half bei der Organisation, wir durften – was damals noch teuer war – das Telefon des Kulturamts benutzen, mietete die Veranstaltungsorte an und ähnliches. Wir waren weitestgehend für das Programm verantwortlich, natürlich hat uns das Kulturamt unterstützt … bei der Finanzierung und mit Hilfskräften … Auch der Max-und-Moritz-Preis war unsere Idee (Gerd Zimmer sagt, ihm sei der Name eingefallen), ich selbst habe die großenteils heute noch im Einsatz befindlichen Standsysteme kostengünstig bei der Frankfurter Buchmesse besorgt, die uns ausgemusterte Messe-Einrichtungen freundlicherweise für einen Appel und ein Ei überließen … Ich habe beim Programm z.B. Horst Berner angesprochen, der daraufhin die Ausstellung „Mythen auf Tüten“ zusammenstellte … Mit Ricardo Rinaldi, mit dem damals eine Freundschaft begann, fuhr ich nach Italien, er machte mich mit berühmten Kollegen bekannt, etwa dem Disney-Star Luciano Bottaro aus Rapallo, bei uns auch mit seiner Serie „Pepito“ bekannt oder dem Disney-Autor Carlo Chendi … Daraus erwuchs die erste große Ausstellung mit 400 Originalzeichnungen „Die Kunst der Comics“ … Wir zeigten Werke hochklassiger Vertreter der Comic-Geschichte wie Hal Foster, Burne Hogarth und Carl Barks im Original und viele andere. So eine Ausstellung bekäme man heute kaum noch versichert, höchstens in großen Museen. Es war eine Überblicksaustellung … Little Nemo von Winsor McCay war dabei, aber auch Lyonel Feiniger, und Guido Crepax – es ging darum, den kulturellen Stellenwert des Comics zu untermauern … Der Katalog erschien damals im Carlsen Verlag.


Comicoskop: Wie war die Resonanz auf die Schau?


Achim Schnurrer: Die war super … sie erlebte außer auf dem Erlanger Comic-Salon noch viele andere Stationen, u.a. im angesehenen Hannoveraner Wilhelm-Busch-Museum – und es wurde dort deren bis dato erfolgreichste Ausstellung, die sie bis dahin hatten … Nach Ausstellungsende war der kostbare Parkettboden durch die vielen Besucher derart ruiniert, dass sie den danach renovieren mussten…


Comicoskop: Du hast ja in jener Zeit irgendwo zwischen Comixene alt und ICOM damals neu agiert, zwischen Köln, Bergisch-Gladbach, Hannover und Erlangen… wie bist Du zum Comic gekommen, wie entwickelte sich Deine Begeisterung für das Medium, Du bist Jahrgang 1951…?


Achim Schnurrer: Ich war schon als Kind begeistert von Comics, musste die Hefte aber heimlich lesen, da meine Eltern strikt dagegen waren, dass ich mit so einem Schund beschäftige. Ich habe Altpapier gesammelt und beim Schrott- und Lumpenhändler verkauft, um mir vom Pfenniggroschen-Erlös damals Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre Akim-, Tibor- oder Nick-Hefte zu kaufen. Die Piccolos. Die Großbände durfte ich bei unserem Frisör lesen. Meine Eltern waren total entsetzt, als mir dieser Friseur irgendwann mal eine Sigurd-Frisur verpasste. Mein Vater ist bis auf den heutigen Tag sehr kunstbegeistert, kennt sich gut in der Kunstgeschichte aus, von der Antike, über die Renaissance bis zur klassischen Moderne. Für ihn war das mit den Comics zuerst – sagen wir so – schwierig … Ich habe dann Ende der 60er Jahren die ersten Erwachsenencomics gelesen, darunter „Lucifera“ (eine zeitweilig in Deutschland vertriebene Fumetti-Serie), Underground-Comix und natürlich „Barbarella“. Zu dieser Zeit hat mein Vater angefangen, dieses Teufelszeug mitzulesen, mit wachsendem Vergnügen. Er konnte seine Augen nicht länger davor verschließen, dass viele Comic-Zeichner einfach begnadete Künstler waren. Ich habe dann Sozialpädagogik an der Katholischen Fachhochschule in Köln studiert und meinen Professor erfolgreich überredet, meine Examensarbeit über Comics schreiben zu dürfen, die dann nach Abschluss auch als Diplomarbeit anerkannt wurde.


