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COMICOSKOP - Das deutsche, aber weltoffene E-Fachmagazin für Comic-Kultur * Herausgegeben und gegründet von Martin Frenzel  /  COMICOSKOP-Chefredakteur: Martin Frenzel

Willkommen in der Zeitmaschine: 50 Jahre YPS – alles retro, oder was?!

Das westdeutsche YPS wäre die Blaupause PIF Gadget, dem Magazin der französischen Kommunisten, undenkbar

Vor genau 50 Jahren – am 13. Oktober 1975 – feierte ein Magazin Premiere, das schon bald zum Kultmagazin der Boomer-Generation geriet: YPS mit Gimmick, von den Urzeitkrebsen bis zum Solar-Zeppelin, vor allem mit allerlei frankobelgischen Comic-Perlen: So konnte man in YPS zuerst Deribs wunderbare realistisch gezeichnete Westerncomic-Serie Buddy Longway und Hans G. Kresses „Indianer“-Saga bewundern, aber auch Robin AusdemWald von Turk/Degroot, aber auch Asterix, Lucky Luke und Percy Pickwick, Umpah-Pah, Cubitus und Isnogud,. Und deutsche Eigenproduktionen wie das lila-karierte Känguru YPS oder Heinz Körners „Yinni und Yan“, aber auch Peter Wiechmanns Serien „Thomas der Trommler“ und „Hombre“.

Was jedoch kaum jemand in Westdeutschland damals wusste: Der nicht gerade unter Linksverdacht stehende Gruner + Jahr-Konzern kopierte mit YPS hemmungslos eine Erfolgsidee der Kommunistischen Partei Frankreichs: Denn die hatte – wie die Katholisch-Konservativen in Frankreich auch – ein aus der Résistance hervorgegangenes Comic-Journal ins Leben gerufen – namens Vaillant – Le Jeune Patriote (Vaillant – Der junge Patriot).Fürs Blatt arbeiteten namhafte Stars wie Paul Gillon.  Später dann erfolgte die Umbenennung in PIF, so genannt nach José Cabrero Arnals Comic-Klassiker um den gleichnamigen Hund Pif le Chien (die Serie war die einzige, die es regelmäßig aus dem französischen Original auch jenseits des Rheins ins YPS-Heft  schaffte, unterm Titel Pif und Herkules), von 1969 an bis 1993 mit Gimmick (auf Französisch „Gadget“), übrigens auch erstmals die Urzeitkrebse (auch diese Gimmick-Idee kupferten die Hamburger YPS-Leute ungeniert aus Frankreich ab). PIF Gadget geriet zum Millionen-Bestseller, zum Klassiker der frankobelgischen Comic-Geschichte, auch dank Star-Zeichnern wie André Cheret (Steinzeitcomic „Rahan“ oder Hugo Pratt (Corto, Maltese), Gai-Luron von Gotlib, Les Pionniers de l’Espérance von Roger Lecureux (Text) und Raymond Poïvet (Zeichnungen) und Concombre Masqué von Mandryka… YPS reüssierte nie in den PIF Gadget-Dimensionen, erzielte aber in Bestzeiten immerhin 600.000 Auflage, später nur noch 400.000. Nach 25 Jahren, 2000, war die YPS-Ära, das doch sehr westdeutsche Phänomen schon vorbei. Spätere Versuche, YPS wiederzubeleben durch den neuen Verlag Egmont-Ehapa blieben weit hinter den Erwartungen des Verlags zurück.  Gleichwohl hat YPS eine ganze Generation – neben dem echten westdeutschen Koralle/Springer-ZACK – geprägt – und für diese nostalgisch gesinnte alte YPS-Leserschaft produziert der heutige Verlag die aktuellen YPS-Revival- und Nostalgie-Publikationen. Heute scheint YPS im Zeitalter der Mangamania wie aus der Zeit gefallen. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass lange vor den Chroniken mit dem kommunistischen Känguru ein unterschwellig kommunistishes Känguru die YPS-Gallionsfigur bildete –  das seine Existenz dem kommunistischen Original PIF Gadget verdankte. Es ist ein Schmankerl am Rande, dass Rolf Kauka 1971/72 kurzzeitig versuchte, PIF nachzueifern – drei  Jahre vor YPS: Bei Kauka hießen die temporären Gimmicks schlicht „Schnick-Schnack“. Unser COMICOSKOP-Redakteur und München-Korrespondent Hanspeter Reiter  hat sich diese YPS-Nostalgiewelle in memoriam westdeutscher Kindheitserinnerungen der 1970er und 1980er mal näher angesehen.

