Sensation: Niederländisches Gericht entzieht Moulinsart das
Tim und Struppi-Monopol
Dieses Gerichtsurteil könnte ungeahnte Folgen haben und Geschichte schreiben: Ein niederländisches Gericht hat der Zeitung NRC Handelsblad dem bisher allgewaltigen Erbengruppe Moulinsart durch ein spektakuläres Justiz-Urteil das Rechte-Monopol aufs Hergés Coomic-Klassiker „Tintin“
(dt. Tim und Struppi).
Plakat: (c) Baseler Cartoon-Museum/Exem
So verlor Moulinsart mit der Hergé-Witwe Fanny Remy und ihrem zweiten Ehemann an der Spitze einen Rechtsstreit mit der holländischen Tintin-Fangruppe Hergé Gentooschap. So war Moulinsart mit der ihnen eigenen Härte gegen die Fans vor Gericht gezogen, weil diese in einer internen Fan-Zeitschrift namens Duizend Bommen, die nur an Mitglieder ging, auch Abbildungen aus der Feder Hergés veröffentlichte, ohne dafür bei Moulinsart hohe Tantiemen oder Gebühren zu zahlen. Doch, womit niemand gerechnet hatte,
diesmal verlor Moulinsart die Schlacht: Sie hatten die holländischen
Tintin-Fans 2012 bereits auf Schadensersatz und Unterlassung verklagt, da diese Ausschnitte aus Tintin-Bildern Hergés in ihrer Klubzeitschrift abgedruckt hätten. Laut „Le Figaro“ wollte Moulinsart sage und schreibe 32.000 Euro Strafgelder monatlich von den arglosen Tintinophilen. Das Gericht in Haag verwies auf einen von Hergé während der deutschen Besatzungszeit (!) 1942 im
Zweiten Weltkrieg mit seinem Verlag Casterman geschlossenen Kontrakt, der nachweislich nie widerrufen wurde. Daraus geht angeblich hervor, dass Hergé damals sämtliche Nutzerrechte an Casterman abgetreten habe. Dieser Vertrag, so der Anwalt und Verteidiger der Fangruppe, Katelijn van Voorst, vor Gericht, sei nie widerrufen worden –und somit auch noch 2015 gültig. Wenn überhaupt, dann sei Casterman die Instanz, die über
die Nutzung von Bildrechten Hergés zu entscheiden habe – und eben nicht Moulinsart, die Erbengemeinschaft des Altmeisters. Was auch, im Rückblick gesehen, heißt: Hergés Erben von Moulinsart, die auch das sehenswerte Brüsseler Hergé-Museum in Louvain-la-Neuve betreiben, hätten mithin seit Hergés Tod 1983 nie derart auftrumpfen dürfen, wie sie es taten. Besonders der Ehemann der Hergé-Witwe, Nick Rodwell, sorgte mit einem beinharten und brachialen Kurs für Unmut bei zahlreichen Hergé-Fans. Dabei geht es um viel Geld: Es jüngst erzielten
Tintin-Originalseiten in Brüssel und London Spitzenpreise. So erzielte erst vor kurzem das Originalcover des Tintin-Albums "Der rätselhafte Stern" (das im Übrigen genau in jener Zeit erschien, als Hergé offenbar den Vertrag mit Casterman schloß!) sagenhafte 2,5 Millionen Euro.
Zwei große Fragen bleiben: Wer war bloß der lieber anonym bleiben wollende Informant, der den Fans dieses vergessene Sensations-Dokument aus dem Jahre 1942 zuspielte? Und: Könnte das Justizurteil aus den Niederlanden ungeahnte, segensreiche Folge haben? Sollte sich dies alles als hieb- und stichfest erweisen, dann wäre auch das bisher Undenkbare auf einmal denkbar: Dass Casterman das von der Witwe verhängte Verdikt aufheben und es künftig doch noch eine Fortsetzung des Tim und Struppi-Klassikers geben könnte. 1983, nach Hergés Tod, hatte die Witwe dem Chefassistenten Bob de Moor den Wunsch verwehrt, das Tintin-Album „Tim und die Alpha-Kunst“ zu vollenden, bis dieser darüber das Zeitliche segnete.