Comicoskop: Was war denn das genaue Thema Deiner Examensarbeit…?


Achim Schnurrer: Der Titel lautete „Der moderne Held, sein Wesen und seine Wirkung“ – das Ganze natürlich fachgemäß aus sozialpädagogischer Sicht. Ich habe Tibor, aber auch Superheldencomics wie den Silver Surfer oder die Conan-Comics von Barry Windsor-Smith und John Buscema zerlegt, ein Modell entwickelt, wie Kinder mit Comics spielerisch umgehen können, nicht zuletzt auch mit Foto-Comics. Daneben machte ich bereits kleinere Comic-Ausstellungen – damals ein Novum – u.a. für die Volkshochschule in Bergisch-Gladbach, wo ja auch der Sitz des Bastei-Lübbe Verlags war. Eine dieser kleineren Ausstellungen sah ein junger Schüler und Herausgeber eines damals weitgehend unbekannten Fanzines aus Hannover namens „Comixene“, ein gewisser Andreas C. Knigge – und war ein bisschen enttäuscht. Es war eben nur ein VHS-Ausstellung, sie war nur sehr klein und Bastei nutzte die Gelegenheit, anhand seiner Hausserie „Felix the Cat“ zu zeigen, wie ein Comic entsteht … Knigge hat dann in der jungen Comixene trotzdem darüber geschrieben, recht freundlich sogar … Später fing ich an, in der Comixene zu schreiben.


Comicoskop:…die andere wichtige Begegnung jener Jahre der 1970er war die mit einem gewissen Hartmut Becker…


Achim Schnurrer: Oh ja, der Kontakt mit Hartmut Becker lief über eine Kölner Party: Plötzlich kam einer auf mich zu und meinte „Der Typ mit den langen lockigen Haaren ist genauso ein Comic-Verrückter wie Du“. Gleichzeitig wies jemand Hartmut mit ähnlichen Worten auf mich hin. Später fuhren wir – Hartmut und ich – nach Hanover, um auszuhelfen, weil Knigge Ersatzdienst leisten musste, und wir sorgten dafür, dass die Comixene deutlich professioneller aufgezogen wurde, etwa mithilfe des Pressevertriebs Saarbach. Das steigerte die Auflage sichtlich.


Comicoskop: Zurück zum Comic-Salon in den 1980er Jahren: Wie beurteilst Du im Nachhinein den Streit um die Urheberschaft zwischen Fischer und dem ICOM?


Achim Schnurrer: Nun, eigentlich war es ein Streit zwischen Fischer und mir. Fischer war beleidigt, weil ich irgendwann in einem Interview oder in einem Vorwort in Schwermetall oder U-Comix mich als den Initiator des Comic-Salons bezeichnet hatte, ohne – wie er fand – seine Rolle bzw. die des Kulturamts gebührend zu würdigen. Das war, im Rückblick betrachtet, nicht richtig von mir. Wir hatten dann ein klärendes Gespräch, das damit endete, dass wir uns einigten zu sagen, wir seien beide Mitinitiatoren und Mitorganisatoren. Aber dieser Burgfrieden hielt nicht sehr lange. Irgendwann schrieb Lisa Puyplat in einem Salon-Programmheft, Fischer sei der alleinige Initiator und Erfinder des Salons gewesen. Das war wie im Kindergarten! Der Salon hätte ohne Karl Manfred Fischer nie stattfinden können, ganz klar, aber ganz sicher auch nicht ohne mich und auch nicht ohne den ICOM. Insofern war es grotesk, dass aus seinem Dunstkreis irgendwann die Aussage kam, ihm, Fischer, gebühre die alleinige Urheberschaft.


Comicoskop: Die Wahrheit lag also irgendwo in der Mitte…?