Memories of... Ham(ma)burg?! Genau, denn dort war (und ist) der Sitz des Verlags Gruner+Jahr (inzwischen RTL), bekannt für bunte Magazine, der ursprünglich vom 13. Oktober 1975 an YPS herausgab (mit einem Sommer-Vorlauf zur Probe nur in Hessen im Sommer 1975), eben als: vom französischen Vorbild PIF Gadget adaptiertes Comic-Magazin, also zum G+J-Sortiment durchaus passend.

Und nun, ein halbes Jahrhundert später, erscheint dies beim Nachfolge-Verlag Egmont-Ehapa: Neben einer plastikgeschweißten Doppel-Ausgabe in unterschiedlichem Auftreten (und mit Entscheider-Dartscheibe als Gimmick, hier im Band S. 176 abschließend miteinander abgebildet) wartet der neue Yps-Verlag mit einem Sammelband auf: Ein Parforceritt durch fünf Jahrzehnte YPS-Historie in Etappen, ausgebreitet durch den Comic-Experten Volker Hamann.

Ein durchaus holpriger Weg, den das hauptsächlich rein westdeutsche YPS-Magazin da gegangen ist, mit wiederkehrenden Unterbrechungen – und resilientem erneuten Aufstehen (statt mir in den Sinn gekommenem „Wieder-Auferstehen“, das wäre a bissal blasphemisch, oder?)...

Was in der „Jubiläums-No.“ 1284 mit einigen Leseproben nur angedeutet wird, kann die Leserschaft hier in ausgiebigen (Komplett-)Storys genießen, etwa – wie einst in den 1970ern – die frankobelgische Funny-Perle „Robin Ausdemwald“ (S.88ff.), natürlich eine Robin Hood-Persiflage – und für mich neu, wie manch anderer der im Band vereinigten Comic.

Und dann jenes Leit-Tier [Abb. 2], das vielleicht gar Marc-Uwe Kling zu seinen entsprechend „Känguru-Chroniken“ benamsten Strips inspiriert haben mag (seit 2009 zusammen mit Zeichner Bernd Kissel), wenn da auch die Hoch-Zeit des Magazins schon lange vorbei war: Wer weiß, klingt naheliegend: „YPS mit Gimmick - allein die Erinnerung an das Comicheft mit dem lila-karierten Känguru [hier ausgiebig S. 171ff. geboten] lässt Nostalgiker-Herzen höherschlagen.

Wer erinnert sich nicht an Urzeitkrebse,“ sogar ich, (siehe oben *) der ich nur vereinzelt ein YPS in der Hand gehalten habe – dann allerdings tatsächlich die Zwischendurch-Wiederaufleb-Ausgabe 1283 im August 2022 mit erneut eben denen – „...Edelsteinsand und Mülltü... ähem, Solarzeppeline?

Ganz zu schweigen von den Comics - frankobelgischen Starzeichnern wie Derib, Turk und Tabary, Uderzo/Goscinny, Dupa und Macherot… waren im Heft ebenso vertreten wie deutsche Künstler wie der gute Heinz Körner mit „Yinni und Yann“.

Zum 50-jährigen Jubiläum der YPS-Erstausgabe (mit dem Schleuderkatapult) erscheint dieses Best-of-Buch mit einer Auswahl der klassischen Comics der 1970er und 1980er und einem erhellenden redaktionellen Teil, der die YPS-Historie von 1975 bis heute auszuleuchten versucht.

Hamann ist fraglos ein Kenner der Materie – und seine YPS-Geschichte bietet das eigentliche Highlight des neuen YPS-Sekundärbands. All das wird mit den gebotenen Comic-Strecken direkt verzahnt: Zur „Theorie“ also gleich die „Praxis“, da geht den YPS-Comic-Fans von ehedem vermutlich das Herz auf ... Etwa zum Thema „Eigen-Produktionen“ (S. 130ff.) neben den vielerlei frankobelgischen Storys wie etwa Buddy Longway, Asterix & Obelix, Umpah-Pah, Cubitus, Isnogud, oder Percy Pickwick und Robin Ausdemwald, all das kommt ebenso informativ wie unterhaltsam daher. Fazit: Ein insgesamt gelungenes YPS-Sekundärwerk zum 50jährigen Jubiläum und zu einem bemerkenswerten Stück westdeutscher Comic-Retro-Kultur-Geschichte.