Achim Schnurrer: Ja, wir brauchten beide einander, beide haben letztlich den Erfolg des Comic-Salons bewirkt – und Karl Manfred Fischer war derjenige, der verdienstvoller Weise in den politischen Gremien den Kopf hinhielt, im Erlanger Kulturausschuss, gegenüber der Kommunalpolitik. Das tat er mit großem Geschick – und er war derjenige, der den Comic-Salon letztendlich bei der Stadtverwaltung durchgesetzt hat… Fakt ist, der Comic-Salon brauchte den ICOM solange als Mitveranstalter, wie der über die besseren Kontakte verfügte. Aber nachdem sich das eingespielt hatte, wurde der ICOM als Kooperationspartner immer mehr an den Rand gedrängt.


Comicoskop: Die Zusammenarbeit mit dem ICOM fand 1990 ihr Ende…


Achim Schnurrer: Ja, das muss um die Ecke 1988-90 gewesen sein. Fischer hat Bedeutendes für den Comic-Salon geleistet, indem er sich mit den Erlanger Stadträten herumgeschlagen hat, den Salon gegen heftigsten Widerstand durchbrachte, aber meine Bedeutung für den Salon dürfte auch nicht vernachlässigenswert sein.


Comicoskop: Von wem ging der städtische Widerstand gegen den Salon denn aus…?


Achim Schnurrer: Da waren damals die falschen Leute am Platz… Der damalige Oberbürgermeister Dietmar Hahlweg (SPD) war als Einziger dafür… SPD und GRÜNE als Fraktionen waren gegen den Salon eingestellt. Es gab im Stadtrat eine breite Stimmung gegen populäre Kultur. Für die Durchführung des Salons waren damals die oppositionelle CSU, die FDP und, wenn ich mich recht erinnere, Teile der Freien Wähler. Da musste eine kulturpolitische Koalition für den Comic-Salon geschmiedet werden, und das hat Karl Manfred Fischer mehrfach mit taktischem und strategischem Geschick hinbekommen.


Comicoskop: Wer war damals 1984, alles dabei außer Dir: Welche Rolle spielten Riccardo Rinaldi, Ingo Stein, Burkhard Ihme, Hansi Kiefersauer, Horst Berner, Eckart Sackmann, Hartmut Becker, André Roche und Gerd Zimmer?


Achim Schnurrer: Also, Horst Berner auf jeden Fall, mit seiner Comic- und Rock-Musik-Ausstellung, Ricardo Rinaldi, Hansi Kiefersauer, Hartmut Becker, Paul Derouet, André Roche, Abi Melzer, Piit Krisp und Dieter Kalenbach … Hörb Schröppel war damals im Kulturamt, mit ihm und Ilse Achatz habe ich später die Edition Kunst der Comics gegründet. Hörb organisierte von Anfang an die Standplanung der Messe. Der französische Austellungsdesigner Didier Moulin kam etwas später dazu, nicht zuletzt dank der Kontakte des Deutsch-Französischen Kulturinstituts und dessen damaligem Mitarbeiter Pascal Ropier … wir fuhren gemeinsam nach Paris und Angoulême, um Kontakte aufzubauen.


Comicoskop: Kann man nicht einfach sagen, Du warst mit dem ICOM Initiator & Impulsgeber, aber KMF war der Ermöglicher, Motor, Wegbereiter & Durchsetzer, nach dem Motto: Eine gute Idee bringt überhaupt nichts, solange es niemanden gibt, der sie auch haben will und ihr zum Durchbruch verhilft, der Idee eine Bresche schlägt…?


Achim Schnurrer: Ja, zweifelsohne. Klar ist aber auch, was die Rolle der Stadt bei der Entstehung des Comic-Salons angeht: Wenn der Salon 1984 gefloppt wäre, wären wir allein dafür verantwortlich gewesen. Dann hätte das an unserer Backe geklebt, der des ICOMs. Kurz vor dem Comic-Salon 1984 hatte es ja ein Science Fiction-Festival gegeben, das sich als Flop entpuppte. Es war also ein gewisses Risiko, das eindeutig bei uns, dem ICOM, lag … Ich befürchtete damals als Zweckpessimist das Schlimmste.


Comicoskop: So eine Art verkehrte Angst des Torwarts vorm Elfmeter…?


Achim Schnurrer: Ja, die Frage war, ob der Ball ins Tor geht oder nicht…


Comicoskop: Welche Bedeutung hat der Salon heute, nach 30 Jahren, bezogen auf die Comic-Kultur in Deutschland?


Achim Schnurrer: Da bin ich der Falsche, den Du fragst. Ich habe die Entwicklung der letzten Jahre nur noch als ferner Beobachter verfolgt. Ich war von 1984 bis 2000 aktiv involviert, danach nicht mehr. Aber generell gilt: Es hat auf jeden Fall einen kulturellen Paradigmenwechsel gegeben, natürlich hat sich die Haltung gegenüber der Comic-Kultur nicht zuletzt auch dank des Comic-Salons grundlegend gewandelt. Diesen Paradigmenwechsel hat der Salon mit herbeigeführt, sein Scherflein dazu beigetragen, dass sich das öffentliche Bewusstsein in Bezug auf den kulturellen Wert von Comics in deutschen Landen geändert hat.


Comicoskop: Kannst Du die besondere Atmosphäre des Redoutensaals, des E-Werks und im Kulturtreff, die 1984 herrschte, noch einmal Revue passieren lassen?


Achim Schnurrer: Es war schnell klar, dass die Räumlichkeiten zu klein waren … das platzte aus allen Nähten, aber die Atmosphäre war sehr familiär, eine wunderbare Gelegenheit, Menschen, die man nie vorher kennengelernt hatte, zu treffen. Einen Höhepunkt bildete die Max-und-Moritz-Preisverleihung im für diesen Anlass viel zu kleinen Schloss Atzelsberg. Danach, ab 1986, fand die Max-und-Moritz-Preisgala ja fortan im Markgrafentheater statt. Apropos Max-und-Moritz-Preis: Es war die Idee des Verlegers Abi Melzer, dafür als Stifter und Sponsor den Bulls Pressedienst, eine schwedische Zeitungscomic-Agentur mit Filialsitz in Frankfurt, ins Boot zu holen. Abi und ich fuhren, das war wohl im Spätsommer 1983, nach Frankfurt, trafen den damaligen Bulls-Geschäftsführer Svante Setterblad. Ricardo Rinaldi entwarf dann die Medaille, die noch heute verliehen wird. Spätestens seit meinem ersten Besuch in Angouleme wusste ich, dass – sollte es in Deutschland jemals etwas Vergleichbares geben – eine feierliche Preisverleihung neben der Messe der Kern- und Angelpunkt einer solchen Veranstaltung sein würde.


Comicoskop: Welche Rolle spielten damals ein Wolf-Dieter Schnetz und ein Hans-Bernhard Nordhoff?


Achim Schnurrer: Schnetz war ja 1973 - 2000 Kulturdezernent in Erlangen…und spielte damals nach meiner Erinnerung eher die Rolle desjenigen, der zum Jagen getragen werden musste. Der eigentliche Motor des Comic-Salons hinter den Kulissen war Karl Manfred Fischer… Nordhoff hingegen spielte als Stadtrat der SPD und Vorsitzender des Erlanger Kulturvereins eine eher positive Rolle und war neben Halhweg diesbezüglich eine Ausnahme in der SPD. Nordhoff war ja später auch ein Ermöglicher des Caricatura-Museums in Frankfurt. Der Oberbürgermeister Dietmar Hahlweg entdeckte, nachdem sich der Publikumserfolg 1984 eingestellt hatte, sehr schnell seine Liebe zum Comic-Salon.


Comicoskop: Was waren denn die Highlights für Dich in jenen 30 Jahren Salon-Jahren…?


Achim Schnurrer: Jeder Salon bietet Highlights. Die alle aufzuzählen, würde hier den Rahmen sprengen. Aber ein definitives Highlight war der Auftritt Ralf Königs 1992 bei der Verleihung des Max-und-Moritz-Preises. Ralf König in einem goldenen Kleid bekommt den Max-und-Moritz-Preis durch OB Dietmar Hahlweg – das war eine tolle Szene … Dann die vielen Ausstellungen, Gespräche, Freundschaften … lange Besucherschlangen an den Verlagsständen … Ein ganz persönliches Highlight war, als der extrem publikumsscheue, schüchterne, das Rampenlicht meidende Walter Moers stundenlang ohne viel Aufsehens an unserem Stand beim Alpha-Comic Verlag war und den anderen Künstlern beim Signieren zugeschaut hat. Er selbst wollte das partout nicht. Kein Mensch ahnte, wer da bei mir saß und sich mit mir unterhalten hat.