Paradoxerweise übernahmen die Hamburger die Magazin-Mix-Idee aus Comic & Gimmick/Gadget zwar vom legendären, von der Kommunistischen Partei Frankreichs (KPF) herausgegebenen PIF Gadget die Grundidee, aber außer dem Hundecomic Pif und Herkules, kaum etwas an guten PIF-Comics – weder Paul Gillon, André Cheret (kam erst bei Bastei zum Zuge: Seine Steinzeitcomic-Serie „Rahan“) oder gar Hugo Pratt… auch keinen Raymond Poivet geschweige denn Mandryka oder Gotlib… die allermeisten der in YPS gedruckten frankobelgischen Comic-Klassiker stammten gerade eben nicht (!) aus der Vorlage PIF, obwohl PIF in seiner Blütezeit ein Füllhorn hochkarätiger Comics bot… da hätte man sich nur bedienen brauchen. Selbst die Indianer-Serie „Schwarzer Wolf“ von Jean Ollivier (Text) und Kline (Zeichnungen) blieb in YPS unveröffentlicht, kam auf Deutsch statt dessen bei Bastei…

So kommen denn auch eher zweit- und drittklassige Western- und Dschungel- sowie Weltraum-SciFi-Comics zum Zuge, die naturgemäß a bissal an sattsam bekannte Vorbilder erinnern, wie Wangaroo an Tarzan oder Captain York an Nick (und weitere Piccolos der 1950er und 1960er Jahre)...

Trotz alledem: Vielfalt an Themen, Zeichenkunst und Quellen einerseits also, ähnlich in Figuren und Layout-Auftritte – war wohl das, was ein so rein westdeutsches Comic-Magazin wie YPS besonders auszeichnete, inklusive Kurz-Comics wie eben YPS & Co. oder die „Moderation“ der Gimmicks etwa durch den Comic-Hund Pif.

Die Kombination von redaktionellem Teil mit Comic-Inhalten bei der klassischen Micky-Maus wie auch den ost- und später gesamtdeutschen Mosaikschen Abrafax-Heften, Leser-Club und weitere aktivierende Elemente hatte zweifelsohne einen Vorreiter – und das war YPS.

Klar werden dürfte vor allem dies: Nostalgie wird den heutigen Erfolg neu aufgelegter früherer Magazine (bzw. Serien) ausmachen, publiziert primär für jene Käuferschaft der YPS-Boomer-Generation, die vor Jahrzehnten in einem passenden Alter waren – und nun auch zu Neuem greifen. Die Manga- und Tiktok-Generation Z wird sich aber wohl kaum durchs Retro-YPS hinterm Ofen hervorlocken lassen…

Retro-YPS, das schon, aber gelingt, wie der Schreiber dieser Zeilen meint, erstaunlich gut, das Gebotene ist jedenfalls mehr als Alter Wein in neuen, Schläuchen“…

Doch mögen YPS-Interessierte sich schlicht selbst davon überzeugen, von dieser feinen Hardcover-Ausgabe, u.a. mit des YPS-Karos im Vorsatz... Bleibt nur noch: Wie wird‘s weitergehen, mit dem Retro-YPS-Magazin à la Egmont-Ehapa (plus Gimmick)? Nun, das wird schlicht vom Verkaufs-Erfolg zunächst einmal der Jubiläums-Doppel-Ausgabe abhängen, soviel ist klar: Daumen drücken & Hefte holen ...

Klar ist auch, das Goldene YPS-Zeitalter der 1970er und 1980er mit Massenauflage ist ein- für allemal vorbei, diese Zeit wird nicht mehr wiederkommen, so wie auch der Hefte-Markt von einst (von Bessy bis Gespenstergeschichten, Silberpfeil, Wastl, Felix bis Buffalo Bill unwiederbringlich verschwand. Egmont-Ehapa hat nach eigenem Bekunden nicht vor, das YPS-Heft in der alten Form wiederzubeleben. Nur die Erinnerungen an die gute, alte westdeutsche YPS-Zeit, die bleibt YPS-Liebhaberinnen und Liebhabern für immer. Aus diesem Paradies lassen sich hartgesottene YPS-Fans nicht vertreiben…

 

 

Hanspeter Reiter (HPR)

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