Comicoskop: Walter Moers inkognito auf dem Salon…

Achim Schnurrer: Ja, Fischer war damals not amused, weil er meinte, ich hätte ihm Moers vorstellen müssen. Aber was sollte ich machen, wenn ein Künstler seine Anonymität über alles schätzt.


Comicoskop: Wie fällt Deine Bilanz nach 30 Jahren Comic-Salon Erlangen aus, wo steht der Salon heute 2014, wohin geht es in Zukunft hin?


Achim Schnurrer: Also, wenn es nach mir geht, dann sollte der Salon nicht noch mehr „arty“ werden oder gar dem alternativen Fumetto-Festival in Luzern nacheifern. Die Salon-Macher täten meines Erachtens gut daran, die populärkulturelle Seite nicht aus den Augen zu verlieren. Man sollte immer etwas anbieten, das auch breitere Publikumsschichten anspricht statt nur kleine Nischen-Zielgruppen. Es gäbe da wahrlich genug Möglichkeiten: Beispiel Mangas. Hier hätte man schon vor über 15 Jahren deutlich mehr tun können. Alpha Comic war ja der erste deutsche Comic-Verlag, der seine Mangas direkt aus dem Japanischen übersetzen ließ und nicht so hahnebüchene Kompromisse eingegangen ist, französische Übersetzungen nochmals in eine andere Sprache zu übertragen. Derart windige verlegerische Praktiken habe ich immer als eine Missachtung der Leser angesehen. Die Edition Kunst der Comics hat kurz darauf den ersten Manga-Künstler zum Comic-Salon eingeladen: Masashi Tanaka, dessen herausragenden GON-Bücher wir verlegt haben. Auch sein Besuch war eindeutig ein Salon-Highlight.

Aber das sind alles nur die ganz privaten Ansichten eines Außenstehenden. Es ist jedenfalls gut, dass mit diesem Buchprojekt die Wurzeln des Comic-Salons nicht vergessen werden, das erzählt wird, wie der Erlanger Comic-Salon wurde, was er ist, wie die Weichen gestellt wurden. Es war eine lustige Zeit, eine riesengroße Party, die einfach Spaß gemacht hat.


Comicoskop: Nach der Insolvenz des Alpha-Comic Verlags und der Edition Kunst der Comics infolge der bundesweit aufsehenerregenden Zensur gegen Euch, Stichwort Meininger Staatsanwaltschaft, hast Du ein zweites Leben jenseits der Comics begonnen. Als Autor von Science Fiction und historischen Romanen, von Krimis und Thrillern, die unter deinem Pseudonym Lucas Bahl erscheinen, trittst du zuletzt auch noch unter einem weiteren Alias als Dr Crime in Erscheinung.


Achim Schnurrer: Das ist eine andere Geschichte. Wer sich dafür interessiert, findet unter DrCrime.de mehr Informationen.


Comicoskop: Lieber Achim, für heute: Vielen Dank für dieses Gespräch!

Das Comicoskop-Gespräch führte Redakteur Martin Frenzel, Juni 2014.

(c) 2014 bei Comicoskop / Martin Frenzel. Alle Rechte vorbehalten.

Comicoskop-Gespräch mit Paul Derouet

"Es gab in Deutschland keine Chance, den Beruf des Comic-Zeichners zu erlernen, deswegen fingen wir an."

Das Deutsch-Französische Comic-Zeichnerseminar feiert 2016 sein 30jähriges Bestehen / Einzige mobile Comic-Akademie in Deutschland / Was 1986 begann, ist heute eine Erfolgsstory

Paul Derouet, geboren1947 in Mazagan (heute El Jadida) Marokko, damals eine französische Kolonie. Später Studium der Politikwissenschaft an der Universität Bordeaux. Als 68er Teilnahme an den linken Studentenprotesten. Eine Tramperreise nach Jugoslawien (Zagreb) und Istanbul verschlägt ihn nach Berlin. Danach, wieder in Frankreich, war Derouet acht Jahre lang in Nimes als Sonderschullehrer tätig, ehe er 1980 wieder nach Deutschland zurückkehrte, seiner Wahlheimat. Seit 1986 findet das Deutsch-Französische Comiczeichner-Seminar in Erlangen statt. Veranstalter sind die Zeichner-Agentur Contours und das Kulturamt der Stadt Erlangen. Geleitet wird das Seminar von Paul Derouet, dem Inhaber der Agentur Contours. Berater und Kurator von Ausstellungen beim Erlanger Comic-Salon im Auftrag des Kulturprojektbüros der Stadt Erlangen.

Comicoskop: Lieber Paul, Du gehörst, wenn man so will, zu den Urgesteinen des Comic-Salons, zu denjenigen, die von Anfang an dabei waren… Kannst Du schildern, wie Du als gebürtiger Franzose von Frankreich nach Deutschland kamst und dann zum engen Mitarbeiter des Erlanger Kulturamts wurdest….? Du warst ja irgendwann zusammen mit Hartmut Becker und Andreas C. Knigge bei der legendären Fachzeitschrift „Comixene“ dabei, hast heute eine eigene Zeichner-Agentur Contours, erst in Hamburg, seit wann in Vaihingen/Enz?


Paul Derouet: Lieber Martin, gehörst du nicht inzwischen auch zu den alten Hasen, die man seit Jahrzehnten in Erlangen trifft...? In Vaihingen/Enz wohne ich seit fast zwei Jahren, genauer gesagt in Horrheim, ein Seelen-Dorf mit 800 Einwohnern. Davor war ich 26 Jahre in Hamburg. Also eine kleine Änderung... Ich kam 1980 aus einigen Gründen von der südfranzösischen Nîmes nach Deutschland: aus Liebe, wie oft in solchen Fällen, aber sicher auch wegen meiner wachsenden Müdigkeit über meinen damaligen Beruf als Sonderschullehrer. Sicher auch, weil ich mit der deutschen Sprache einigermaßen klar kam (ich hatte 1969-71 schon fast zwei Jahre in Berlin verbracht), und bestimmt, weil ich einfach mal etwas Neues erleben wollte, man lebt ja nur einmal. Der Grund war nicht, dass das Wetter in Hannover viel schöner war als in Südfrankreich... Kurz vor meiner Migration hatte ich Hartmut Becker kennengelernt, der mir die Büros von der Edition Becker und Knigge und von „Comixene“ gezeigt hatte. Er und Andreas Knigge fanden vermutlich gut und praktisch, in einer Zeit, als die meisten Comics aus Frankreich oder Belgien kamen, einen Franzosen dabei zu haben. Ich war überhaupt kein Comic-Kenner, war nur ein gelegentlicher Leser, wie damals schon viele Franzosen. Die damalige deutsche Comic-Landschaft war eine von wenigen Pionieren bevölkerte Prärie, wo alle sich kannten und versuchten, etwas aufzubauen. Das waren auch die Anfänge des kleinen Vereins ICOM (des Interessenverbands Comic), der vielleicht zwei- oder dreimal im Jahr von 1981 an in Erlangen seine Treffen organisierte. Im Jahr 1983, wenn ich mich richtig erinnere, saßen irgendwann fünf oder sechs Leute (darunter Hartmut Becker, Andreas Knigge, Achim Schnurrer, ich...) im Büro von Karl Manfred Fischer, dem damaligen Leiter vom Kulturamt Erlangen, die beschlossen, etwas wie Lucca in Italien oder Angoulême in Frankreich zu versuchen. So fand 1984 der erste, noch sehr bescheidene Comic-Salon Erlangen statt. Ich hatte dann immer mit dem Salon zu tun, half bei Ausstellungen und mit meinen Kontakten. Seit Bodo Birk die Leitung des Salons 2004 übernommen hat, also seit 10 Jahren, habe ich bei der Organisation eine etwas „offiziellere“ Funktion als Berater und Kurator mehrerer Ausstellungen…


COMICOSKOP: Seit 28 Jahren organisierst Du ja das inzwischen legendäre Deutsch-Französische Comiczeichner-Seminar, seit 1986. Und zwar jährlich, nicht alle zwei Jahre wie der Salon. Damit ist das Seminar heute eins der ältesten im deutschsprachigen Comicbereich. Was war der Auslöser für diese Idee, was waren damals Deine Ziele?


Paul Derouet: Wie schon gesagt, war alles damals noch alles sehr klein und Karl Manfred Fischer hatte alle (die Verleger, die Zeichner, die Agenturen...) gebeten, etwas ganz Besonderes zu leisten, um das Ganze noch größer aufzuziehen. Ein paar Ausstellungen wurden organisiert, einige Verlage luden den einen oder anderen bekannten ausländischen Künstler ein. Hartmut Becker und ich hatten 1983 gerade die Zeichneragentur Becker-Derouet gegründet und wir fragten uns, welche Leistung wir wohl in Erlangen bringen könnten. Es war eine Zeit, wo ich jeden Tag Post von hoffnungsvollen jungen deutschsprachigen Zeichnern bekam: Ich hatte bei zwei bekannten französischen Verlagen (Glénat und Albin Michel) den Hamburger Matthias Schultheiss unter Vertrag gebracht, kurz darauf den Österreicher Chris Scheuer (bei Dargaud), jeder hoffte, der Nächste zu sein. Bis auf die bereits erwähnten und einige andere Zeichner war das Niveau nicht sehr professionell und es war logisch: Es gab in Deutschland keine Möglichkeit, diesen Beruf zu lernen, die Kunsthochschulen wollten von Comics nichts hören, alle waren Autodidakten. So kamen Hartmut und ich auf die Idee, für Erlangen 1986 einen Workshop zu organisieren. Diese Idee wurde vom Französischen Kulturinstitut unterstützt, das eine Subvention holte. Und komisch, dieses eigentlich als einmalige Veranstaltung gedachte Comic-Seminar wiederholte sich ein Jahr später und hörte nicht mehr auf… Das diesjährige ist also nun schon das 29. Einmalig ist das schon…


COMICOSKOP: Kannst Du bitte schildern, welche professionellen Zeichnerinnen und Zeichner die Eleven dieser Comic-Zeichnerakademie der besonderen Art in den letzten fast drei Jahrzehnten unterrichtet haben? Da waren ja teilweise illustre, bekannte Namen dabei… Ich erinnere mich an Annie Goetzinger, Gerald Gorridge…


Paul Derouet: Zwei hast du genannt, dabei waren auch Serge Letendre, Jean-Claude Denis, und Frédéric Bézian, außerdem Max Cabanes, Martin tom Dieck und Baru, des weiteren Isabel Kreitz, Ulf K. und Riff Reb’s, Markus Huber, Uli Oesterle, MAX... und einige andere mehr.


Comicoskop: Aus dem Dt.-Frz. Zeichnerseminar sind auch einige heute namhafte Comic-Zeichnerinnen und –zeichner hervorgegangen, wie Isabel Kreitz, Ulli Oesterle oder Ulf K. Wer war noch darunter…?


Paul Derouet: Ich werde bestimmt einige wichtige Namen vergessen, spontan fallen mir gerade einige ein: Thomas von Kummant, Benjamin von Eckartsberg, David von Bassewitz, Paul Hoppe, Lukas Jüliger...


Comicoskop: Wenn ich es recht weiß, hat als Geburtshelfer des Seminars auch der damalige Leiter des Deutsch-Französischen Kulturinstituts in Erlangen eine Schlüsselrolle gespielt?

Paul Derouet: Ja, das erwähnte ich vorher schon. Claude Crouail, der damalige Leiter, engagierte sich sofort für diese neue Idee und bekam aus Frankreich eine Subvention. Und er war es auch, der mir am Ende des Seminars vorschlug, ein Jahr später das Experiment zu wiederholen, obwohl der Comic-Salon erst zwei Jahre später stattfinden sollte. So ist es geblieben, das Seminar findet jedes Jahr statt, während der Salon eine Biennale ist.


Comicoskop: Wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatte das Seminar seit 1986? Wie viele Lehrerinnen und Lehrer?


Paul Derouet: Ich weiß es nicht genau, zumal die Dozenten oft zwei- oder dreimal mitmachten und nicht wenige Teilnehmer drei, fünf oder mehrmals dabei waren. Sagen wir etwa 20 Dozenten und vielleicht 400 Teilnehmer.


Comicoskop: Das ist ja eine stolze, beachtliche Zahl! Wie beurteilst Du die Bilanz des Internationalen Comic-Salons nach 30 Jahren heute – auch im Vergleich mit dem Cannes der Comics, dem Festival International de la Bande Dessinée in Angoulême? Haben der Salon im Allgemeinen und das Zeichnerseminar etwas Positives bewirkt?


Paul Derouet: Wenn man die Größe des deutschen Comic-Marktes betrachtet, die mit der des französischen schwer vergleichbar ist, ist der Erlanger Salon ein sehr schöner Erfolg. Es ist ein sehr schöner Salon, der im Laufe der Jahre immer besser und professioneller wurde. Erlangen zählt zu den fünf oder sechs wichtigsten europäischen Comic-Festivals, ist für die Qualität seiner Ausstellungen und seines kulturellen Niveaus anerkannt. Der Salon hat ganz sicher bei der positiven Entwicklung der deutschen Comic-Welt eine entscheidende Rolle gespielt…


Comicoskop: Wie viele Bewerberinnen und Bewerber gab es in diesem Jubiläumsjahr des Salons, wie viele wurden angenommen, wer entscheidet darüber? Wie lange dauert ein Seminar?


Paul Derouet: In den ersten Jahren waren sehr viele Bewerber (fast jeder, der einen Obelix nachzeichnen konnte, bewarb sich), viel mehr als heute, aber die Situation hat sich geändert: die Leute wissen, dass ein gewisses zeichnerisches Niveau verlangt wird. Ich habe jedes Mal ungefähr so viele Bewerber wie Plätze, es macht die Auswahl leichter.


Comicoskop: Wer trägt die Kosten des Seminars? Was kostet die Seminarteilnahme?


Paul Derouet: Das Seminar wird vom Erlanger Kulturprojektbüro unterstützt und bekommt eine Subvention der Erlanger Kulturförderung. Um über die Teilnahme usw. zu erfahren, sollte man am besten unter www.comicseminar.de schauen. Hier möchte ich übrigens betonen, dass diese Internetsite nicht von mir, sondern von ehemaligen und aktuellen Teilnehmern bzw. Dozenten gestaltet wird, aus reiner Begeisterung. Ich bin ihnen dafür sehr dankbar.


Comicoskop: 2007 hast Du ja den ICOM-Sonderpreis für die Lebensleistung bekommen…was bedeutet diese Anerkennung für Dich?


Paul Derouet: Ehrlich gesagt, ich hatte nie gedacht, dass ich irgendwann mal einen Preis bekommen würde, wofür auch: ich bin weder Autor noch Zeichner. Ich war also total überrascht. Aber ich werde die schöne Reaktion des Publikums (es waren eigentlich alle Kollegen aus der Comic-Szene) nie vergessen, als ich in München auf die Bühne musste. Ich halte grundsätzlich wenig von Preisen, aber es war für mich etwas Besonderes, etwas wie die Anerkennung, die meine Familie mir schenkte.


Comicoskop: 2016 feiert das Seminar, diese Comic-Schule der anderen Art, 30jähriges. Gibt es dafür schon Pläne?


Paul Derouet: Nein, ich bin gerade mit dem 29. Seminar beschäftigt. Ich werde mich bestimmt fragen, ob ich nach 30 Jahren nicht irgendwann aufhören sollte, aber das fragte ich mich schon beim 20. und beim 25. Seminar... Mal sehen, vielleicht fragst du mich wieder in 20 Jahren vor dem 50. Seminar, wenn wir beide auf dem Rollstuhl sitzen! Übrigens, dieses 29. Seminar ist schon ein bisschen besonders, etwas internationaler als sonst: wir werden drei Gastteilnehmer haben, zwei aus Rennes (Frankreich), der Partnerstadt von Erlangen, und einen aus Nigeria, mit Unterstützung vom Goethe-Institut in Lagos. Aus diesem Grund wird es, anstatt zwei, drei Dozenten geben: Barbara Yelin, Mawil und Lukas Jüliger.


Comicoskop: Lieber Paul, vielen Dank für das Gespräch.


Paul Derouet: Dafür danke ich Dir auch.


Das Comicoskop-Gespräch mit Paul Derouet führte Comicoskop-Redakteur Martin Frenzel, Juni 2014. (c) Comicoskop/Martin Frenzel 2014. Alle Rechte vorbehalten.

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